19.05.2015 16:27:47

EZB-Chefvolkswirt Praet fordert Reformen von Regierungen

   Von Brian Blackstone und Todd Buell

   FRANKFURT (Dow Jones)--Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Peter Praet, hat die Regierungen des Euroraums zu stärkeren Reformanstrengungen aufgerufen. Die aktuelle Konjunkturerholung alleine werde die Arbeitslosigkeit kaum deutlich unter zweistellige Prozentraten sinken lassen, sagte Praet in einem Interview mit dem Wall Street Journal. Die Erholung im Euroraum gebe nur ein bisschen mehr Zeit für notwendige Reformen. "Ich glaube, es wird wirklich Zeit, denn nach sieben Jahren beginnt sich dieses eher pessimistische Umfeld stärker in den Erwartungen zu verfestigen, und deshalb brauchen wir jetzt Ergebnisse", sagte Praet.

   Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Euroraums ist im ersten Quartal um 0,4 Prozent gestiegen. Das Wachstum war damit zwar stärker als das in den USA oder in Großbritannien, aber trotzdem hat der Euroraum sich noch nicht richtig von den beiden Rezessionen nach der Finanzkrise erholt. Für 2015 und 2016 erwartet die EZB Wachstumsraten von 1,5 und 1,9 Prozent.

   Der EZB-Direktor spielte die Bedeutung der jüngsten Anstiege bei Staatsanleiherenditen und Euro herunter. "Als wir im März begannen, unsere Beschlüsse umzusetzen, waren die Marktreaktionen sehr stark, deutlich stärker als wir selbst erwartet hatten", sagte er. Deshalb entspreche die jetzige Korrektur den früheren Übertreibungen. Die Zentralbanken des Eurosystems kaufen seit März monatlich Wertpapiere für 60 Milliarden Euro, der größte Teil davon sind Staatsanleihen.

   Der Euro war bis Mitte März auf ein Zwölfjahrestief von unter 1,05 US-Dollar gefallen. Nach einer Reihe schwacher US-Konjunkturdaten war er in der vergangenen Woche wieder bis auf ein Zwischenhoch von 1,1468 Dollar gestiegen. "Einige Marktkommentatoren kamen mit extremen Annahmen zum Tempo der Euro-Abwertung heraus, die über unsere eigenen Erwartungen hinaus gingen", sagte Praet.

   Praets Äußerungen kommen vor dem Hintergrund einer Zentralbankkonferenz zum Thema Arbeitslosigkeit und niedrige Inflation, die die EZB Ende dieser Woche im portugiesischen Sintra ausrichten wird. Wie viele andere Zentralbanken auch kämpft die EZB mit einer Inflation, die deutlich unter ihrem Zielwert von knapp 2 Prozent liegt. Sie reagiert darauf mit Wertpapierankäufen sowie extrem billigen und langfristigen Krediten für Banken.

   Die Arbeitslosenquote ist in der Eurozone mit 11,3 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in den USA. Europas Problem liegt laut Praet darin, dass ein guter Teil dieser Arbeitslosigkeit strukturell ist, also nicht auf kurzfristige Konjunkturerholungen reagiert. Laut Praet sind knapp 10 Prozentpunkte der Quote als strukturell anzusehen, was er als "politisches und soziales Problem" betrachtet.

   Zwar hätten Länder wie Frankreich, Italien und Spanien diesbezüglich Schritte in die richtige Richtung unternommen, doch müsse noch mehr getan werden, damit technologischer Fortschritt zu einer höheren Produktivität der gesamten Wirtschaft führe.

   "Wir haben in Europa eine Reihe bürokratischer Hindernisse und einige Probleme im Zusammenhang mit Aufsicht, Arbeitsrecht, ineffizienten Justizsystemen und mangelndem Wettbewerb, die eine Verbreitung neuer Technologien behindern", sagte Praet. Worauf es letztendlich ankomme, sei eine Verbesserung des Geschäftsklimas, die sich mit dem "Ease-of-doing-Business-Index" messen ließe.

   Praet verteidigte den europäischen Ansatz, Geschäftsklima und Wachstum mit einer Mischung aus Schuldenreduzierung und Wirtschaftsreformen zu beleben - eine Methode, die von den eher nachfragorientierten US-Ökonomen kritisiert wird. Sie argumentieren, dass Europa auf diese Weise seine Nachfrage geschwächt und die Rezessionen verstärkt habe.

   "Natürlich brauchen wir eine substanzielle Unterstützung von der Nachfrage, aber Nachfrage alleine, ohne intelligente und gezielte angebotsseitige Reformen, funktioniert nicht", sagte der EZB-Chefvolkswirt dazu.

   Die Lage in Griechenland bezeichnete Praet als "sehr schwierig" und als "Drahtseilakt". Die EZB sei einerseits die Zentralbank des Landes, die die Banken mit Liquidität versorge, sie müsse sich dabei aber andererseits an ihre Regeln halten. "Es gibt Grenzen für das, was wir tun können", sagte Praet. "Wir erwarten von der Regierung, dass sie die notwendigen Zusagen geben wird."

   Kontakt zu den Autoren: konjunktur.de@dowjones.com

   DJG/hab/sha

   (END) Dow Jones Newswires

   May 19, 2015 10:27 ET (14:27 GMT)

   Copyright (c) 2015 Dow Jones & Company, Inc.- - 10 27 AM EDT 05-19-15

Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!