27.09.2022 19:02:39

Habeck erwartet verlängerte Laufzeit von zwei Akw bis April 2023

Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geht angesichts der angespannten Versorgungssituation in Frankreich davon aus, dass die Atomkraftwerke Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg und Isar 2 in Bayern im ersten Quartal 2023 am Netz bleiben müssen. Jüngste Schätzungen über verfügbare Atomstrommengen aus Frankreich hätten ergeben, dass Deutschland im Winter bei der Stromversorgung in ein Extremszenario geraten würde. Dies mache einen längeren Betrieb der Akw notwendig.

Damit würde Deutschland nicht wie bislang geplant zum Ende des Jahres aus der Atomkraft aussteigen. Habeck verwies auf die Daten aus dem jüngsten französischen Stresstest des dortigen Übertragungsnetzbetreibers. Dieser rechne im Kernszenarien nur noch mit 45 Gigawatt (GW) und das nur für zwei Wochen im Januar.

"Damit wären wir schon in unserem sehr kritischen Stresstestszenario. Dann geht es runter, und Ende Februar sind den Daten zufolge nur noch 40 GW verfügbar - da wären wir im Extremszenario", erklärte Habeck. "Die Entwicklung in Frankreich ist in den letzten Wochen deutlich schlechter gewesen als eigentlich prognostiziert. Und insofern ist es das Szenario, mit dem wir im Moment rechnen müssen."

Mehr als die Hälfte der dortigen Atomkraftwerke sei nicht am Netz, es fehlten daher Strommengen, die Deutschland zum Teil mit Strom aus Gaskraftwerken ausgleiche. Entwickele sich die Lage in Frankreich schlecht, verschärften sich die Stressfaktoren für das deutsche Stromsystem.

Anfang September hatte Habeck angekündigt, dass die Kraftwerke Neckarwestheim in Baden-Württemberg und Isar 2 in Bayern eine Einsatzreserve bis Mitte April 2023 bilden sollten. Das dritte verbliebene Kraftwerk Emsland soll wie geplant zum 31. Dezember komplett abgeschaltet werden.

Einigung mit Betreiber auf Details

Mit den beiden Betreibern von Neckarwestheim und Isar 2 hat sich das Bundeswirtschaftsministerium nun auf ein Konzept für eine Einsatzreserve verständigt. Den gemeinsam vereinbarten Eckpunkten zufolge sollen die beiden Atomkraftwerke nach dem Ablauf ihrer regulären Laufzeit Ende Dezember 2022 in eine Einsatzreserve überführt werden. Sie stehen damit bereit, um einen drohenden Stromnetzengpass in Süddeutschland zu verhindern. Um die Reserve zu ermöglichen, werden die Betreiber der beiden Akws laut Ministerium ab sofort alles Erforderliche in die Wege leiten, damit die Anlagen über 2022 hinaus bis längstens zum 15. April 2023 weiter im Markt betrieben werden können.

Das Gesetzesvorhaben zur Einsatzreserve der Akws soll bis Ende Oktober abgeschlossen sein. Laut der von Habeck vorgestellten Eckpunkte erfolgt bei der Einsatzreserve der Betrieb der Anlagen wie bisher uneingeschränkt in der atomrechtlichen Verantwortung und Haftung der Anlagenbetreiber (Betreiberrisiko) ohne Einschränkungen bei der Sicherheit des Betriebs der Anlagen. Die geltenden Sicherheitsvorgaben bleiben demnach bestehen.

"Erfolgt ein Abruf und wird eine Anlage daraufhin im Strommarkt betrieben, erzielt der Betreiber Strommarkterlöse. Kommt es bei einer Anlage zu keinem Abruf, werden die notwendigen Kosten für die Einsatzreserve erstattet", erklärte das Wirtschaftsministerium.

Sollte die Einsatzreserve genutzt werden, würde das Akw Isar 2 seinen Betrieb mit dem aktuellen Reaktorkern bis voraussichtlich Anfang März 2023 fortsetzen. Dabei können nach Betreiberangaben zwischen anfänglich etwa 95 Prozent der Leistung bis etwa 50 Prozent der Leistung zum Ende bereitgestellt und damit ca. 2 Terrawattstunde (TWh) Strom produziert werden.

Das Akw Neckarwestheim könne den Angaben der Betreiber zufolge mit Nutzung der Einsatzreserve nach einem technisch notwendigen Stillstand zur Rekonfiguration des Reaktorkerns Anfang Januar 2023 zwischen anfänglich etwa 70 Prozent der Leistung bis etwa 55 Prozent der Leistung zum Ende bereitstellen und insgesamt ca. 1,7 TWh Strom erzeugen.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

DJG/aat/jhe

(END) Dow Jones Newswires

September 27, 2022 13:03 ET (17:03 GMT)

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