Land immer isolierter |
11.02.2019 07:02:00
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Irrlichternde Sterne - Risse in Italiens Regierung
Während Conte gestikuliert, nickt Merkel, sucht mit dem Blick manchmal etwas Unbestimmtes in der Ferne. "Mach dir keine Sorgen Angela", soll Conte da auch gesagt haben. Nach dem Motto: Er habe die Lage im Griff, er könne die beiden lauten Vize-Premiers Salvini und Sterne-Chef Luigi Di Maio in Schach halten.
Sorgen sind aber durchaus angebracht. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht wieder eine Schlagzeile aus Rom durch Europa jagt, eine Provokation fällt, ein neuer Feind und Sündenbock gesucht wird.
Dabei steht Italien, Gründungsmitglied der EU, immer isolierter da. Nachdem der Streit mit der EU-Kommission über den Haushalt endlich beigelegt war, folgte neuer Ärger über blockierte Rettungsschiffe mit Migranten. Und jetzt wird mit der diplomatischen Krise mit Frankreich die öffentliche Erregung hochgehalten. Selbst gegen Berlin - das bisher von den Attacken aus Rom halbwegs verschont geblieben ist - stänkerte Conte zuletzt. Der Regierung war der Freundschaftspakt von Aachen zwischen Frankreich und Deutschland ein Dorn im Auge.
"Die Normalisierung der Beziehungen mit Brüssel haben nicht zu einer besseren Position Italiens in der Europäischen Union geführt", analysiert Giovanni Orsina von der Luiss-Universität in Rom in einem Lagebericht zu Italien. Je näher die Europawahl rückt, desto mehr Lärm wird aus Rom erwartet. Denn die Wahl Ende Mai gilt als Gradmesser für die Beliebtheit der beiden Regierungsparteien, die untereinander im Dauerwettkampf stehen.
Das Nachsehen hat dabei derzeit eindeutig die Fünf-Sterne-Partei. Während Salvini mit seinem Anti-Migrations-Kurs in Umfragen bestens ankommt und die Lega bei rund 32 Prozent liegt (bei den Wahlen hatte sie noch 17 Prozent geholt), sind die Sterne auf etwa 25 Prozent abgerutscht (von rund 32 bei der Wahl). Da mussten sie einen Streit mit Paris vom Zaun brechen, um sich in den Medien neben Salvini zu behaupten.
Im Gegensatz zur Lega fährt die Anti-Establishment-Partei einen Schlingerkurs, legt sich nicht auf Positionen fest. Besonders verfahren ist für die Sterne die Lage bei Großprojekten wie der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Lyon und Turin (TAV), die sie in der Opposition stets abgelehnt hatten. In der Regierung ist das mit dem Dagegen-Sein jedoch nicht so einfach. Das Projekt zu stoppen, würde Unsummen kosten. Während die Sterne irrlichtern, ist die Lega klar dafür.
Nicht nur hier tun sich die Differenzen zwischen den Regierungsparteien auf. Deutlich wurde der Konflikt auch bei der Venezuela-Frage. Nachdem sich die Regierung nicht zu der Krise positionieren konnte, musste Staatspräsident Sergio Mattarella eingreifen und rief zu einer gemeinsamen Linie auf.
Einig scheint man sich nur darüber, dass die im Haushalt festgeschriebenen, umstrittenen Maßnahmen wie ein Bürgereinkommen und eine Rentenreform Italien wieder Wachstum bringen. Allerdings halten fast alle Ökonomen diesen Optimismus für verfehlt. Die Hiobsbotschaft kam erst vor wenigen Tagen: Als erste Volkswirtschaft der Eurozone war Italien zum Jahresende 2018 in die Rezession gerutscht.
In Rom wird daher wild spekuliert, wie lange die Zweckehe noch halten kann. Salvini könnte angesichts der guten Umfragewerte darauf setzen, dass er bei einer Neuwahl durchmarschieren kann und sich als Premier nicht mehr mit seinem "schwierigen, turbulenten und (...) unbeholfenen" Koalitionspartner herumärgern muss, erklärt Wolfango Piccoli von der europäischen Denkfabrik Teneo.
Eine Neuwahl wäre für die Sterne unter derzeitigen Vorzeichen allerdings alles andere als erstrebenswert. Müssen sie doch befürchten, dass sich Salvini mit einer Mitte-Rechts-Koalition alleine durchsetzt.
Hinzu kommt, dass die Regierung von einer starken Popularität getragen wird - und das nicht nur wegen eines komatösen Zustands der linken Opposition. Die Zustimmung liegt bei bis zu 60 Prozent. "Die Flitterwochen zwischen Wählern und den Parteien, die die Conte-Regierung unterstützen, sind noch nicht vorbei", so Politikexperte Orsina. Die Regierung Conte könnte daher länger im Amt bleiben, als von vielen angenommen.
ROM (dpa-AFX)
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