Rating bleibt wohl erhalten |
29.06.2015 13:17:46
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Griechenland droht kein amtlicher Zahlungsausfall
Griechenland muss am morgigen Dienstag gut 1,5 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Dazu dürfte es nach übereinstimmender Meinung kaum in der Lage sein, nachdem sich das Land den kurzfristigen Zugang zu europäischen Hilfsgeldern selbst abgeschnitten hat. Als vage Möglichkeit gilt unter Beobachtern allenfalls, dass das Land Schuldscheine ausgibt und auf diese Weise Geld im Inland zusammenkratzt.
Aber will diesem Staat wirklich noch jemand Geld borgen? Wahrscheinlicher ist es, dass der IWF sein Geld nicht bekommt. IWF-Chefin Christine Lagarde hat schon gesagt, dass sie das nicht für längere Zeit geheim halten würde. Gleichwohl wäre damit kein offizieller Zahlungsausfall gegeben, denn das entsprechende Verdikt der Ratingagenturen bliebe aus.
"Eine ausbleibende IWF-Rückzahlung würde für sich genommen noch nicht zu einem Default führen", heißt es in einer Veröffentlichung von Fitch Ratings.
Eine andere Frage ist, ob auch die Europäische Zentralbank (EZB) ein solches Ereignis einfach ignorieren könnte. Sie akzeptiert schon seit längerer Zeit keine griechischen Staatsanleihen mehr als Sicherheit in Repo-Geschäften, erlaubt sie aber noch der griechischen Zentralbank. Die darf den Banken Notkredite (Emergency Liquidity Assistance) geben.
Das setzt aber voraus, dass die eingereichten Staatsanleihen werthaltig sind. Eine Nichtbedienung von IWF-Schulden müsste diese Einschätzung eigentlich negativ beeinflussen. Die Frage ist, welche konkreten Schlüsse der EZB-Rat daraus ziehen würde.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, dem laut Presseberichten schon das Einfrieren von ELA nach dem Scheitern der Eurogruppe-Verhandungen nicht hart genug war, würde sicherlich wieder für einen harten Kurs stimmen. Andere Ratsmitglieder dürften dagegen nachgiebiger sein und für eine Verlängerung von ELA auf dem aktuellen Niveau stimmen, weil sie auf ein positives Votum der Griechen bei der Volksabstimmung über die Reformvorschläge der Kreditgeber hoffen dürfen.
Die Ratingagentur Fitch geht davon aus, dass die EZB die ELA-Kredite nicht untersagen, aber vielleicht erschweren würde, und zwar über die Einführung höherer Bewertungsabschläge auf eingereichte Sicherheiten. Das bedeutet, die Banken würden auf das gleiche Papier weniger Geld geliehen bekommen als bisher. Allerdings habe die EZB ziemliche Freiheit bei der Genehmigung von ELA, meint Fitch.
Richtig ernst wird es allerdings spätestens am 20. Juli, denn dann muss Griechenland Anleiheschulden über 3,5 Milliarden Euro an die EZB selbst zurückzahlen. Nach Aussage von Standard & Poor's (S&P) würde auch hier ein Zahlungsausfall keine Herabstufung der offiziellen Kreditwürdigkeit auf "Selective Default" nach sich ziehen, denn auch sie ist kein privater Gläubiger.
Doch wäre es aus Sicht der EZB dann nicht mehr möglich, die Illusion aufrecht zu erhalten, dass Griechenland seine Schulden tragen kann. Haben sich die Griechen bis dahin nicht mit ihren Kreditgebern auf neue Zahlungen geeinigt, müsste die EZB dem Land den Geldhahn zudrehen.
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hält einen Stopp der Notfinanzierung durch die EZB alles in allem für eher unwahrscheinlich. "Ich sehe nur ein Drittel Wahrscheinlichkeit, dass die Griechen bei dem Referendum am nächsten Sonntag mit 'Nein' stimmen. Für den Fall, dass sie das trotzdem tun, sehe ich eine Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln, dass die EZB ELA tatsächlich beendet, wenn sie selbst kein Geld von den Griechen zurück bekommt", sagte er. Das, so fügt er hinzu, wäre dann tatsächlich der Grexit.
DJG/hab/sha
Dow Jones Newswires
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)
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