01.10.2010 12:30:32
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FOKUS: Bei Karstadt fängt die eigentliche Arbeit erst an
Die eigentliche Arbeit zur Sanierung der Warenhauskette fängt jedoch gerade erst an. Bereits in der Vergangenheit hatte Berggruen dabei deutlich gemacht, dass es zu keiner Revolution bei Karstadt kommen wird. Die Warenhäuser sollen aber modernisiert werden, der Investor will zudem gezielt in die Verkaufsflächen investieren. Als Partner hat sich Berggruen den Modeunternehmer Max Azria ins Boot geholt.
Berggruen hat bereits 70 Mio EUR in Karstadt investiert, um die Verbindlichkeiten zu tilgen. Weitere 400 Mio EUR sollen in die Weiterentwicklung der Warenhäuser investiert werden.
Diese 400 Mio EUR sollen aus dem laufenden Geschäft erwirtschaftet werden, sagte der Geschäftsführer Thomas Fox in einem Interview mit dem Magazin "Der Handel". Das Geld diene der gezielten Investitionen in die Verkaufsflächen, nicht mehr Leuchtturmprojekten wie den Premiumhäusern.
Handelsexperten sehen durchaus Chancen für eine erfolgreiche Fortführung der Warenhauskette. Es müsse sich allerdings Einiges ändern, sind sich Wolfgang Adlwarth vom Marktforschungsunternehmen GfK und Klaus Peter Teipel von IBH Retail Consultants einig. Dabei zweifeln sie daran, dass letztendlich alle Karstadt-Häuser überleben werden. Die 120 Häuser haben Bestandsschutz bis 2012. Derzeit beschäftigt der Konzern rund 25.000 Mitarbeiter.
"Es werden einige Standorte auf der Strecke bleiben", glaubt Teipel. Gefährdet sieht er dabei vor allem Häuser aus der konventionellen Warenhausmitte. Die Sport- sowie die Premiumhäuser sieht er dagegen gut aufgestellt und positioniert. Letzendlich werde sich Karstadt auf die wichtigen profitablen Standorte konzentrieren müssen, sagte er im Gespräch mit Dow Jones Newswires. Dies müssten dabei nicht von vornherein die Häuser in den großen Städten sein. Entscheiden sei, wie wettbewerbsfähig die Warenhäuser seien.
"Es wird Standorte geben, die schwer zu halten sein werden", sagte auch Adlwarth. Insgesamt sehen jedoch beide Chancen für eine erfolgreiche Fortführung von Karstadt. Das Warenhausgeschäft in Deutschland habe durchaus seine Berechtigung, so Adlwarth von der GfK. Von entscheidender Bedeutung für die Kaufhauslandschaft insgesamt erachtet er jedoch eine stärkere Profilierung, einen besseren Service sowie mehr Ambiente und die Ausrichtung auf den "Erlebniskauf". Preislich hält er eine Positionierung in der oberen Mitte bis Premium für sinnvoll.
Die Warenhäuser sollten sich auf einige Segmente konzentrieren, die Sortimentsgestaltung hält er für zu breit aufgestellt. Als verzichtbar nennt der Handelsexperte Unterhaltungselektronik oder die Weiße Ware wie Kühlschränke oder Waschmaschinen. Diese kosteten zuviel Fläche. Zudem kaufe der Konsument solche Ware mittlerweile verstärkt im Internet oder in den Fachmärkten.
Ein Kernbereich bleibe die Mode. Hier sollte ein Warenhaus seiner Ansicht nach auch dem demografischen Trend folgen: "Der typische Kaufhauskunde ist 40 plus", so Adlwarth. Daher fände er es richtig, sich als Kaufhaus solider zu positionieren und auf Kurzzeitmode wie sie Zara oder H&M anböten, zu verzichten.
Auch Teipel von IBH Retail Consultants hält eine Spezialisierung der Warenhäuser für nötig. Allein eine Modernisierung der Läden reiche nicht aus. Der Ansatz Berggruens Richtung Erlebnischarakter kann seiner Ansicht nach aufgehen. Der Konsument werde wieder markenorientierter sowie qualitätsbewusster. "Dabei gibt es kein Konzept von der Stange", sagte er Dow Jones Newswires. Er plädiert für eine stärkere Individualisierung der verschiedenen Standorte. "Das Angebot muss dem lokalen Markt folgen."
Der Karstadt-Geschäftsführer Fox zielt dabei in eine ähnliche Richtung: Zu den maßgeblichen Veränderungen bei Karstadt werde auch eine Stärkung der jeweiligen Fillialleiter vor Ort gehören, sagte er dem Magazin "Der Handel". "Wir werden beim Wareneinkauf die Erfahrungen der Kollegen stärker berücksichtigen. In dieser Hinsicht war Karstadt früher nicht flexibel. Am zentralen Wareneinkauf halten wir aber fest", kündigt Fox an.
Beim Sortiment will Karstadt sich Fox zufolge künftig auf vier Bereiche konzentrieren: "Fashion", "Home" (von Küche und Bad bis zur Weißen Ware), "Personality" (Uhren und Schmuck) sowie "Sport". Zurückgefahren werden laut Fox die Sortimentsbereiche Unterhaltungselektronik und Bücher. Karstadt schreibt früheren Angaben von Fox zufolge mittlerweile wieder schwarze Zahlen.
Karstadt war im Juni 2009 zusammen mit dem Mutterkonzern Arcandor in die Insolvenz gegangen. Vom Arcandor-Konzern selbst ist nicht mehr viel übriggeblieben: Die Touristiktochter Thomas Cook wurde verkauft, das Versandhandelsgeschäft Primondo mit der Traditionsmarke Quelle zerschlagen. Die börsennotierte Arcandor Holding soll abgewickelt werden.
Karstadt selbst wurde schließlich im Mai dem US-Investor Berggruen zugeschlagen. Bis der Vertrag Anfang September jedoch unterzeichnet werden konnte, vergingen wiederum mehrere Monate, die von zähen Verhandlungen mit allen Beteiligten - Lieferanten, Arbeitnehmervertreter und vor allem dem Vermieter der Warenhäuser, dem Konsortium Highstreet - geprägt waren. Kurz vor der Zielgeraden drohten zwei Einsprüche gegen den Insolvenzplan erneut alles zu verzögern. Diese Einsprüche - von Gilde Handwerk, die Geschenkartikel und Wohnaccessoires liefert, sowie von Vertretern von Gesellschaften des britischen Finanzinvestors Dawnay Day -wurden erst in letzter Minute zurückgezogen.
-Von Natali Schwab, Dow Jones Newswires, +49 69 29725119, natali.schwab@dowjones.com DJG/nas/jhe (END) Dow Jones NewswiresOctober 01, 2010 05:58 ET (09:58 GMT)
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