18.12.2014 20:12:58
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Jürgen Todenhöfer heute, 0:00 Uhr, im "RTL Nachtjournal"-Interview über seinen Besuch beim "Islamischen Staat"
Das Fazit, das Todenhöfer nach seiner Reise zieht ist eindeutig und beklemmend: "Der islamische Staat ist viel stärker, viel gefährlicher als unsere westlichen Politiker meinen. Es herrscht eine geradezu rauschartige Stimmung, wie ich sie noch nie in einem Kriegsgebiet erlebt habe. Es ist dieser Glaube der Kämpfer, sie könnten Berge versetzen. Dieser Glaube wurde verstärkt durch die unvorstellbaren Siege kleiner militärischer Kämpfe und durch den enormen Zulauf, den sie erleben. Jeden Tag kommen über 50 neue Leute aus aller Welt mit leuchtenden Augen zum IS. Das sind nicht nur diese Verlierertypen, wie man sie sich vorstellt. Diese Begeisterung ist so ansteckend und das macht die Stärke des IS aus. Durch die Enthauptung haben sie eine Strategie des Schreckens inszeniert und davor laufen die Gegner davon. Ich weiß auch nicht wie wir sie schlagen sollen.
Über die Motivation der Kämpfer des IS:
Die Kämpfer des IS sind dort hingegangen, weil sie sich in Deutschland total diskriminiert fühlen, weil sie den Islam als Lösung für das Scheitern des Nationalismus halten. Wenn wir keinen Weg finden, wird der IS die Welt erobern. Alle Religionen, die der Demokratie zustimmen, haben zu sterben. Das ist ein unvorstellbares Säuberungsprogramm, das es noch nie vorher gegeben hat. Die ganze Welt soll religiös verändert werden. Das ist eine machtvolle, gefährliche Organisation, wie sie die Welt noch nicht erlebt hat.
Seine Einschätzung der Mitglieder der Terror-Miliz und ihrer Ziele: Ich würde die Anhänger des IS nicht als irre bezeichnen, unter ihnen gibt es hochintelligente Leute. Aber in der Tat versuchen sie eine Lebensform, die angeblich die ersten 5 Khalifen nach Mohammed gelebt haben, ins neue Jahrtausend zu übertragen. Ich bezweifle auch, dass der IS den Koran richtig interpretiert, denn der Koran ist eine Religion der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Von dieser Barmherzigkeit hab ich nie etwas gespürt. Aber diese 1%ige Bewegung vertritt einen Islam, die von 99% der gemäßigten Muslime abgelehnt wird. Im Westen sieht man auch nicht die Strategie, die dahinter steht. Der IS plant eine riesige religiöse Säuberung, nach Auffassung des IS müssen alle nicht abrahimitischen 150 Millionen Anhänger getötet werden und auch alle gemäßigten Muslime, die an Demokratie glauben. Das ist die größte religiöse Säuberungsstrategie, die jemals in der Menschheitsgeschichte geplant worden ist.
Todenhöfer sieht in der Bombardierung der IS-Gebiete keine Lösung: Der Westen hat meiner Meinung nach mit seinen Bombardierungsstrategien keine Chancen, den IS zu stoppen. Ich habe das Surren der Drohnen noch in den Ohren, ich wusste, sie könnten schießen. Aber um 5000 IS Kämpfer auszuschalten, müssten die Amerikaner die Stadt in Schutt und Asche legen. Ich habe Zweifel, dass die Amerikaner das schaffen werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Westen zu Verhandlungen mit dem IS bereit wäre. Ich kann mir aber vorstellen, dass es in absehbarer Zeit Handlungen von Seiten des IS Richtung Westen geben wird, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass der Westen darauf eingehen wird. Zur möglichen Lösung des Konflikts: Die Lösung kann nicht nur im Westen geschehen, sie muss eine innerislamische Lösung sein. Durch den Krieg George W. Bushs ist der Irak in zwei Teile gespalten worden, etwa 30% Sunniten sind ausgeschlossen worden, und diese unterstützen jetzt den IS. Wenn diese Sunniten wieder integriert würden, gäbe es eine Chance, dass sie den IS stoppen können. Aber es gibt keine Chance, dass die schiitische-irakische Regierung diese Sunniten integriert.
Todenhöfer zu seiner Motivation diese Reise anzutreten: Ich schreibe seit einem Jahr ein Buch über den IS. Vor 7 Monaten spürte ich, dass ich authentisches Material brauche. Ich habe über skype Kontakt gesucht, ich habe 80 Terroristen angeschrieben, es gab 15 Antworten und 2 habe ich besucht. Ich habe mit ihnen diskutiert und gelebt. Ich habe schreckliche Bilder von Hinrichtungen und Köpfungen gesehen, ich saß eine Woche mit James Foley in einem Hotel. Erst als ich eine gewisse Sicherheit hatte, dass wir lebend wieder zurückkommen, sind wir losgefahren. Ich konnte diese Sicherheit zwar nicht überprüfen, habe auch mein Testament neu geschrieben. Ich habe eine ganze Reihe von schreibenden Journalisten gefragt, ob sie mitkommen würden. Alle haben abgelehnt, die sollten nun nicht in den Chor der Kritiker einstimmen.
Seine Reaktion auf kritische Stimmen zu seinem Besuch bei dem IS: Ein Staatsbesuch meinerseits wertet den islamischen Staat noch nicht als Staat auf. Der Islamische Staat funktioniert in einer Reihe von Bereichen wie ein Staat dieser Region, in den Bereichen Sozialfürsorge, des Schulwesens. Der Staat, der entstanden ist, ist größer als Großbritannien. Der IS braucht mich nicht als Plattform, er verfügt über eine Medienstrategie, die mir die Sprache verschlägt, sie verängstigt alle. Es gibt einen humanitären Fall, über den ich nicht sprechen kann. Aber wenn ich da was erreichen kann, hat sich die Reise gelohnt. Ich werde die Bundesregierung unterrichten und andere Regierungen haben bereits eine Delegation geschickt um sich mit mir über den IS zu sprechen, weil sich keiner hin traut.
Zu seiner Situation vor Ort:
Ich hab mit den Kämpfern gelebt das war intensiver, als mit den oberen Köpfen zu sprechen. Mit ihnen zu leben, mitzubekommen, wie sie sich verhalten war sehr spannend. Ich bin die Moschee gegangen, was zu harten Auseinandersetzungen führte. Wir haben Peschmerga Gefangene gesehen. Das Stärkste waren die Gespräche, die ich täglich geführt habe. Ich konnte die Leute bis aufs Blut reizen, das war das Risiko. Ich habe den IS gefragt, ob er einverstanden ist, dass wir über die Ideologie sprechen und ich fand schon, dass das sehr harte Diskussionen waren. Es kam zu harten Auseinandersetzungen, als ich mein Handy abgeben musste. Das war für meine Familie schlimm, meine Familie hat 7, 8 Tage nichts von mir gehört. Gleich am ersten Abend dort gab es Schießereien, Hubschrauber kreisten über uns. Das ist kein gutes Gefühl, wenn man in einer Baracke schläft. In einer Wohnung in der wir wohnten, lagen wir bei offenen Fenstern auf Glassplittern auf dem Boden und wussten nicht, ob der Angriff am nächsten Tag wiederholt wird. Man kann sich als mutiger Mensch darstellen, aber das fährt einem in die Knochen, wenn man dahin zurück fährt wo man vor ein paar Tagen noch war, und dann wurde das alles durch Bomben zerstört.
Verwendung der Zitate nur mit Quellennachweis: RTL Nachtjournal
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