Tausende Verfahren offen |
06.09.2013 18:20:00
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Fünf Jahre Lehman-Pleite: Immofinanz leidet weiter
Rasinger sieht da bestenfalls einen indirekten Zusammenhang, wie er zur APA sagte. Durch die Finanzkrise habe sich die Spreu vom Weizen getrennt. Während einige Unternehmen und auch Banken ganz gut durch die turbulenten Zeiten gekommen seien, habe es andere regelrecht "weggespült". Sicher sei, dass sich durch Lehman die Art und Weise, Geschäfte zu machen - "dass man nur mit ein bisschen Cleverness automatisch reich wird" - grundlegend verändert habe.
Die "Stars", die von der "Alles-ist-möglich-Welle" profitiert hätten, seien entzaubert worden, meinte Rasinger, Präsident des Interessenverband für Anleger (IVA), etwa in Anspielung auf Mirko Kovats, dessen Mischkonzern A-Tec im Herbst 2010 eine der größten Pleiten der Republik hingelegt hat.
"Früher hat es nur eine Richtung gegeben: nach oben - egal, ob Kurse, Gewinne oder Dividenden." Im Gefolge der Lehman-Pleite sei dann aber ein Paradigmenwechsel eingetreten, der wiederum dazu geführt habe, dass fragwürdige Geschäftspraktiken ans Licht kamen. Ein Paradebeispiel hierfür wäre die teilstaatliche Telekom Austria, die von den Parteien über Jahre hinweg als Selbstbedienungsladen angesehen wurde.
Eine weitere Folge: Man habe begonnen, sich mit den Bilanzen der Unternehmen kritischer auseinanderzusetzen. Was das für den - ohnehin eher lahmen - Finanzplatz Österreich bedeutet? "Der österreichische Anleger, der immer skeptisch war, ist bestätigt worden. Er war ein Sparer und ist jetzt erst recht wieder ein Sparer", bedauert Rasinger.
Diejenigen Kleinanleger, die den Sprung aufs Börsenparkett gewagt haben, haben sich nämlich ordentlich die Finger verbrannt. Die Gründe waren freilich unterschiedliche:
Im Fall von Meinl und Immofinanz werden neben dem Platzen der Immobilienblase auch mutmaßliche interne Malversationen für die Kursstürze verantwortlich gemacht. In der Causa Meinl European Land (MEL, heute Atrium) ermittelt die Staatsanwaltschaft seit nunmehr über fünf Jahren gegen Banker Julius Meinl und andere, zahlreiche Razzien wurden durchgeführt, eine (mittlerweile reduzierte) Rekordkaution von 100 Mio. Euro eingehoben. Seitdem liefert sich die Meinl Bank ein beispielloses Match mit der Justiz, herausgekommen ist in der Sache noch nicht viel. Anders bei der Immofinanz: Da wurde Ex-Konzernchef Karl Petrikovics mittlerweile (nicht rechtskräftig) wegen Untreue verurteilt.
Gemeinsam war den Immobilienfirmen, dass sie aggressiv und großflächig um die Gunst der Kleinanleger geworben haben. Dabei haben es die Meinl Bank bzw. externe Berater mit der Risikoaufklärung nicht immer so genau genommen, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat: Die Meinl Bank wurde wegen ihrer MEL-Werbematerialien vom Obersten Gerichtshof (OGH) schon mehrere Male wegen Irreführung verurteilt.
Bei der Immofinanz haben sich Anleger vor allem auf den Finanzberater AWD eingeschossen. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Namen von rund 2.500 Anlegern mehrere Sammelklagen mit einem Streitwert von 40 Mio. Euro gegen den Strukturvertrieb eingebracht, die Konsumentenschützer hatten dem AWD systematische Fehlberatung vorgeworfen. Nach jahrelangem Ringen um juristische Vorfragen haben sich die Streitparteien schließlich im heurigen August zu einem Vergleich durchgerungen. Der AWD, nummehr Swiss Life Select, zahlt 7 Mio. Euro an die Anleger, dafür zieht der VKI seine Vorwürfe und auch die Privatbeteiligtenanschlüsse im immer noch laufenden Strafverfahren gegen AWD und seine (ehemaligen) Manager zurück. Das Geld ist nach APA-Informationen mittlerweile überwiesen.
Immofinanz leidet weiter unter der Krise
Auch für die "neue" Immofinanz sind die Probleme aus der Vergangenheit aber noch nicht ausgestanden. Rund 900 Verfahren mit einem Streitwert von 18,5 Mio. Euro hatte die Bad Bank Aviso Zeta am Hals, größtenteils ging es dabei um die Vermittlung des "Dragon FX Garant", ein verlustträchtiges Währungszertifikat, für das die Pleitebank Lehman als Garantiegeberin und Emittentin fungierte. 797 Verfahren sind mittlerweile abgeschlossen. "Hiervon wurden in Summe 790 Verfahren positiv beendet (Klagsrückziehung, Klagsabweisung oder ewiges Ruhen), lediglich in zwei Verfahren wurde der Klage stattgegeben", so Aviso-Vorstand Stefan Frömmel zur APA.
Während der OGH anfangs mehrere Male Anleger abblitzen ließ, schwenkte er zu Beginn des Jahres um: In einem Grundsatzurteil stellte das Höchstgericht fest, dass die Aviso Zeta, Nachfolgerin der Constantia Privatbank (CPB), für etwaige Beratungsfehler ihres Vertriebspartners haftet. Daneben sind noch ein paar weitere Dragon-Verfahren unterbrochen, bis ein EuGH-Urteil vorliegt. 2008 hatte sich nämlich ein Wiener Handelsrichter an den Europäischen Gerichtshof gewandt - dieser muss nun klären, ob die Prospektveröffentlichung ordentlich erfolgt ist. Aviso-Chef Frömmel ist jedenfalls "zuversichtlich, dass das Thema Dragon FX Garant bald final zugunsten der Aviso Zeta erledigt sein wird."
Das ist aber nicht die einzige Baustelle der Bad Bank des Immofinanz-Reichs. Ende April war die Aviso Zeta in insgesamt 2.089 Verfahren mit einem Streitwert von 320,9 Mio. Euro beklagte Partei. In 1.166 Fällen (Streitwert 292,8 Mio. Euro) geht es um den Kauf von Immofinanz- bzw. Immoeast-Aktien. Von 197 abgeschlossenen Verfahren hat die Aviso laut Frömmel bis auf drei alle gewonnen. Wann der Klagsreigen endgültig vorbei sein wird? Das hänge stark von diversen Gutachten und auch von noch offenen Rechtsfragen ab. "Schätzungsweise weitere drei bis fünf Jahre scheinen aber realistisch."
Auch die Meinl Bank kämpft an der Zivilrechtsfront mit der Vergangenheit. Allein 2010 sah sich das Institut mit 2.700 Anlegerklagen gegenüber, 2011 waren es 1.800 und voriges Jahr 1.400 - Tendenz sinkend, wie ein Banksprecher zur APA sagte. Mit mehr als 6.000 Kleinanlegern, teilweise vertreten von der Arbeiterkammer (AK), hat sich die Meinl Bank schon verglichen und dafür 31 Mio. Euro in die Hand genommen. 2012 beliefen sich die klagsbedingten Rückstellungen der Bank auf 18 Mio. Euro.
Auch das Handelsgericht Wien ächzt seit Jahren unter der Klagsflut von Anlegern. Dabei werden am HG "nur" Streitwerte über 10.000 Euro verhandelt (seit Anfang 2013: 15.000 Euro) verhandelt, wenn es um kleinere Beträge geht, ist das Bezirksgericht für Handelssachen zuständig. Seit 2007 wurden am HG 7.477 Anlegerklagen eingebracht und weitere 2.287 am Bezirksgericht für Handelssachen Wien (BGHS), das Gros entfiel auf Meinl und Immofinanz (Beklagte sind hier neben der Aviso auch die Immofinanz und die Imbea Immoeast). Noch immer sind allein am Handelsgericht 2.681 Verfahren offen - das ist aber nicht die ganze Wahrheit: Daneben gibt es nämlich noch eine "beträchtliche Anzahl an Verfahren, die noch nicht endgültig erledigt sind, weil die Ergebnisse anderer Verfahren oder die Entwicklung der Rechtsprechung abgewartet wird", erläuterte HG-Vizepräsident Alexander Schmidt. "Diese Fälle scheinen derzeit nicht als offen auf." Hinzu kommt, dass bei einzelnen Verfahren hunderte Kläger auftreten, sprich Sammelklagen.
Auch eine der heimischen Großbanken, die UniCredit (Bank Austria), scheint auf der Anlegerklagenliste des Wiener Handelsgerichts auf. Seit 2007 wurden 671 Klagen gegen das Institut eingebracht, 170 harren noch immer der Erledigung. Es dürfte sich dabei großteils um Madoff-Papiere handeln. Die Bank Austria hat ja hierzulande den Primeo-Fonds verkauft und war Repräsentantin des Herald-Fonds. Die Gelder beider Fonds wurden jedoch nie wie versprochen angelegt, sondern versickerten beim US-Milliardenbetrüger Bernie Madoff. Das Schneeballsystem des einstigen Börsegurus, der auch engste Kontakte mit der Wiener Bankerin Sonja Kohn (Bank Medici) gehabt haben soll und mittlerweile zu 150 Jahren Haft verurteilt wurde, flog letztendlich auch wegen der Krise auf: Immer mehr Investoren wollten ihr Geld zurück, und Madoff bekam plötzlich nicht mehr genug frische Mittel, um sie auszuzahlen. Die Bank Austria hat bisher stets betont, selbst Opfer von Madoff geworden zu sein. In Österreich hat sich übrigens auch die kleine steirische Gemeinde Hartberg ziemlich verzockt: Die Kommune verkaufte die Gemeinde-Sparkasse und steckte Teile des Erlöses in MEL und einen Madoff-Fonds - Verlust: fast 3,5 Mio. Euro.
snu/sp
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