23.08.2022 17:31:00
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Gas-Lenkungsverordnung vorerst gestoppt - Verhandlungen laufen weiter
Die Oppositionsparteien haben der Gas-Lenkungsmaßnahmen-Verordnung und damit unter anderem der Reaktivierung des Kohlekraftwerks Mellach am Dienstag im Hauptausschuss des Nationalrats nicht zugestimmt. ÖVP und Grüne hätten für den Beschluss eine der beiden großen Oppositionsparteien SPÖ oder FPÖ gebraucht, weil in diesem Fall eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) will nun weiterverhandeln, die SPÖ ist verhandlungsbereit.
"Es werden selbstverständlich weitere Gespräche geführt, um zu einem guten Ergebnis zu kommen", hieß es aus dem Energieministerium zur APA. In der von Gewessler eingebrachten Gas-Lenkungsmaßnahmenverordnung werden Energieversorger und große Industriebetriebe zur Umrüstung aufgefordert, um im Fall eines Gasmangels oder russischen Lieferstopps andere Brennstoffe wie Kohle, Öl oder Biomasse einzusetzen. Die Verordnung betrifft unter anderem das stillgelegte Kohlekraftwerk des Verbunds in Mellach in der Steiermark, aber auch Fernwärmekraftwerke, etwa jene der Wien Energie, die von Gas auf Öl umgestellt werden sollen. Ziel ist es, Gas zu sparen, falls Russland den Gashahn ganz zu dreht.
Gewessler übte scharfe Kritik an den Sozialdemokraten. "Ich finde das Verhalten der SPÖ komplett unverantwortlich", sagte Gewessler am Dienstag im Ö1-"Mittagsjournal" noch vor der Hauptausschusssitzung. Ein reaktiviertes Kohlekraftwerk Mellach in der Steiermark könne im Notfall 260.000 Haushalte mit Strom und Wärme versorgen. "Ich mache die SPÖ verantwortlich, wenn Wohnungen von Familien und Kindern kalt bleiben." Gleich argumentierte die grüne -Klubobfrau Sigrid Maurer auf Twitter.
Die von der Regierung anvisierte Reaktivierung des Kohlebetriebs in Mellach verzögert sich nun. "Je später diese gesetzliche Grundlage gegeben ist, umso später ist auch ein Einsatz im Notbetrieb umsetzbar", hieß es vom Verbund auf APA-Anfrage. "Die Reaktivierung der Kohleverstromung am Standort Mellach beinhaltet Umbau- und Wartungsarbeiten, Personalfragen, die Beschaffung der Kohle am Weltmarkt wie auch der Transportslots an den Standort", so der teilstaatliche Energieversorger.
Mellach würde bei einer als kompliziert geltenden Reaktivierung allerdings erst ab 2023 Energie liefern können, sagte Verbund-Chef Michael Strugl zuletzt. "An den Herbst ist nicht zu denken. Wir reden von 2023", sagte der Chef des teilstaatlichen Unternehmens.
Laut Gewessler wurden Gespräche mit den beiden großen Oppositionsparteien geführt. "Es hat aufgrund der Verhandlungen und Rückmeldungen der SPÖ eine Veränderung der Verordnung gegeben", so die Energieministerin. "Die SPÖ verweigert im heutigen Hauptausschuss aus parteipolitischem Kalkül ihre Zustimmung und setzt damit die Versorgungssicherheit in unserem Land aufs Spiel", kritisierte ÖVP-Energiesprecherin Tanja Graf.
Die SPÖ zeigt sich trotz des Vetos weiter verhandlungsbereit. "Wir sind jederzeit bereit zu diskutieren", sagte der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried am Dienstagvormittag bei einer Pressekonferenz in Wien. Die Sozialdemokraten hatten vergangene Woche ihre Zustimmung an mehrere Bedingungen geknüpft, etwa dass zusätzliche Kosten, die durch den Umstieg von Gas auf Kohle, Öl und Biomasse entstehen, nicht auf die Energiekunden überwälzt werden dürfen. Sollte es substanzielle Änderungen geben, könne man "nächste oder übernächste Woche die Verordnung beschließen", sagte Leichtfried. Für die SPÖ sei die Sicherstellung der Versorgungssicherheit zentral.
"Konzerne, die Krisengewinner sind, brauchen keine Förderung aus Steuergeld: Übergewinne behalten und vom Steuergeld gefördert werden geht sich nicht aus", so SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll. Auch die NEOS sehen die Verordnung kritisch. "Energieversorger wie EVN oder Verbund machen gerade so hohe Gewinne wie nie, sie brauchen aktuell sicher kein Steuergeld", so NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer. Die Verordnung sei "komplett auf die Bedürfnisse der Energieversorger zugeschnitten", deshalb habe man der Verordnung nicht zugestimmt.
Für die FPÖ war die Sitzung des Hauptausschusses am Dienstag ein "Reality Check" für die Energie- und Sanktionspolitik der Regierung. "Diese Verordnung drückt die vollkommene Hilflosigkeit der Bundesregierung aus", so FPÖ-Energiesprecher Axel Kassegger nach der Sitzung. "Sie löst kein einziges Problem." Außerdem habe die Energieministerin nicht erklären können, "woher und zu welchem Preis die Kohle für die Umrüstung der Unternehmen kommen soll".
Die Regierungsparteien bezeichneten die Ablehnung durch die Oppositionsparteien als "parteitaktische Spielchen". Die Frage von Übergewinnen und Strompreisen sei "eine andere Debatte", hieß es Dienstagnachmittag in einer Aussendung der Parlamentskorrespondenz. Aufgrund des anhaltenden russischen Angriffskriegs müsse sich Österreich auf alle Szenarien vorbereiten, "weshalb Lenkungsmaßnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit nötig sind", betonte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.
Die Verordnung sei auf Basis des auch durch die Oppositionsparteien mitbeschlossenen Energielenkungsgesetzes formuliert worden, so die Ministerin. Dabei gehe es vor allem um die Herstellung der Substitutionsfähigkeit sowie um einen Sparaufruf, der jedoch nicht rechtsverbindlich sei. Anstatt der Weitergabe der durch die Umrüstung entstehenden Mehrkosten an die Kundinnen und Kunden, habe man eine Erstattung durch den Bund angedacht, erklärte Gewessler.
cri/phs/kre
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