05.01.2015 15:51:31
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Fallende Preise erhöhen Lockerungsdruck auf EZB
Von Hans Bentzien
Die Verbraucherpreise im Euroraum dürften im Dezember erstmals seit mehr als fünf Jahren wieder ihr Vorjahresniveau unterschritten haben. Das ist nach Veröffentlichung vorläufiger Inflationsdaten aus Deutschland und Spanien klar. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzt das zusätzlich unter Druck, ihre Politik weiter zu lockern - auch wenn der Rückgang des Preisniveaus wohl nur vorübergehend ist und hauptsächlich auf niedrigeren Ölpreisen beruht.
Das sind die Fakten: In Spanien, wo die Inflationsrate schon seit vergangenem Sommer negativ ist, unterschritten die Verbraucherpreise ihr Vorjahresniveau im Dezember um 1,1 Prozent. Zwar wächst die Wirtschaft dieses Landes wieder, doch sind die Anpassungsprozesse nach der Finanzkrise noch nicht abgeschlossen. Zudem sinkt seit dem Sommer auch der Ölpreis, der sich - wie Volkswirte anmerken - seit Juni 2014 halbiert hat.
In Deutschland, hat sich die am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessene Jahresinflation im Dezember von 0,6 auf 0,1 Prozent verringert. Volkswirte hatten 0,3 Prozent Inflation prognostiziert. Der Rückgang des Ölpreises spielte dabei eine entscheidende Rolle.
In jenen sechs deutschen Bundesländern, die ihre Inflationsdaten vorab veröffentlichen, verbilligte sich Heizöl gegenüber dem Vormonat um 12 bis 17 Prozent und kostete 21 bis 25 Prozent weniger als im Dezember 2013. Bei Kraftstoffen sanken die Preise auf Monatssicht um 5 bis 9 Prozent und lagen um 10 bis 15 Prozent unter Vorjahresniveau. Gedrückt wurde die Teuerung außerdem von den Nahrungsmittelpreisen.
Wenn aber selbst in der robustesten und größten Volkswirtschaft des Euroraums quasi Nullinflation herrscht - was ist dann vom gesamten Währungsgebiet zu erwarten?
"Es ist wahrscheinlich, dass die Inflation zum ersten Mal seit Oktober 2009 negativ gewesen ist", sagt ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Während die wieder aufgelebte Diskussion über ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro den Gegnern einer quantitativen Lockerung (QE) Auftrieb gegeben habe, dürfte eine negative Inflationsrate deren Befürworter ermuntern, kalkuliert der Ökonom. QE würde nach allgemeinem Verständnis den Ankauf von Staatsanleihen einschließen - auch griechischer, auf den dann die ehemaligen Euro-Partner sitzen blieben.
Der deutsche Wirtschaftsweise Lars P. Feld warnt die EZB deshalb auch davor, drei Tage vor Neuwahlen in Griechenland umfassende Staatsanleihekäufe zu beschließen. Seiner Ansicht nach wäre das schädlich für die Reputation der EZB in Deutschland und weltweit, sagte Feld dem Handelsblatt.
Deutschland selbst ist auf eine weitere geldpolitische Lockerung allerdings auch am wenigsten angewiesen. Zwar ist die Inflation hier ebenfalls gesunken, doch sind die Inflationserwartungen der Deutschen nach Einschätzung von Carsten Brzeski solide verankert. Die Kerninflationsrate (ohne die Preise von Energie und Nahrungsmitteln berechnet) stieg im Dezember sogar von 1,1 auf 1,4 Prozent.
Das ist auch ein Ausdruck der insgesamt guten Konjunktur und eines erstaunlich starken Arbeitsmarkts. Die Arbeitslosenquote ist im November auf ein neues Rekordtief von 6,6 Prozent gefallen, während die Beschäftigung im vergangenen Jahr - zum achten Mal in Folge - eine Rekordwert markierte. Und eine Ende ist nicht abzusehen, denn die Arbeitskräftenachfrage nimmt weiter zu. Der von der BA berechnete Stellenindex stieg im Dezember um 4 Punkte auf ein neuen Höchstwert von 181.
Zudem haben sich die Wachstumsaussichten für Deutschland nach Einschätzung von Finanzanalysten erneut gebessert. Der von sentix erhobene Konjunkturindex stieg im Januar um 7,0 Punkte auf 26,6, den höchsten Stand seit Juli 2014. Nach Aussage von sentix-Analyst Sebastian Wanke wurden die Wachstumserwartungen vor allem vom schwachen Euro und dem Rückgang des Ölpreises gestützt.
Doch die EZB macht ihre Geldpolitik nicht mit Blick auf Deutschland. "Eine negative Inflationsrate im Euroraum würde die Position der Tauben im EZB-Rat für weitere quantitative Maßnahmen stärken", sagt Commerzbank-Volkswirt Marco Wagner. Allerdings hält es die EZB EZB-Staatsanleihekäufe ohnehin längst für eine ausgemachte Sache. "Wir rechnen mit diesem Schritt bereits zur nächsten Sitzung am 22. Januar", sagt Wagner.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
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January 05, 2015 09:20 ET (14:20 GMT)
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