19.07.2014 17:13:33
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Flugzeugkatastrophe erschwert Putins Ukraine-Strategie
Von James Marson und Alan Cullison
MOSKAU--Der Abschuss eines malaysischen Flugzeuges über der Ostukraine ist ein herber Rückschlag für die sorgsam austarierte Ukraine-Strategie des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Während Russland vorgeworfen wird, Ausrüstung und Waffen in die Ostukraine zu liefern, um die Separatisten dort gegen die ukrainische Armee zu unterstützen, erweckt er öffentlich den Eindruck, als habe er damit nichts zu tun.
Das hat ihn bisher vor härteren Sanktionen des Westens gegen sein Land bewahrt. Aber diese Strategie ist immer schwerer aufrechtzuerhalten, denn es wird immer offensichtlicher, dass der Kreml den Separatisten, die nicht vollständig unter seiner Kontrolle sind, immer mehr modernste Waffen in die Hand gibt und womöglich auch die Fähigkeiten vermittelt, diese Waffen einzusetzen.
Jetzt fordern führende westliche Politiker einen echten Waffenstillstand und von Russland eine verlässliche Schließung der Grenze zur Ukraine. Das wären schlechte Nachrichten für die ostukrainischen Rebellen und einen zunehmend isolierten Putin. Auch der Kreml hat nach einem sofortigen Waffenstillstand sowie einer Untersuchung gerufen, aber zu Schließung der Grenze hat er sich nicht geäußert.
Putin zeigte sich am Freitag aber auch widerspenstig und rückte kein Jota von den Separatisten ab. Stattdessen beschuldigte er Kiew, für den Absturz von Flug MH17 verantwortlich zu sein. Erst das militärische Vorgehen der ukrainischen Armee habe die Voraussetzungen für den Vorfall geschaffen, sagt er. Putin wiederholte seine Forderung nach einer Verhandlungslösung in dem seit drei Monaten anhaltenden Konflikt - was die Situation in der Ostukraine einfrieren und Russland den Spielraum geben würde, den es braucht, um Kiews Weg Richtung Westen zu stoppen.
Ukrainische und amerikanische Vertreter sagen, dass Flug MH17 wahrscheinlich von einem Buk-Raketensystem abgeschossen worden sei, das aus Russland gekommen sein könnte. Moskau bestreitet, diese Waffen geliefert zu haben.
Obama gibt russischen Separatisten die Schuld
US-Präsident Barack Obama beschuldigte am Freitag die Separatisten. Es gebe Beweise, dass das Flugzeug von einer Rakete abgeschossen worden sei, die aus von ihnen kontrolliertem Territorium abgefeuert worden sei, sagte er. Die europäischen Staaten erwägen bereits eine erhebliche Ausweitung der Sanktionen, womöglich schon Anfang nächster Woche, sagen Regierungsvertreter.
Putins Kompromisslosigkeit und sein Willen, zur Not auch schärfere Sanktionen in Kauf zu nehmen, spiegelten seine Entschlossenheit, sich dem Westen zu widersetzen, sagen westliche Diplomaten und Analysten. Denn der, so Putins Wahrnehmung, wolle die Ukraine seinem Machtbereich entwinden, und zwar seit der Revolution, die zum Sturz des Präsidenten im Februar geführt hatte.
"Er hat seine Position nicht verändert. Aus seiner Sicht ist das ein globaler geopolitischer Kampf", sagt Alexej Makarkin, stellvertretender Leiter eines Moskauer Politikinstituts. "Er ist sich sicher, dass die Revolution vom Westen organisiert wurde, und dass sich Russland dem entgegenstellen muss."
Und selbst wenn er seinen Kurs jetzt umkehren wollte, träfe er auf starken Widerstand. Diplomaten sagen, die Hardliner im Kreml drängten auf ein noch aggressiveres Vorgehen.
Am Freitag war im russischen Fernsehen nur wenig von den Erklärungen zu dem Flugzeugabsturz zu sehen, die der Rest der Welt für die wahrscheinlichsten hält. Stattdessen laufen Berichte, die einen Abschuss durch ukrainische Kampfflieger nahelegen, oder dass das tatsächliche Ziel ein Flugzeug in der Nähe gewesen sei, mit dem Putin von seiner Südamerikareise zurückkehrte.
Belege für Waffenlieferungen aus Russland
Als am Freitag immer mehr Details zu der Flugzeugkatastrophe auftauchten, rückte das Buk-Raketensystem in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Es könnte zu einer großen Waffenlieferung gehört haben, die die USA bereits drei Tage vorher entdeckt haben wollten. Sie beschuldigten damals Moskau, ihre Lieferungen von modernen Waffen an die Separatisten auszuweiten.
Zwar würden sowohl die Ukraine als auch Russland über dieses weitreichende Luftabwehr-Raketensystem verfügen, "aber ich halte es für unwahrscheinlich, dass das System nicht von den Russen stammt", sagt Steven Pifer, Direktor des Bereichs Waffenkontrolle und Nichtweiterverbreitung an der Washingtoner Brookings Institution.
Am Freitag veröffentlichte der ukrainische Geheimdienst angebliche Beweise, dass das Buk-System am Donnerstagmorgen in die Ukraine geliefert wurde, zunächst in die Nähe des Dorfes Suchodolsk und später dann nahe dem Dorf Perwomaiske.
Geheimdienst zeigt Video mit Buk-Raketensystem
Innerhalb von Stunden sei die Rakete abgefeuert worden, so die Ukrainer, und dann sei das System wieder nach Russland zurückgebracht worden. Die ukrainische Regierung veröffentlichte ein kurzes Video, das die Raketenbatterie auf dem Weg hinaus aus der Ukraine zeigen soll - eine Rakete auf der Startrampe fehlt.
Die in der Ostukraine aktiven Rebellen haben seit dem Abschuss von Flug MH17 erklärt, dass sie nicht über derart hochentwickelte Waffensysteme verfügten, um ein Flugzeug in dieser Höhe zu treffen. Doch am 29. Juni hatten die Separatisten gesagt, sie hätten eine ukrainische Militärbasis überrannt und ein Buk-Raketensystem erbeutet. Ukrainische Vertreter widersprachen damals jedoch und sagten, ein solches System sei nicht abhandengekommen.
In den letzten Tagen haben sich die Rebellen des Abschusses von einigen ukrainischen Flugzeugen gerühmt. Regierungsvertreter in Kiew beharren indessen darauf, dass die Rebellen ohne die Hilfe Russlands es nicht geschafft hätten, das malaysische Flugzeug abzuschießen.
Das Buk-System, im Westen als SA-11 bekannt, benötigt eine hochqualifizierte Mannschaft, die auch das Radar bedienen kann. Es sei zu bezweifeln, dass die Rebellen über ein solches Team verfügten, sagten Vertreter der US-Regierung.
Das hat Spekulationen geschürt, dass russisches Personal in der Ukraine die Rakete abgeschossen hat oder sogar Personal auf der russischen Seite der Grenze. "Wegen der technischen Komplexität des SA-11 ist es unwahrscheinlich, dass die Separatisten das System ohne kundiges Personal bedienen können", sagte die US-Botschafterin bei der UNO, Samantha Power, vor dem Sicherheitsrat. "Daher können wir eine technische Unterstützung durch russisches Personal bei der Bedienung des Systems nicht ausschließen."
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July 19, 2014 10:15 ET (14:15 GMT)
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