11.06.2013 18:19:30
|
EU-Verkehrskommissar Kallas drückt bei einheitlichem Luftraum aufs Tempo
Von Claudia Wiese
STRASSBURG--EU-Verkehrskommissar Siim Kallas will das schleppend laufende EU-Projekt eines einheitlichen europäischen Luftraums endlich voranbringen, um Verspätungen zu verhindern und Kosten einzudämmen. "Wenn wir nichts tun, wird Chaos herrschen", teilte die EU-Kommission am Dienstag mit, die in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren 50 Prozent mehr Flüge über Europa erwartet. Mit einem neuen, dritten Gesetzespaket, bestehend aus drei Verordnungen, wird nun aufs Tempo gedrückt. Die gültigen Verordnungen für einen "Single European Sky" sollen damit auf den neuesten Stand gebracht und zusammengefasst werden, teilte die Kommission weiter mit.
So sollen etwa Dienste wie die Wettervorhersage und Navigations- oder Überwachungsdienste, die die Flugkontrolle unterstützen, zukünftig dem Wettbewerb geöffnet und öffentlich ausgeschrieben werden. Diese sind laut Kommission der größte Kostenfaktor im Flugverkehrsmanagement. Während es sich bei der Luftkontrolle um natürliche Monopole handele, da nun einmal nur ein Überwachungsturm auf einem Flughafen stehen könne, könnten 20 Prozent an Kosten gespart werden, würden die Unterstützungsdienste nach den üblichen Regeln zur öffentlichen Auftragsvergabe vergeben.
Die Flugkontrolldienste sollen zudem vollständig von ihren Aufsichtsbehörden getrennt werden. Bei der Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden bestünden "ernsthafte Mängel", teilte die Kommission weiter mit. Vielfach kontrollierten die Flugsicherungen direkt die Aufsichtsbehörden, die sie überwachen sollen. Auch die europäische Flugsicherung Eurocontrol soll gestärkt werden.
Zudem will die Kommission mehr "Kundenorientierung" durchsetzen. Die Fluggesellschaften sollen zukünftig die Investitionspläne der Flugsicherungen abzeichnen.
Sich selbst will die EU-Kommission eine größere Rolle bei der Festlegung der nationalen Ziele verschaffen. Im derzeit gültigen System hätten die Mitgliedstaaten das "letzte Wort, wenn es um die Festlegung von Zielen und das Nachsteuern bei einem Verfehlen der Ziele geht". Die Erfahrung habe gezeigt, dass die Staaten den Wandel zu einem einheitlichen Luftraum aufgrund von Streikgefahren oder Auswirkungen für finanzschwache Haushalte nur zögerlich unterstützten, monierte die Kommission.
Doch schon jetzt verursache der fragmentierte, an Landesgrenzen orientierte Luftraum Kosten von fast 5 Milliarden Euro jährlich, unter anderem weil Flugstrecken im Schnitt 45 Kilometer länger seien als nötig und somit auch mehr Treibstoff verbraucht würde. In über 650 Sektoren ist der europäische Luftraum laut Kommission derzeit unterteilt.
Die USA zeigten, dass es billiger geht. Dort seien die Luftraumüberwachungskosten nur halb so hoch wie in der EU, obwohl der Luftraum gleich groß sei. Das US-Flugmanagementsystem bewältige mit nur einem Drittel an Kontrollzentren als in Europa die doppelte Anzahl an Flügen. "Unsere Luftfahrtunternehmen und ihre Fluggäste müssen seit über zehn Jahren hinnehmen, dass der Service abnimmt und auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Luftraum eine Frist nach der anderen verstreicht", kritisierte der Verkehrskommissar.
Bereits in den 90er Jahren ergriff die EU Initiativen, um einen einheitlichen europäischen Luftraum zu schaffen. In den Jahren 2004 und 2009 wurden dann entsprechende EU-Gesetze erlassen, um das geplante Vorzeigeprojekt zur Reform der europäischen Flugsicherung umzusetzen.
Als Zwischenziel sollte bis Ende vergangenen Jahres die Flugsicherung über dem Hoheitsgebiet der EU sowie Kroatien, Norwegen, der Schweiz und Bosnien-Herzegowina innerhalb von neun regionalen Luftraumblöcken koordiniert werden. Deutschland muss sich dabei mit Frankreich, den Benelux-Staaten und der Schweiz zusammentun. Doch kein einziger Luftraumblock sei derzeit vollständig in Betrieb, monierte die Kommission. Gegen alle EU-Länder würden Vertragsverletzungsverfahren geprüft, hatte Kallas bereits im Dezember als die Frist verstrichen war, angekündigt.
Europäisches Parlament und EU-Mitgliedstaaten müssen den neuen Gesetzen zustimmen, bevor sie in Kraft treten können. Allerdings rief das geplante Gesetzespaket schon am Dienstag heftige Kritik hervor. So beeinträchtigten Streiks der Fluglotsen an zahlreichen französischen Flughäfen den Luftverkehr in ganz Europa massiv. Die französische Fluglotsengewerkschaft SNCTA kritisierte, die geplanten Gesetzesänderungen würden der französischen Luftraumüberwachung wichtiges Geld entziehen, das in neue Technologien investiert werden müsse.
Beistand erhielt SNCTA von der französischen Regierung. "Frankreich unterstützt die neue Initiative der Europäischen Kommission nicht", sagte Verkehrsminister Frederic Cuvillier. Europa müsse erst abwarten, was die letzte Reformrunde in der zivilen Luftfahrt 2009 für Früchte tragen werde, bevor es neue Veränderungen geben könne. Er habe dabei die Unterstützung von seinem deutschen Amtskollegen Peter Ramsauer. Zusammen hätten sie einen Brief an EU-Kommissar Kallas gesendet, in dem das Projekt angezweifelt wird.
Europäisches Parlament und die Luftfahrtbranche hingegen forderten die Kommission zuvor bereits mehrmals auf, härter gegen die Mitgliedstaaten vorzugehen, damit der Single Sky Realität werden kann. Der Stillstand beim Aufbau eines einheitlichen europäischen Luftraums kostet die Fluggesellschaften nach Schätzung des Dachverbands Association of European Airlines (AEA) jeden Tag rund 14 Millionen Euro.
Mitarbeit: Matthias Goldschmidt und Nadya Masidlover
Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com
DJG/cla/sha
(END) Dow Jones Newswires
June 11, 2013 11:49 ET (15:49 GMT)
Copyright (c) 2013 Dow Jones & Company, Inc.- - 11 49 AM EDT 06-11-13

Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!