13.06.2016 09:42:46

EU-Ratspräsident Tusk warnt vor zerstörerischen Folgen eines Brexits

   Von Andreas Kißler

   BERLIN (Dow Jones)--EU-Ratspräsident Donald Tusk hat mit drastischen Worten vor weit reichenden Folgen eines möglichen Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) gewarnt. "Als Historiker fürchte ich: Der Brexit könnte der Beginn der Zerstörung nicht nur der EU, sondern der gesamten politischen Zivilisation des Westens sein", sagte Tusk der Bild-Zeitung. Politisch würde ein Austritt alle radikalen Anti-Europäer in den EU-Staaten anfeuern, befürchtet er. "Mehr noch: Am Tag des Austritts der Briten würden unsere äußeren Feinde Champagner trinken."

   Der Präsident des Europäischen Rates rechnete damit, dass bei einem Votum für den Brexit alleine das mögliche Auflösen aller vertraglichen Verbindungen mit Großbritannien zwei Jahre in Anspruch nehmen würde. Insgesamt ging Tusk davon aus, dass bis zu einem Neubeginn der Beziehungen mit der EU sieben Jahre vergehen könnten. Ausdrücklich widersprach er dem Eindruck, für die Briten würde sich nach einem Austritt wenig ändern. "Wirtschaftlich hätte jeder in der EU Nachteile, aber vor allem die Briten selbst."

   Der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold warnte hingegen vor Drohungen in Richtungen Großbritannien vor dem am 23. Juni geplanten britischen Referendum über einen EU-Austritt. Äußerungen wie die jüngsten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu den Folgen eines so genannten "Brexits" hätten die Briten "noch nie beeindruckt", sagte Giegold im Deutschlandfunk nach Angaben des Senders. "Das ist Öl ins Brexit-Feuer", warnte er vielmehr.

"Drin bedeutet drin, und draußen bedeutet draußen" Schäuble hatte am Freitag bei einer Investorenkonferenz in Berlin vor den Folgen eines britischen Ausscheidens aus der Europäischen Union (EU) gewarnt. "Ein Brexit wäre hart für jeden, besonders im Vereinigten Königreich selbst," so der Finanzminister, der erneut auf die Konsequenzen einer Entscheidung für ein Ausscheiden hinwies: "Drin bedeutet drin, und draußen bedeutet draußen." Schäuble hat bereits mehrfach betont, die Entscheidung für den Brexit könnte dann nicht wieder mit Nachverhandlungen rückgängig gemacht werden.

   Giegold erklärte am Montag, er finde diese "rhetorische Eskalation" nicht hilfreich. Die Briten könnten selbst entscheiden, und eine "Schulmeisterei" sei nicht hilfreich. Letztlich werde es ein Weiter für die EU geben, auch wenn sich die Briten für einen Ausstieg entscheiden sollten. Giegold forderte statt einer Drohrhetorik ein klares Bekenntnis zu einem sozialeren Europa, zu mehr Demokratie und mehr Transparenz.

   Die Historikerin Claudia Schnurmann hält unterdessen die Argumente für eine Abkopplung Großbritanniens von der EU für wenig plausibel. Zwar habe sich England in der Geschichte immer schon über Abgrenzung definiert, sagte sie am Wochenende ebenfalls im Deutschlandfunk. Allerdings sei das Land nur durch den Handel mit Europa zu der Weltmacht geworden, nach der sich die Brexit-Befürworter jetzt zurücksehnten. "Diese Weltmacht ist nur Weltmacht geworden, weil sie im steten Austausch mit ihren Nachbarn stand," betonte Schnurmann.

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

   DJG/ank/smh

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   June 13, 2016 03:29 ET (07:29 GMT)

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