05.09.2007 10:54:00

Fokus: Marktöffnung könnte Celesio Gewinnschub verleihen

Von Heide Oberhauser-Aslan

   Dow Jones Newswires

   FRANKFURT (Dow Jones)--Die deutsche Apotheken und der Pharmagroßhandel stehen vor gravieren Umwälzungen. Experten erwarten, dass spätestens 2009 das Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheken in Deutschland fallen wird. Dann werden ihrer Einschätzung nach Pharmagroßhändler wie Celesio ins Apothekengeschäft einsteigen, Ketten gründen und als Gewinner aus der Marktliberalisierung hervorgehen. "Celesio ich sicherlich prädestiniert, Marktführer in einem liberalisierten Markt zu werden", sagt Analyst Marcus Konstanti vom Bankhaus Sal. Oppenheim.

   "Eine Marktliberalisierung wäre insgesamt sicherlich positiv für Celesio", sagte auch M.M.Warburg-Analyst Ulrich Huwald. Der Einstieg ins gewinnträchtige Apothekengeschäft gilt als lukrativ und könnte Europas größtem Pharmagroßhändler nach einer Investitionsphase und anfänglichen Durststrecke einen Gewinnschub verleihen. "Celesio wird sicherlich versuchen, das niedrigmargigere Großhandelsgeschäft durch hochmargigeres Apothekengeschäft zu substituieren", erwartet Analyst Konstanti.

   Wie unterschiedlich die Margen in den Geschäftsfeldern sind, zeigt der Halbjahresbericht von Celesio. So betrug die EBIT-Marge im Celesio-Großhandel in den ersten sechs Monaten 2,11% vom Umsatz, während sie im Apothekengeschäft bei 10,9% lag. Eine stärkere Positionierung im Apothekengeschäft sei daher für Celesio eine gute Chance, die Gesamtkonzernmarge zu steigern, urteilte LBBW-Analystin Silke Stegemann.

   Das Umsatzpotential ist dabei beachtlich. Nach einer Studie der HypoVereinsbank machten die deutschen Apotheken im Jahr 2005 einen geschätzten Umsatz von rund 35 Mrd EUR gegenüber 32,5 Mrd EUR im Jahr zuvor - Tendenz weiter steigend. In den vergangenen zehn Jahren, so die HypoVereinsbanker, verbuchte die Branche ein sattes Umsatzplus von 59% auf 13 Mrd EUR.

   Mit dem Kauf der niederländischen Internetapotheke DocMorris im April 2007 haben sich die Stuttgarter in Deutschland eine gute Ausgangsposition geschaffen. DocMorris hat bereits bundesweit mit 42 Apotheken Partnerverträge abgeschlossen. Die Apotheker bleiben selbstständige Inhaber und erhalten vertraglich das Recht, die Marke und das Fachwissen von DocMorris zu nutzen und sich DocMorris-Apotheke zu nennen. Bis Jahresende soll die Zahl dieser ähnlich einem Franchise-Modell organisierten Apotheken auf 100 steigen, bis 2010 sollen es 500 Filialen sein.

   Neben den Franchise-Apotheken will Celesio unter der Marke DocMorris nach der Marktliberalisierung auch eigene Apotheken führen. Experten erwarteten, dass der Europäische Gerichtshof das Fremd- und Mehrbesitzverbot im kommenden Jahr kippen werde, sagte Stefan Meister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Celesio und für das Apothekengeschäft verantwortlicher Vorstand zu Dow Jones Newswires. "Danach werden wir, wie viele andere auch, eine eigene Apothekenpräsenz aufbauen. Mit DocMorris sind wir dafür bestens aufgestellt", erklärte der Manager.

   Peter Behner, Geschäftsführer und Pharmaexperte bei Booz Allen Hamilton, erwartet, dass Celesio nach der Marktöffnung unter dem Label DocMorris sehr schnell eine eigene Apothekenkette aufbauen kann. Nach Informationen einer mit der Sachlage vertrauten Person hat Celesio bereits heute von mindestens 100 Apotheken Verkaufsangebote erhalten - die betroffenen Apotheker befürchten offenbar, nach der Marktliberalisierung nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein.

   Mit dem populären DocMorris-Namen sei Celesio gut positioniert, bestätigt auch Sal.Oppenheim Analyst Konstanti. "Darüber hinaus hat der Stuttgarter Konzern schon viel Erfahrung und Know how in benachbarten europäischen Ländern gesammelt", urteilte der Analyst. Celesio betreibt bereits in Großbritannien, Norwegen und Italien Apothekenketten.

   Diese Erfahrung könnte wertvoll werden, wenn der von Experten erwartete Konsolidierungsprozess am Apothekenmarkt einsetzt. Behner rechnet damit, dass von den derzeit existierenden Inhabern geführten 21.500 Apotheken in Deutschland am Ende nur 16.000 bis 18.000 übrig bleiben werden, die zwischen 70% bis 80% in Apothekenketten organisiert sein werden.

   Trotz der insgesamt positiven Einschätzung in der mittelfristigen Perspektive sehen Analysten kurzfristig noch ein gewisses Risikopotenzial für Celesio. So sei derzeit noch nicht eindeutig klar, wann die Marktliberalisierung kommen werde und wie sie ausgestaltet sei, sagte Huwald. In der Investitionsphase werde die Marge bei Celesio zunächst wohl zurückgehen, erklärte Stegemann. "Eine ungeklärte Frage ist, wielange die Durststrecke dauert, bis man ernten kann", sagt auch Konstanti. Nicht abschätzbar sei darüber hinaus, wie viele Wettbewerber auf den liberalisierten Markt drängen würden und welche Einbußen Celesio im Pharmagroßhandel verkraften müsse.

   Konstanti erwartet, dass die kritische Größe für Celesio bei 400 bis 500 Apotheken liegen wird. Bei dieser Kettengröße könne Celesio etwaige Verluste aus dem Großhandelsgeschäft ausgleichen, schätzt er. Pharmaexperte Behner geht davon aus, dass sich deutlich größere Ketten in kurzer Zeit bilden werden. "Wir werden in Windeseile 5.000 bis 6.000 oder sogar mehr Apotheken in Ketten organisiert sehen" glaubt er.

   Die Konkurrenz wird Celesio das Marktpotential aber wohl nicht kampflos überlassen. Marktkenner und Analysten gehen davon aus, dass auch die größten deutschen Wettbewerber von Celesio, wie Phoenix Pharmahandel (die Nummer 1 am deutschen Markt), die Andreae-Noris Zahn AG, Sanacorp und andere europäische Pharmagroßhändler an Konzepten arbeiten, für die Zeit nach der Marktliberalisierung. Auch Branchenfremde wie Drogerieketten könnten dann in das Geschäft mit Arzneimitteln einsteigen.

   Auch hier laufen bereits erste Vorbereitungen. Die nach Schlecker zweitgrößte deutsche Drogeriekette dm hatte vor kurzem angekündigt, apothekenpflichtige Medikamente in Kooperation mit der Internetapotheke Europa Apotheek Venlo zunächst in 80 Filialen in Nordrhein-Westfalen zu verkaufen.

   Webseite: http://www.celesio.com/ag

-Von Heide Oberhauser-Aslan, Dow Jones Newswires; +49 (0)69 29 725 113, heide.oberhauser@dowjones.com

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   September 05, 2007 04:51 ET (08:51 GMT)

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