Vorläufige Zahlen |
30.09.2024 16:22:39
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Inflation in Deutschland rückläufig - EZB wird zuversichtlicher
Vor allem für Energie mussten Verbraucher im September deutlich weniger zahlen als im August (minus 7,6 Prozent), während die Preise für Lebensmittel leicht zulegten und sich Dienstleistungen verteuerten.
Schon in den vergangenen Monaten hat sich der Preisauftrieb deutlich abgeschwächt. So lag die Inflationsrate im August bei 1,9 Prozent nach 2,3 Prozent im Juli. Die viel beachtete Kerninflation ohne die stark schwankenden Preise für Energie und Lebensmittel ging leicht zurück von 2,8 auf 2,7 Prozent. Im Vergleich zum Vormonat August blieben die Verbraucherpreise unverändert.
Ökonomen erwarten weniger Preisdruck auf Verbraucher
Ökonomen gehen davon aus, dass die Inflation weiter sinkt. In ihrem kürzlich veröffentlichten Herbstgutachten rechnen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute für das laufende Jahr mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 2,2 Prozent - nach 5,9 Prozent 2023. Im kommenden Jahr werde die Inflation dann nur noch bei 2,0 Prozent liegen.
Nach einer aktuellen Umfrage des Ifo-Instituts wollen immer weniger Unternehmen in Deutschland ihre Preise erhöhen. Die Ifo-Preiserwartungen sanken im September auf den niedrigsten Wert seit Februar 2021.
Konsum stockt trotzdem
Der Rückgang der Inflation in Deutschland hat bisher aber nicht die Konsumlaune der Verbraucher angekurbelt. Laut jüngstem GfK-Konsumklimaindex verharrte die Stimmung im September auf sehr niedrigem Niveau - trotz gestiegener Löhne. Viele Menschen legten ihr Geld lieber auf die hohe Kante, anstatt es in den Bau eines Eigenheims oder für den Konsum auszugeben, befanden auch die Wirtschaftsexperten in ihrem Herbstgutachten.
Für die derzeit schwächelnde Konjunktur sind das keine guten Aussichten, gilt der private Konsum doch als wichtige Stütze für die schwache deutsche Wirtschaft, die am Rande der Rezession steht. Experten machen für den stockenden Konsum auch die auf längere Sicht gesunkene Kaufkraft der Verbraucher verantwortlich. Der russische Angriff auf die Ukraine hatte eine Inflationswelle ausgelöst - danach waren die Energiepreise rasant gestiegen.
Mehr Spielraum für EZB
Sinkt die Inflation in Deutschland und im Euroraum insgesamt, würde das der Europäischen Zentralbank (EZB) Spielraum für weitere Leitzinssenkungen verschaffen. Zuletzt senkte die EZB den richtungsweisenden Einlagenzinssatz um 0,25 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent. Die erste Zinssenkung seit der Inflationswelle hatte es im Juni gegeben. An den Börsen wird fest mit weiteren Zinsschritten in den kommenden Monaten gerechnet. Beobachter rätseln aber, ob die EZB schon bei ihrem nächsten Zinsentscheid im Oktober nachlegt.
Ökonomen-Stimmen zur Inflationsentwicklung in Deutschland
Die Inflation in Deutschland ist auf den niedrigsten Stand seit rund dreieinhalb Jahren gefallen. Im September lagen die Verbraucherpreise um 1,6 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Montag in einer ersten Schätzung mitteilte. Niedriger war die Teuerungsrate zuletzt im Februar 2021.
Einschätzungen von Ökonomen zur Preisentwicklung und zu möglichen Folgen für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB):
Ralph Solveen, Volkswirt Commerzbank:
"Die Inflationsrate in Deutschland ist im September hauptsächlich wegen eines weiteren Rückgangs der Energiepreise von 1,9 Prozent im August auf 1,6 Prozent gefallen. Die Kernteuerungsrate ohne Energiepreise und die ebenfalls häufig volatilen Nahrungsmittelpreise ging nur leicht von 2,8 Prozent auf 2,7 Prozent zurück. Die unterliegende Teuerung ist in Deutschland also immer noch deutlich höher als das EZB-Ziel. Hierfür sind in erster Linie die immer noch stark steigenden Lohnkosten verantwortlich, die insbesondere die Dienstleistungspreise anschieben."
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank:
"Inflationszahlen unter zwei Prozent schüren bereits wieder Ängste vor zu niedrigen Raten. Dies wird sich allerdings in den kommenden Monaten wieder relativieren, wenn die immer noch starke Dynamik bei den Dienstleistungspreisen die Inflationsrate wieder über zwei Prozent treiben dürfte. Angesichts der schwachen Konjunkturdaten kommt die Europäische Zentralbank unter Druck, ebenso wie die US-Notenbank, die Zinsen schneller zu senken. Die EZB braucht aber nicht in Zinssenkungspanik zu verfallen, da ihre Leitzinsen bereits deutlich unter den US-Zinsen liegen."
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank:
"Deutschland hat wirtschaftliche Schwierigkeiten und gerade deshalb wird der Preisauftrieb auch unter Herausrechnung der volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise abnehmen. Immer mehr Unternehmen berichten von anstehenden Entlassungen. In solch einem Umfeld wird es auch der Dienstleistungssektor schwer haben, höhere Preise durchzusetzen. Gerade der Dienstleistungssektor war zuletzt einer der Hauptverursacher für die noch immer relativ hohe Kerninflationsrate."
Sebastian Becker, Volkswirt bei Deutsche Bank Research:
"Dank deutlich niedriger Sprit- und Heizölpreise sowie ausgeprägter negativer Basiseffekte ist die Gesamtteuerungsrate auch im September kräftig gefallen. Unserer Einschätzung nach könnte sie auch im Oktober noch unterhalb der 2-Prozent-Marke verbleiben. Aber schon im November und Dezember dürften die dann auslaufenden beziehungsweise sich ins Gegenteil verkehrenden Basiseffekte die Inflation wieder über die 2-Prozent-Marke hieven. Zur Weihnachtszeit werden wir voraussichtlich wieder eine Teuerungsrate von über 2 Prozent sehen."
Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust:
"Der Blick der Europäischen Zentralbank wird sich jedoch weniger auf die Energiepreise richten. Sie hat auf die Energiepreise wenig Einfluss und es ist kaum auszumachen, wo die Reise an den Öl- und Gasmärkten angesichts immer größerer geopolitischer Spannungen hingeht. Für die Zentralbank stehen binnenwirtschaftliche Preisentwicklungen im Vordergrund und die sind auch in Deutschland weit über zwei Prozent. Man wird von der Zentralbank in den kommenden Monaten Zinssenkungen erwarten dürfen, aber große Schritte und starke Ankündigungen wären deplatziert."
Ralf Umlauf, Ökonom Landesbank Hessen-Thüringen:
"Disinflation in Deutschland setzt sich fort. Im September sind die Verbraucherpreise in nationaler Abgrenzung per saldo nicht gestiegen. Entlastend hat die Entwicklung der Sprit- und Heizölpreise gewirkt. Die Jahresteuerungsrate hat die Konsensschätzung unterschritten und ist somit unterhalb der Zwei-Prozent-Marke weiter und auf den tiefsten Stand seit Anfang 2021 gesunken. Mit einhergehend werden die Zinssenkungserwartungen bezüglich der EZB im Oktober nicht in Frage gestellt. Diese sind mit einer eingepreisten Wahrscheinlichkeit von rund 75 Prozent bereits sehr ausgeprägt."
EZB-Präsidentin: Notenbank wird zuversichtlicher bei Inflationskontrolle
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich zuversichtlicher mit Blick auf die Inflationsentwicklung gezeigt und eine weitere Zinssenkung im Oktober nicht ausgeschlossen. Die jüngste Entwicklung der Verbraucherpreise habe das Vertrauen gestärkt, dass die Teuerung zeitnah den angestrebten Zielwert erreichen könne, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Montag bei einer Anhörung vor dem EU-Parlament in Brüssel. "Wir werden dies bei unserer nächsten geldpolitischen Sitzung im Oktober berücksichtigen", sagte die Notenbankerin. Die Aussagen sind der bisher deutlichste Hinweis von Lagarde auf eine mögliche Senkung im Oktober.
Die EZB strebt bei ihrer Geldpolitik ein Inflationsziel von mittelfristig zwei Prozent an, bei dem sie die Stabilität der Preise als gewährleistet ansieht. Zuletzt hatte Lagarde wie auch andere EZB-Vertreter mehrfach bekräftigt, dass weitere Zinsschritte von der Entwicklung der Konjunkturdaten abhängig seien. Im September hatte die Notenbank ihre Leitzinsen zum zweiten Mal nach der großen Inflationswelle gesenkt, nachdem sie im Juni die Zinswende eingeläutet hatte. Der derzeit wichtigste Leitzins, der Einlagensatz, wurde um 0,25 Prozentpunkte auf 3,50 Prozent nach unten gesetzt.
Zuletzt haben jüngste Daten aus dem Währungsraum einen deutlichen Rückgang der Inflation gezeigt. So war die Teuerung in Frankreich und in Spanien im September spürbar gesunken und jeweils deutlich unter die Marke von zwei Prozent gefallen. Am Montagnachmittag veröffentlichte deutsche Preisdaten zeigten einen weiteren Rückgang der Teuerung und ebenfalls eine Jahresrate unter zwei Prozent. Für die gesamte Eurozone wird am Dienstag auch ein erneuter Rückgang der Inflationsrate erwartet.
Lagarde machte in ihrer Rede vor den Parlamentariern allerdings auch deutlich, dass zum Ende des Jahres wieder mit einem Anstieg der Inflation zu rechnen sei. In den kommenden Monaten ist demnach ein Auslaufen von Basiseffekten bei den Energiepreisen zu erwarten, was die Teuerung im vierten Quartal vorübergehend antreiben dürfte.
Am Devisenmarkt geriet der Kurs des Euro nach den Aussagen von Lagarde am Nachmittag etwas unter Druck und gab frühe Kursgewinne teilweise wieder ab.
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WIESBADEN (dpa-AFX)
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