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14.09.2015 18:06:45

INTERVIEW/IfW will niedrigere Arbeitsmarktstandards für Flüchtlinge

   Von Andreas Kißler

   BERLIN (Dow Jones)--Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat die Politik angesichts der gegenwärtigen Flüchtlingswelle zu einer Senkung der Arbeitsmarktstandards aufgefordert.

   "Wenn man die Integration bewerkstelligen will, dann muss man da ran", verlangte der Konjunkturchef des IfW, Stefan Kooths. "Man kann jetzt nicht sagen, wir wollen die Integration, aber wir schreiben die Produktivität fest nach den Maßstäben, die wir hier haben", sagte Kooths am Rande der "Kieler Konjunkturgespräche" zu Dow Jones Newswires.

   Den neuen Arbeitskräften soll nach den Vorstellungen des Ökonomen mit niedrigeren Standards ein schneller Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt eröffnet werden. Nötig seien Abstriche beim Mindestlohn und den Arbeitsbedingungen.

   "Die Flüchtlinge erhöhten die Produktivität, aber nur dann, wenn wir die Preissignale arbeiten lassen", sagte der Konjunkturchef des IfW. "Wenn wir die abschneiden, dann importieren wir Arbeitslosigkeit und vermutlich auch frustrierte Emigranten." Integration im Arbeitsmarkt wäre "um ein Vielfaches wirksamer", als den Flüchtlingen ausschließlich lang dauernde Qualifizierungskurse anzubieten.

   Denkbar seien Ausnahmen nur für Flüchtlinge, dies wäre aber ein "Kompromiss". Besser wäre eine generelle Senkung von Schwellen, um nicht Teile der deutschen Bevölkerung um so mehr vom Arbeitsmarkt auszuschließen. "Der eigentliche Lackmustest für unsere Integrationsbereitschaft steht noch aus," warnte Kooths.

   SPD-Chef Sigmar Gabriel rechnet für das laufende Jahr inzwischen mit der Ankunft von bis zu einer Million Flüchtlingen in Deutschland. "Vieles deutet daraufhin, dass wir in diesem Jahr nicht 800.000 Flüchtende aufnehmen, wie es das Bundesinnenministerium prognostiziert hat, sondern eine Million", schrieb Gabriel in einem am Montag veröffentlichten Brief an die SPD-Mitglieder. Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise sind für Dienstag in Berlin mehrere Sondertreffen geplant.

   Unterdessen hat die deutsche Wirtschaft die am Wochenende beschlossene Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu Österreich ausdrücklich begrüßt und eine schnelle europäische Lösung verlangt. "Die befristete Wiedereinführung der Grenzkontrollen ist richtig, um eine Überforderung selbst für ein gut organisiertes Land wie Deutschland zu verhindern und die Dringlichkeit einer europäischen Lösung deutlich zu machen", betonten die Präsidenten der vier Verbände BDA, BDI, DIHK und ZDH in einer gemeinsamen Erklärung zur Flüchtlingskrise.

   IfW-Ökonom Kooths forderte ebenfalls ein gemeinsames europäisches Vorgehen, in dem auch "eine Riesenchance" liege, allen den Umgang mit der Flüchtlingswelle zu erleichtern.

   Der Wirtschaftsexperte verwahrte sich aber ausdrücklich gegen den Vorwurf, jetzt "auf dem Ticket der Flüchtlingskrise" nur altbekannte Thesen propagieren zu wollen. Sage man, man wolle den sozialen Frieden wahren, dann sei es zumindest "eine offene Frage, was den sozialen Frieden mehr gefährdet," konstatierte er. "Wir können nicht ökonomische Kräfte durch Wunschdenken ersetzen."

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

   DJG/ank/smh

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   September 14, 2015 11:36 ET (15:36 GMT)

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