09.07.2023 16:25:38

GESAMT-ROUNDUP: Azovstal-Verteidiger zurück in Ukraine - Kritik aus dem Kreml

MOSKAU/KIEW/ISTANBUL/LYMAN/WASHINGTON (dpa-AFX) - Bei seinem Besuch in der Türkei bringt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mehrere Kämpfer zurück in die Heimat. Russland reagiert mit Kritik und findet ebenso kritische Worte für die US-Militärhilfe für die Ukraine. Unterdessen steigt die Zahl der Opfer nach einem Raketenangriff in der Ostukraine und Selenskyj stellt Bedingungen für seine Teilnahme am kommenden Nato-Gipfel in Litauen.

Selenskyj bringt Verteidiger des Azovstal-Werks zurück

Russland kritisierte die Rückkehr mehrerer an der Verteidigung des Stahlwerks Azovstal in Mariupol beteiligter hochrangiger Offiziere in die Ukraine. Selenskyj brachte die Kämpfer am Samstag aus der Türkei heim. Kremlsprecher Dmitri Peskow kritisierte das als "direkten Verstoß gegen bestehende Vereinbarungen" sowohl von türkischer als auch von ukrainischer Seite. Die Befreiung der Asow-Kommandeure aus russischer Gefangenschaft sei an die Bedingung ihres Verbleibs in der Türkei bis Kriegsende geknüpft gewesen, sagte er.

Ein Foto zeigte Selenskyj im Flugzeug zusammen mit drei Kommandeuren des Regiments "Asow". Kurz nach Kriegsbeginn wurde die Hafenstadt Mariupol zum Epizentrum erbitterter Kämpfe. Nach mehreren Monaten hatten sich noch mehrere tausend ukrainische Soldaten, darunter auch Kämpfer des nationalistischen Asow-Regiments, im Stahlwerk Azovstal verschanzt. Später ergaben sich die letzten Verteidiger und gerieten in russische Gefangenschaft. Dann wurden sie an die Türkei ausgeliefert und kamen nun "nach Verhandlungen mit der türkischen Seite" wieder in ihre Heimat zurück, wie von ukrainischer Seite hieß.

Kritik an Streumunition - Steinmeier: USA nicht in den Arm fallen

Scharfe Worte fand Moskau auch für die US-Lieferung von Streumunition an die Ukraine. Dies sei eine weitere "eklatante Offenbarung des aggressiven antirussischen Kurses der USA, der auf die maximale Verlängerung des Konflikts in der Ukraine und einen Krieg bis zum "letzten Ukrainer" zielt", kommentierte die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa. Die Streumunition ist Teil eines neuen US-Militärhilfe-Pakets in Höhe von 800 Millionen US-Dollar (rund 729 Mio Euro). Washington hatte die Entscheidung als trotz der erhöhten Gefahren für die Zivilbevölkerung als notwendig verteidigt. Russland setzte in dem Krieg selbst Streubomben ein.

Kritik an der Entscheidung in Washington kam auch von Großbritannien, Spanien und aus Deutschland. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte aber im ZDF-"Sommerinterview" am Sonntag, es sei zwar richtig, dass diese Art der Munition in Deutschland nach wie vor von der Bundesregierung geächtet werde und sich Deutschland gegen Lieferungen ausspreche. Aber die Bundesregierung könne "in der gegenwärtigen Situation den USA nicht in den Arm fallen".

Selenskyj stellt Bedingung für Nato-Gipfel-Teilnahme

Vor dem Nato-Gipfel in der kommenden Woche knüpfte Selenskyj seine Teilnahme erneut an eine Bedingung. "Wir möchten, dass alle Entscheidungen während des Gipfels getroffen werden. In diesem Fall ist es klar, dass ich dort sein werde", sagte Selenskyj in einem am Sonntag veröffentlichten Interview des US-Senders ABC. "Ich will nicht zum Spaß nach Vilnius fahren, wenn die Entscheidung schon vorher gefallen ist", fügte er hinzu. Bei dem Gipfel im litauischen Vilnius wird es darum gehen, wie die Ukraine an das Bündnis herangeführt werden kann und welche Sicherheitsgarantien ihr nach einem Ende des russischen Angriffskriegs gegeben werden können. Zu der von der Ukraine gewünschten formellen Einladung in die Nato wird es aber voraussichtlich nicht kommen.

Tote nach russischem Beschuss ostukrainischer Stadt

Nach dem russischen Beschuss der ostukrainischen Stadt Lyman am Samstag stieg die Zahl der Toten dort auf mindestens neun, wie die Behörden am Sonntag meldeten. Demnach lag die Zahl der Verletzten bei 12. "Gegen zehn Uhr morgens haben die Russen mit Raketenwerfern die Stadt beschossen", schrieb der Chef der ukrainischen Militärverwaltung von Donezk, Pawlo Kyrylenko, auf Telegram. Dabei seien gezielt Wohnhäuser unter Feuer genommen worden.

Behörden: Russische Flugabwehr schießt ukrainische Raketen ab

In den Grenzregionen Rostow, Brjansk und auf der von Moskau annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim schoss die russische Flugabwehr laut Behörden ukrainische Raketen ab. Im Gebiet Rostow beschädigten die Trümmer einer abgeschossenen Rakete mehrere Gebäude, wie Gouverneur Wassili Golubew am Sonntag bei Telegram mitteilte. Es gebe keine Verletzten. Im Gebiet Brjansk sprach Gouverneur Alexander Bogomas von zwei abgeschossenen ukrainischen Raketen und nur leichten Schäden. Der Chef der Krim, Sergej Aksjonow, teilte mit, dass in der Region Kertsch ein Marschflugkörper abgeschossen worden sei. Es gebe weder Schäden noch Verletzte. Russischen Grenzregionen beklagen immer wieder Beschuss mit Drohnen und Artillerie von ukrainischer Seite.

Russische Paramilitärs: Planen weitere Operationen im Grenzgebiet

Das paramilitärische russische Freiwilligenbataillon "Legion Freiheit Russlands" plant nach Angaben eines Sprechers weitere Aktionen im russischen Grenzgebiet. "Im kommenden Monat oder so wird es eine weitere Überraschung geben", sagte Maximillian Andronnikow, der sich Cäsar nennt, in einem Interview der britischen Sonntagszeitung "The Observer". "Wir haben ehrgeizige Pläne. Wir wollen unser gesamtes Gebiet befreien." Die "Legion Freiheit Russlands" besteht aus russischen Nationalisten, die aktuell aufseiten der Ukraine kämpfen. Bereits im Mai und Juni waren Kämpfer der "Legion" zusammen mit dem "Russischen Freiwilligenkorps" an Angriffen in der russischen Grenzregion Belgorod nahe der Ukraine beteiligt. Die Regierung in Kiew betont, nichts mit den Angriffen zu tun zu haben.

US-Institut sieht Wagner-Armee weiter als Gefahr für Putin

Nach ihrem Aufstand halten US-Experten die Söldnertruppe Wagner weiterhin für eine potenzielle Gefahr für Putin und seinen Machtapparat. "Putin erlaubt Wagner und Prigoschin weiter, in Russland zu operieren und potenziell eine Gefahr für sein Regime zu sein", hieß es in einer jüngsten Analyse des US-Instituts für Kriegsstudien ISW in Washington. Auch zwei Wochen nach dem kurzzeitigen Aufstand mit wohl 25 000 Söldnern könnten sich Prigoschin und die Kommandeure frei in Russland bewegen. Putin habe entweder ein bemerkenswertes Vertrauen in die beteuerte Loyalität Prigoschins, oder er sei unfähig, gegen Wagner vorzugehen./mau/DP/nas

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