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09.04.2022 16:04:38

EU bezeichnet Angriff auf Bahnhof als Kriegsverbrechen Russlands

KIEW (dpa-AFX) - Die Europäische Union hat Russland für den Angriff auf den Bahnhof im ostukrainischen Kramatorsk mit mehr als 50 Toten verantwortlich gemacht. Der außenpolitische Sprecher der EU sprach am Samstag von einem Kriegsverbrechen und stellte den Angriff in eine Reihe mit "von den russischen Streitkräften begangenen Gräueltaten in Butscha, Borodjanka und anderen Städten und Dörfern" in der Ukraine.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich am Samstag zudem erneut erschüttert über das Vorgehen der russischen Armee im Kiewer Vorort Butscha, den sie am Vortag besucht hatte. "Mein Instinkt sagt: Wenn das kein Kriegsverbrechen ist, was ist dann ein Kriegsverbrechen? Aber ich bin eine gelernte Ärztin und das müssen nun Juristen sorgfältig ermitteln", sagte sie am Morgen auf der Rückreise von Kiew nach Polen vor Journalisten. Am Nachmittag wurde sie in Warschau zu einer Geberkonferenz für die Ukraine erwartet. Aus dem Osten der Ukraine wurden unterdessen weitere Kämpfe gemeldet.

EU: Russland für Raketenangriff verantwortlich

Nachdem zuvor auch schon das US-Verteidigungsministerium Russland die Verantwortung für den Raketenangriff in der ostukrainischen Stadt gegeben hat, sagte der außenpolitische Sprecher der EU in einer Mitteilung am Samstag, die EU sei zutiefst schockiert von Russlands Angriff. "Das war ein brutaler, wahlloser Bombenangriff auf unschuldige Zivilisten, darunter viele Kinder, die auf der Flucht waren aus Angst vor einem weiteren russischen Angriff auf ihre Heimat und ihr Land", sagte der Sprecher. Die Verantwortlichen für dieses Kriegsverbrechen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

"Die von den russischen Streitkräften begangenen Gräueltaten in Butscha, Borodjanka und anderen Städten und Dörfern, die jüngst durch die ukrainische Armee von der russischen Besatzung befreit wurden, sowie der brutale Angriff auf den Bahnhof von Kramatorsk sind Teil der verwerflichen Zerstörungstaktiken des Kremls", hieß es weiter. "Die eklatanten Versuche, die Verantwortung Russlands für diese und andere Verbrechen durch Desinformation und Medienmanipulationen zu verschleiern, sind inakzeptabel", sagte der Sprecher.

Pentagon-Sprecher John Kirby hatte zuvor erklärt, Russlands offizielle Dementis nach dem Angriff auf den Bahnhof seien nicht überzeugend. "Unsere Einschätzung ist es, dass das ein russischer Angriff war und dass sie eine ballistische Kurzstreckenrakete genutzt haben, um ihn auszuführen", sagte Kirby. Mit Blick auf die zivilen Opfer sagte er, der Angriff sei erneut ein Beispiel der russischen "Brutalität" und der "Sorglosigkeit" gegenüber der Zivilbevölkerung. Ukrainischen Angaben zufolge kamen bei dem Angriff am Freitag mehr als 50 Menschen ums Leben, über 100 weitere wurden verletzt.

Von der Leyen zu Geberkonferenz in Polen

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen kehrte nach ihrem eintägigen Besuch im ukrainischen Kriegsgebiet sicher nach Polen zurück. Am Samstagnachmittag wollte sie in Warschau an einer Geberkonferenz für die Ukraine teilnehmen. Sie hatte in Kiew den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen und sich ein Bild von der Lage in Butscha gemacht, wo derzeit Untersuchungen zu Kriegsverbrechen der russischen Armee laufen. Am vergangenen Wochenende waren dort zahlreiche Leichen ermordeter Zivilisten gefunden worden, teils gefesselt am Straßenrand.

Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal, der sie nach Butscha begleitet hat, habe ihr Fotos von den Gräueln gezeigt, sagte von der Leyen. "Menschen wurden im Vorbeigehen getötet", sagte sie dazu. "Wir konnten auch mit unseren eigenen Augen sehen, dass die Zerstörung in der Stadt in das zivile Leben zielte. Wohnhäuser sind keine militärischen Ziele." Von der Leyen sagte, dass die EU sich nun an den Ermittlungen der Ukrainer in einem gemeinsamen Team beteilige.

Auch Österreichs Kanzler Karl Nehammer, der am Samstag zu einem Solidaritätsbesuch in Kiew eintraf, plant einen Besuch in Butscha. Die bekannt gewordenen Kriegsverbrechen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine müssten von unabhängigen und internationalen Experten lückenlos aufgeklärt werden, forderte er bei der Anreise. In der ukrainischen Hauptstadt wollte Nehammer mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und Bürgermeister Vitali Klitschko zusammenkommen.

Weitere Kämpfe im Osten der Ukraine

Die Angriffe russischer Einheiten im Donbass im Osten der Ukraine gehen ukrainischen Angaben zufolge weiter. Die russischen Truppen konzentrierten sich darauf, die Orte Rubischne, Nischne, Popasna und Nowobachmutiwka zu übernehmen und die volle Kontrolle über die Stadt Mariupol zu erlangen, berichtete die Agentur Unian unter Berufung auf den Bericht zur militärischen Lage des ukrainischen Generalstabs am Samstagmorgen.

Russlands Armee bestätigte neue Angriffe in den ukrainischen Gebieten Dnipro und Poltawa. Unweit der südostukrainischen Stadt Dnipro sei in der Nacht zum Samstag ein Waffenlager mit Raketen beschossen worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministerium, Igor Konaschenkow. In Myrhorod im zentralukrainischen Poltawa richtete sich ein Angriff demnach gegen einen Flugplatz. Von ukrainischer Seite hieß es, dabei seien zwei Menschen verletzt worden.

Präsident Selenskyj verlangt erneut Öl- und Gasembargo

Der ukrainische Präsident Selenskyj verlangte nach dem Angriff in Kramatorsk erneut eine entschiedene Antwort der internationalen Gemeinschaft. Er forderte ein vollständiges Embargo auf russisches Öl und Erdgas. Selenskyj sagte in einer Videobotschaft am späten Freitagabend, es seien die Energieexporte, die den Löwenanteil der Profite Russlands ausmachten. Sie ließen die russische Führung glauben, dass die Welt die "Kriegsverbrechen" der russischen Armee ignorieren werde. Auch die russischen Banken müssten vollständig vom globalen Finanzsystem abgekoppelt werden.

Innenpolitiker fordern striktes Vorgehen bei pro-russischen Demos

In Deutschland forderten Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Innenpolitiker unterdessen mit Blick auf geplante pro-russische Demonstrationen am Wochenende ein striktes Durchgreifen der Polizei bei Verstößen gegen Auflagen oder Gesetze. "Das Zeigen des "Z" verherrlicht Kriegsverbrechen und kann deshalb unserer Ansicht nach strafrechtlich verfolgt werden. Hier brauchen wir ein konsequentes Einschreiten der Polizei", sagte Faeser der "Welt am Sonntag".

Am vergangenen Sonntag hatte ein Autokorso durch Berlin Empörung ausgelöst. An diesem Wochenende sind in mehreren Städten pro-russische Demonstrationen geplant - etwa in Hannover, Frankfurt und Stuttgart. Teils ist das Tragen bestimmter Symbole im Voraus untersagt worden./uvo/DP/stk

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