11.06.2021 19:22:40

Habeck will neue Finanzpolitik mit schuldenfinanzierten Investitionen

Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Grünen-Chef Robert Habeck hat eine neue Finanzpolitik gefordert, die in den kommenden Jahren massive schuldenfinanzierte Investitionen in die klimagerechte Transformation ermöglicht.

Nötig sei eine Änderung der Schuldenbremse, um dadurch zusätzliche Investitionen zu ermöglichen. Niemand wolle zurück in eine Verschuldungspolitik. Aber die Finanzpolitik müsse neu justiert werden.

"Wir brauchen nicht nur ein anderes Verständnis von dem Verhältnis von Wirtschaft und Klimaschutz und ein anderes Verständnis von Gerechtigkeitspolitik. Wir brauchen auch ein anders Verständnis von Finanzpolitik", sagte Habeck auf dem Grünen-Parteitag.

In der Schuldenbremse sollte eine Investitionsregel eingeführt werden, damit man die Gelder, die neues öffentliches Vermögen schaffen, in den nächsten zehn Jahren finanzieren könne

"Diese Investitionen schieben dann einen gigantischen Weg weiterer privater Investition an. Kein Staat kann die große Transformationsaufgabe allein stemmen. Aber die staatliche Unterstützung muss gewährleistet sein, damit die großen Kräfte der Märkte, der Marktwirtschaft in die richtige Richtung laufen", so Habeck. Mit einer solchen Politik halte man nicht nur Deutschland, sondern auch Europa zusammen.

Denn in Europa werde Deutschland zu Recht immer wieder vorgeworfen, dass es viel zu wenig investiere. "Das reiche Deutschland gibt weniger Geld für den kommenden Wohlstand aus als andere Länder in Europa. Das ist schlecht für Deutschland, das ist aber auch schlecht für Europa, weil dadurch die Fliehkräfte in Europa größer werden. Ändern wir diese Politik, kommen wir zusammen", so der Grünen-Politiker.

Ausgleiche für höhere CO2-Preise

Habeck wies in seiner Rede zum Auftakt des Grünen-Parteitags zudem Vorwürfe zurück, dass die Grünen die Freiheit der Menschen einschränken wollten. "Wer das Klima schützt, schützt die Freiheit", sagte Habeck. Auch verteidigte er die Pläne der Grünen, den CO2-Preis deutlich zu erhöhen, was in der öffentlichen Debatte wegen der daraus resultierenden höheren Benzinpreise in die Kritik geraten ist.

Der CO2-Preis sei ein "wichtiges" Lenkungsinstrument. "Er gibt das Signal an uns alle, an die Industrie, an die Hausbesitzer und die Vermieter, dass sich die Technik ändern muss." Aber der CO2-Preis sei nicht das einzige Instrument der Politik für den Klimaschutz, ansonsten liefe man Gefahr, dass sich nur noch wenige das Autofahren oder die Reise in den Urlaub leisten könnten.

Neben dem CO2-Preis sei das Ordnungsrecht wichtig, das klare Ansagen macht, welche Technik wann auslaufe, damit neue Technik entstehe. Wichtig sei auch staatliche Förderung neuer Projekte, wie etwa von Gebäudesanierung und CO2-freiem Stahl. Dabei dürften Klimaschutzanstrengungen die sozialen Spannungen nicht zu groß werden lassen in der Gesellschaft. Deshalb müssten alle Einnahmen, die über die CO2-Besteuerung eingenommen werde, auch wieder zurückgegeben werden, wobei die mit dem größeren CO2-Verbrauch weniger zurückbekommen als die mit einem geringeren CO2-Fussabdruck, so Habeck.

Auch forderte er Änderungen in der Lohnpolitik. Von Löhnen müsse man leben können. Daher müsse der Mindestlohn erhöht, die Tarifbindung verstärkt und der Niedriglohnsektor ausgetrocknet werden. In der Familienpolitik plädierte er statt des Ehegattensplittings für eine Förderung der Kinder, damit reichere Eltern nicht besser gestellt würden als weniger gut verdienende Väter und Mütter.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

DJG/aat/sha

(END) Dow Jones Newswires

June 11, 2021 13:23 ET (17:23 GMT)

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