Ein Ende mit Schrecken? 30.06.2015 10:40:00

"Grexit": Die fatalen Folgen eines griechischen Staatsbankrotts

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras war Anfang dieses Jahres angetreten, Griechenland vom Spardiktat der europäischen Gläubiger zu befreien. Die "Troika", das Kontrollgremium aus Vertretern von Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Kommission, sollte seinen Einfluss auf die griechische Bevölkerung nicht weiter geltend machen können.

Dieses Ziel war (und ist weiterhin) sehr ambitioniert. Kann Griechenland überhaupt ohne fremde Hilfe der Schuldenfalle entkommen? Derzeit sieht es nicht danach aus: Griechenland hat inzwischen horrende Schulden angesammelt in Höhe von 330 Milliarden Euro. Im Jahre 2013 betrug die Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukts - BIP) des Landes laut Weltbank deutlich weniger, nämlich 242 Milliarden US-Dollar. Damit ist die Staatsverschuldung der Griechen auf 175 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angewachsen. Zum Vergleich: Das österreichische BIP lag im Jahre 2013 bei 428 Milliarden US-Dollar, die Staatsverschuldung lediglich bei 75 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Ein "Grexit" - Hoffnung für Griechenland auf lange Sicht

Wenn es die Athener Regierung mit ihren finanziellen Möglichkeiten (derzeit) alleine nicht schaffen kann, eine Trendwende einzuleiten, bleiben nur wenige Alternativen: Die Rettungsgelder der Gläubiger könnten das Land weiter am Leben halten. Dann aber müssten die griechischen Politiker weitere Zugeständnisse an die Geldgeber machen, also an die Europäische Kommission, die EZB und den IWF. Die Griechen müssten sich dem Diktat der "Institutionen" (ehemals "Troika") weiter unterordnen. Das kann Tsipras nicht wollen, das würde seine Glaubwürdigkeit im eigenen Land immens beschädigen, dafür haben ihn die Menschen im Jänner nicht gewählt.

Stattdessen könnten die Geldgeber auf die Forderungen der Griechen eingehen und weitere finanzielle Hilfsmittel zur Verfügung stellen - auch wenn die Athener Regierung keine neuen Reformen umsetzt. Das klingt sehr unwahrscheinlich und ist wohl nicht zu erwarten. Für die europäischen Gläubiger und den IWF hätte das vermutlich einen ähnlichen Effekt, den ein "Grexit" hätte, also ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone verbunden mit einem Staatsbankrott: Das Geld wäre weg!

Ein "Grexit" könnte aber auch einige Vorteile haben: Er würde das Leiden der griechischen Bevölkerung nicht weiter verlängern und er würde das Verbrennen weiterer Milliardengelder endlich beenden. Ein "Grexit" hätte auf lange Sicht viele positive Seiten, wie auch Ifo-Chef Hans-Werner Sinn feststellt: "Der Staatsbankrott wird für die Griechen hart, aber der 'Grexit' nach dem Bankrott ist die Rettung." Nach etwa ein bis zwei Jahren dürfte die griechische Wirtschaft wieder wachsen, das hätten Untersuchungen des Ifo-Instituts ergeben, so Sinn in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Eine neue Studie von Oxford Economics habe das gerade bestätigt. Ein "Grexit" könnte also das viel zitierte "Ende mit Schrecken" sein, das Hoffnung auf die Zukunft macht.

"Grexit" kurzfristig mit verheerenden Folgen für die Bevölkerung

Das Szenario einer Staatspleite in der Eurozone spielen die Notenbanken in Europa, allen voran die EZB, seit 2012 regelmäßig durch - damals wurde Griechenland von den europäischen Nachbarn mit Hilfsgeldern vor dem Bankrott gerettet. Im Detail sind die Folgen jedoch kaum absehbar. Sicher ist, dass das öffentliche Leben in Griechenland zum Erliegen kommen würde. Sozialsysteme könnten nur nach Kassenlage aufrecht erhalten werden, das Geld für Beamte oder Rentner würde knapp werden, die medizinische Versorgung in Krankenhäusern wäre massiv bedroht.

Verheerende Folgen hätte ein Staatsbankrott auch für die griechischen Banken, die zu den großen Gläubigern des Staates gehören. Das würde auch Unternehmen treffen, die keine Kredite mehr erhalten könnten. Die konjunkturelle Lage des Landes würde weiter verschärft, die Arbeitslosigkeit stiege drastisch an, die Steuereinnahmen Griechenlands würden weiter einbrechen. Kurzfristig wären die Folgen für das Land und die Menschen fatal.

Zurück zur Drachme - der letzte Ausweg

Um das öffentliche Leben wieder finanzieren zu können, müsste die griechische Notenbank selbst Geld drucken. Das könnte sie aber nicht, solange die Griechen Teil der Eurozone sind, die Hellenen bräuchten wieder eine eigene Währung - zum Beispiel die alte griechische Drachme. Thomas Mayer, ehemaliger Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, könnte sich auch eine Währung parallel zum Euro vorstellen: "Wenn jetzt den Griechen die Euros ausgehen, könnten sie einen Teil ihrer Staatsausgaben über diese Parallelwährung finanzieren."

Allerdings würde die Drachme (oder die Parallelwährung) sofort rasant an Wert verlieren, da Griechenland weiter keine Sicherheiten bieten könnte. Experten rechnen mit einer Abwertung der Drachme um 50 Prozent. Positiv wäre dies für die Nachfrage nach griechischen Produkten, die deutlich billiger würden. Ebenso günstiger würden Reisen nach Griechenland.

Hilfsgelder für Griechenland wären verloren

Sicher ist bei einem griechischen Staatsbankrott auch, dass die Hilfsgelder, die die Hellenen in den vergangenen Jahren erhalten haben, verloren wären. Die europäischen Geldgeber müssten ihre Milliardenhilfen abschreiben. Neben griechischen und ausländischen Banken sind das auch private Gläubiger wie etwa Finanzinvestoren, Versicherungen oder Pensionsfonds. Durch ihre Anleihekäufe gehören auch die Europäische Zentralbank zu den Gläubigern, ebenso die Euro-Staaten und der Internationale Währungsfonds.

Ein "Grexit" könnte die Stabilität der Eurozone bedrohen

Ist Griechenland zahlungsunfähig und scheidet aus der Eurozone aus, dann steht auch die Zukunft der gesamten Währungsunion in ihrer derzeitigen Form auf dem Spiel, dann droht die Eurozone auseinanderzubrechen. Es könnte ein Dominoeffekt ausgelöst werden und weitere Länder könnten die Eurozone verlassen wollen - Griechenland wäre ein (schlechtes) Vorbild für andere Krisenstaaten.

Gustav Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung, sieht die Eurozone in ihrer bisherigen Form bereits am Ende, wenn es im Schuldenstreit zwischen Griechenland und den europäischen Partnern nicht zu einer Einigung kommen sollte. Horn bezeichnete dieses Tauziehen bereits vor einigen Monaten als "einen Konflikt mit ungeheurer Sprengkraft". Die griechische Regierung müsse wissen, dass sie nicht alles haben könne. "Mehr ausgeben und gleichzeitig die Schulden nicht mehr bedienen, ist eine Zumutung für den europäischen Steuerzahler", betonte der IMK-Chef. Wenn Tsipras und seine Regierung den angekündigten Kurs durchalten, dann, ist sich Horn sicher, betrage die Wahrscheinlichkeit, dass Griechenland einen Zahlungsausfall erleide, "exakt 100 Prozent".

Im "Grexit" steckt etwas Heilsames

Die kurzfristigen Folgen eines "Grexit" bekommen also alle zu spüren, die Griechen und der Rest Europas. Doch die Aussicht auf eine schuldenfreie Zukunft und eine zulegende Wirtschaft in Griechenland, sollte den Menschen Hoffnung geben. Fondsmanager Hendrik Leber sieht in einem "Grexit" sogar etwas Heilsames. Max Otte, Ökonom und Wirtschaftsprofessor, pflichtet ihm bei: "Ein Grexit wäre sogar eher positiv."



Von Markus Gentner/Redaktion finanzen.at

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