Rücksetzer 08.03.2024 17:54:00

HelloFresh-Aktie bricht massiv ein: Mittelfristziele zurückgezogen

HelloFresh-Aktie bricht massiv ein: Mittelfristziele zurückgezogen

Die Zurückhaltung der Kunden belastet das Geschäft des MDAX-Konzerns. Daran dürfte sich absehbar nichts ändern, und der Vorstand nimmt deshalb Abstand von seinen Mittelfristzielen. Das bisher für das Jahr 2025 gesetzte operative Margenziel dürfte erst langfristig greifbar sein. Zudem kündigte Finanzchef Christian Gärtner in einer Telefonkonferenz mit Analysten an, dass Hellofresh ab dem ersten Quartal 2024 die Zahl der Aktiven Kunden nicht mehr vierteljährlich veröffentlichen wird. Anlegern schmeckten die Nachrichten gar nicht.

Am Donnerstagabend hatte HelloFresh in Berlin mitgeteilt, dass die Mittelfristziele unwahrscheinlich zu erreichen seien. Bislang hatten sich Konzernchef Dominik Richter und Finanzchef Christian Gärtner bis 2025 einen Umsatz von zehn Milliarden Euro auf die Fahne geschrieben. Zehn Prozent davon - oder eine Milliarde Euro - sollten als um Sondereffekte bereinigtes Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) übrig bleiben. Von einer neuen Mittelfristprognose oder einer Ansage, wann die bislang genannten Ziele für 2025 erreicht werden sollen, fehlt jede Spur.

Konzernchef Richter baut weiter auf den Hoffnungsträger Ready-To-Eat, das Segment rund um verzehrfertige Mahlzeiten. Von der Übernahme des US-Unternehmens versprach sich der Manager ein zweites Standbein zu dem Hauptgeschäft mit Kochboxen.

HelloFresh war mit seinen vorportionierten Zutatenpaketen groß geworden. Vor allem während der Corona-Pandemie, als Lockdowns und die Angst vor Infektionen das Ausgehen erschwerten, legte das Geschäft des Unternehmens deutlich zu. Seither flaut die Nachfrage deutlich ab, und selbst dauerhafte Rabattaktionen können Kunden kaum überzeugen. Richter will daher seine Strategie ändern: Früheren Angaben zufolge soll die Fertigessen-Sparte bis 2025 die größte des Unternehmens werden.

Am Donnerstagabend verdeutlichte HelloFresh , dass dieser Bereich im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent gewachsen ist. Wegen der erwarteten starken Nachfrage will Richter die Produktionskapazitäten ausbauen.

Für den einstigen Umsatztreiber Kochboxen sieht es hingegen mau aus: "Derzeit" verzeichnet HelloFresh nach eigenen Angaben einen Umsatzverlust im hohen einstelligen Prozentbereich. Im Laufe des Jahres dürfte die Absatz- und Umsatzlücke zunehmend kleiner werden. Ganz kompensieren lässt sich die Delle aber anscheinend nicht.

Bereits für 2024 zeigen sich weitere Zeichen schwacher Geschäfte, die vor allem auf Kochboxen aufbauen: So dürfte der bereinigte operative Gewinn den Angaben zufolge auf 350 bis 400 Millionen Euro einbrechen. Bereits im abgeschlossenen Jahr war dieses Ergebnis vorläufigen Zahlen zufolge von 477 auf 448 Millionen Euro zurückgegangen.

Die Prognose des Vorstands liegt deutlich unter den durchschnittlichen Schätzungen von Analysten, die für 2024 von einem deutlichen Anstieg ausgegangen waren.

Nach den Plänen des Managements soll der Umsatz währungsbereinigt um zwei bis acht Prozent zulegen. Im vergangenen Jahr war er um etwa 2,8 Prozent auf rund 7,6 Milliarden Euro gestiegen. "2023 war klar enttäuschend und unter unseren Erwartungen", sagte Konzernchef Richter in der Telefonkonferenz.

HelloFresh geht davon aus, dass der Erlös im ersten Quartal währungsbereinigt nur leicht zugelegt hat. Die entsprechende bereinigte Gewinnmarge (Ebitda-Marge) dürfte im besten Fall bei null liegen oder auch leicht negativ ausfallen. Demnach dürfte das operative Ergebnis entweder geradeso die Gewinnschwelle erreichen oder mit einem leichten operativen Verlust enden. Der Vorstand begründete dies mit hohen Marketingausgaben sowie dem schnellen Hochfahren des Geschäfts mit Fertiggerichten. Der deutliche Mengenrückgang bei den Kochboxen soll sich im zweiten Halbjahr "entspannen".

Mitte November hatte HelloFresh bereits seine Ziele für 2023 zusammengestrichen. Grund waren Probleme im wichtigsten Einzelmarkt USA. In Arizona verzögerte sich das Hochfahren der neuen Produktionsstätte für Fertiggerichte. Zudem erschwerten die Wasserknappheit in dem Wüstenstaat sowie fehlendes Personal die Herstellungsprozesse. Und in Illinois dauerte die geplante Wartung einer Produktionsstätte länger als angenommen.

Auch zeigte sich damals schon, dass Kunden wohl nicht mehr so stark wie in der Vergangenheit auf HelloFresh-Produkte anspringen: Rund um das Erntedankfest seien die Neukundenzahlen überraschend gering ausgefallen, berichtete das Unternehmen. Üblicherweise nimmt HelloFresh im Spätsommer und zu Beginn der Herbstmonate viel Geld in die Hand, um neue Kunden mit Rabattaktionen und sogar mit kostenlosen Kochboxen zu ködern.

HelloFresh-Kursknick - Analyst sieht Glaubwürdigkeitsverlust

Nach dem Rückzug der Mittelfristziele durch HelloFresh haben viele Investoren am Freitag die Reißleine gezogen. Analysten sprachen von einem weiteren Schlag für die Glaubwürdigkeit der Managements, nachdem es bereits im November eine große Enttäuschung gegeben hatte. Der HelloFresh-Aktienkurs brach dramatisch ein.

Letztlich kosteten die Papiere via XETRA mit 6,86 Euro 42,1 Prozent weniger als am Vortag. Damit zeichnete sich der größte Kursverlust in der Börsengeschichte des Unternehmens ab. Weniger hatten die Papiere zuletzt Anfang 2019 gekostet. Im Tagestief fielen die HelloFresh-Aktien gar auf 6,13 Euro. Mit 5,82 Euro hätten sie ein Rekordtief erreicht.

Bislang hatte sich Konzernchef Dominik Richter bis 2025 einen Umsatz von zehn Milliarden Euro auf die Fahne geschrieben. Zehn Prozent davon - oder eine Milliarde Euro - sollten davon als operatives Ergebnis (bereinigtes Ebitda) hängen bleiben. Daraus dürfte allerdings nichts mehr werden, denn bereits für das laufende Jahr zeigen sich weitere Zeichen von schwachen Geschäften.

2024 dürfte der bereinigte operative Gewinn nach Unternehmensangaben auf 350 bis 400 Millionen Euro einbrechen. Bereits im abgeschlossenen Jahr war dieses Ergebnis vorläufigen Erkenntnissen zufolge von 477 auf 448 Millionen Euro zurückgegangen.

Analystin Emily Johnson von der britischen Barclays-Bank sieht die gekappten Ziele für 2024 als neuerliche Enttäuschung, nachdem man im November bereits für 2023 zurückgerudert war. So liege der Unternehmensausblick für den bereinigten operativen Gewinn 2024 mehr als ein Drittel unter der durchschnittlichen Markterwartung. "Es gibt viele Fragen für die Analystenrunde am Morgen", so die Expertin.

Zwar führe das Unternehmen den Margendruck auf Kosten für neue Produktionsstätten und Marketing zurück sowie darauf, dass wegen eines geringeren Absatzes der Fixkostenanteil je Kochbox steige, schrieb Analyst William Woods von Bernstein Research in einer ersten Reaktion. Für ihn ist es aber auch ein Zeichen für den Druck auf das Geschäftsmodell an sich. So hänge das Wachstum von stark vergünstigten Werbeangeboten ab.

Nachdem das Management bereits im November die Ziele für 2023 zusammenstreichen musste, nagten die aktuellen Nachrichten weiter an der Glaubwürdigkeit der Unternehmensführung, so Woods.

So sieht es auch Simon Baker von französischen Großbank Société Générale: "Die Glaubwürdigkeit der Konzernprognosen ist ernsthaft beschädigt." Das Management habe vor nicht allzu langer Zeit betont, dass die Probleme nur vorübergehender Natur seien und keinen großen Einfluss auf 2024 haben würden - und nun diese Senkung der Gewinnziele. Baker bezweifelt, dass HelloFresh das Vertrauen seiner Investoren in der nächsten Zeit wiedergewinnen kann.

Grund der Prognosekappung im November waren Probleme im wichtigsten Einzelmarkt USA gewesen. In Arizona verzögerte sich das Hochfahren der neuen Produktionsstätte, in der Fertiggerichte produziert werden sollen. Damals war der Aktienkurs binnen eines Tages um mehr als 22 Prozent eingebrochen.

Mit dem Kurseinbruch am Freitag steigt der Verlust seit der Warnung im November auf 67 Prozent; der Börsenwert von HelloFresh schmolz auf weniger als 1,2 Milliarden Euro. Die Talfahrt seit Ende 2021 geht weiter.

So hatten Essenslieferanten wie HelloFresh während der Hochphase der Corona-Pandemie noch zu den Lieblingen der Anleger gezählt. Restaurants waren geschlossen, die Menschen blieben daheim, bestellten fertige Mahlzeiten oder kochten selbst viel. Entsprechend war der Aktienkurs nach oben geschossen - von weniger als zehn Euro vor der Pandemie bis auf fast 100 Euro im November 2021.

An die Börse gegangen war HelloFresh gegen Ende 2017 mit einem Ausgabepreise von 10,25 Euro je Anteilschein.

BERLIN/FRANKFURT (dpa-AFX)

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Bildquelle: HelloFresh SE

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