Konjunkturprognose 18.12.2020 16:08:00

Dritter Lockdown trifft Österreichs Wirtschaft erneut stark - Wirtschaftsforscher für vernünftige Exit-Strategie

Dritter Lockdown trifft Österreichs Wirtschaft erneut stark - Wirtschaftsforscher für vernünftige Exit-Strategie

Nötig seien Strukturreformen, um wieder auf einen nachhaltigen Budgetpfad zurückkehren zu können, so IHS-Chef und Fiskalrat-Präsident Martin Kocher. Wifo-Chef Christoph Badelt warnte davor, zu rasch auf einen Sparkurs einzuschwenken.

Derzeit sei die expansive Politik weiter nötig, auch wenn man bei den einzelnen Unterstützungen stärker differenzieren sollte, so Badelt. Das gelte für den Fixkostenzuschuss und den Umsatzersatz, wo ohnedies schon mehr unterschieden werde - aber ganz besonders für "das teuerste" der Programme, die Kurzarbeitshilfen. "Ja, nachschärfen, aber weiter expansiv bleiben." Die Pandemie-Eindämmung sei weiterhin das Wichtigste. Man dürfe nicht zu früh damit aufhören, Geld in den Wirtschaftskreislauf zu bringen. Spätere Sparmaßnahmen müsse man "sehr vorsichtig", "nicht zu rasch" vornehmen.

Momentan stehe die "Feuerwehr-Konjunkturpolitik im Vordergrund", sagte der Wifo-Chef am Freitag bei der Vorlage der neuen Wirtschaftsprognosen. Man sollte jedoch "in eine Langfristorientierung hinübergleiten", auch bei der Budgetpolitik. Schon jetzt sollte dies vorbereitet werden. Auch ein Reformprozess sollte schon gestartet werden. Zum Finanzausgleich sollten 2021 die Weichen für 2022 gestellt werden, bis hin zu Themen wie Förderungen und Pflege, forderte Badelt.

Für heuer erwarten Wifo und Institut für Höhere Studien (IHS) 7,3 bzw. 7,5 Prozent Einbruch der Wirtschaftsleistung, für 2021 dann in ihren Grundannahmen 4,5 bzw. 3,1 Prozent Anstieg, wobei das IHS für 2021 optimistischer ist als das Wifo. Für 2022 sind Wifo und IHS verhalten optimistisch, das BIP-Plus soll dann in den Basisannahmen 3,5 bzw. 3,8 Prozent betragen.

Zum bevorstehenden dritten Lockdown hat das Wifo vorausschauend bereits ein eigenes Szenario gerechnet, weil "wir dachten es liegt in der Luft, dass es noch einen dritten Lockdown geben wird", wie Badelt sagte: Demnach würde auch im ersten Quartal 2021 die Wirtschaftsleistung sinken und im Gesamtjahr nur ein BIP-Plus von 2,5 statt 4,5 Prozent möglich sein. Tangiert wäre vor allem der Tourismus, wohl mindestens bis Februar, hieß es am Freitag.

Im Szenario "Dritter Lockdown" wird ein völliges Herunterfahren für vier Wochen angenommen - ab Ende Jänner 2021 und danach ein Teil-Lockdown bis Ende März mit weiter geschlossenen Gaststätten und Beherbergungsbetrieben. Nun dürfte aber gleich nach Weihnachten bis 18. Jänner heruntergefahren werden, offiziell wird die Politik das am Abend verkünden.

"Es sieht so aus, als ob unser Lockdown-3-Szenario jetzt Realität wird", so Badelt. Im ersten Halbjahr 2021 werde das BIP weiter sinken und das Plus im Gesamtjahr nur 2,5 Prozent betragen, das Tempo der Expansion aber 2022 auf 5,1 Prozent zulegen. Die Negativ-Effekte seien schwächer im Frühjahr, wenn jetzt kürzer zu sei und die Industrie weiterproduziere.

Ökonomisch gesehen sei es unerheblich, ob der Lockdown etwas früher oder später komme. Ob es ab Mitte 2021 keiner wirtschaftlichen Einschränkungen mehr bedürfe, könne er nicht beantworten, meinte der Wifo-Chef. Das sei "eine epidemiologische Aussage". Die Frage, wie lang man sich die Krise leisten könne, stelle sich nicht: "Solange wir nur so die Zahl der Krankheiten herunterbringen, müssen wir die ökonomischen Kosten tragen."

Beim IHS würde der dritte Lockdown nur eine leichte Anpassung der Konjunkturprognose für 2021 erfordern, keine massive, sagte Kocher. Die erneute Infektionswelle bremse den Aufschwung, die Pandemie sei zu einer gewissen Wellenbewegung geworden. Deshalb habe man auch in der Vergangenheit dazu aufgerufen, die Infektionszahlen gering zu halten - was auch Kritik hervorgerufen habe, weil das Wirtschaftsexperten gesagt haben.

In der Arbeitsmarktpolitik würden die Qualifizierungsmaßnahmen und Arbeitsstiftungen angesichts der krisenbedingt hohen Arbeitslosigkeit an ihre Grenzen stoßen, daher sollten spezielle Programme für Ältere oder andere am Arbeitsmarkt besonders gefährdete Personen geschaffen werden, forderte Badelt. Vor der Krise habe es 300.000 Arbeitslose gegeben, "jetzt werden wir im Jahresschnitt 350.000 bis 380.000 haben - das ist eine unhaltbare Situation". Es sei besser, Ältere Menschen in ein Beschäftigungsprogramm hineinzunehmen als sie via Arbeitslosengeld mit einer ähnlich hohen Geldsumme zu betreuen. Ob man das dass "Aktion 20.000" nenne oder anders, sei egal. IHS-Arbeitsmarktexperte Helmut Hofer plädierte für noch stärkere Prävention gegen Langzeitarbeitslosigkeit, durch Qualifizierung und Schulbildung.

Die Arbeitslosenrate, die 2019 nach nationaler Rechnung 7,4 Prozent betrug, dürfte heuer nach Einschätzung beider Institute auf 9,9 Prozent klettern und 2021 mit 9,3 (Wifo) bzw. 9,7 (IHS) Prozent sehr hoch bleiben. Nach 0,7 Prozent Budgetüberschuss gemessen am BIP im Vorjahr dürften heuer 10,1 bzw. 10,7 Prozent Budgetabgang ins Haus stehen, 2021 dürfte das Minus 5,5 bzw. 6,4 Prozent betragen, übernächstes Jahr 3,0 Prozent, sind sich die Fachleute derzeit einig.

Handelsverband: Ein dritter Lockdown kostet bis zu 3 Mrd. Euro Umsatz

Der laut Verhandlerkreisen fixierte dritte Corona-Lockdown von 26. Dezember bis 18. Jänner 2021 würde laut Handelsverband den Betrieben bis zu 3 Mrd. Euro Umsatz kosten. Auch in den beiden anderen Lockdowns hätte der Umsatzausfall rund 900 Mio. Euro pro Woche betragen, sagte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will zur APA.

Will warnte davor, dass ein dritter harter Lockdown die wirtschaftliche Lage der Handelsbetriebe verschärfen und 60.000 Arbeitsplätze akut gefährden würde. Das angedachte "Freitesten", um Geschäftslokale ab 18. Jänner betreten zu können, wäre ein Amazon-Förderungsprogramm und würde dem stationären Handel Kunden und Existenzgrundlage entziehen, kritisierte der Handelsverband-Geschäftsführer. Handelsmitarbeiter könnten auch nicht die Kontrollfunktion für das "Freitesten" übernehmen. "Sinnvoller wäre ein Positiv-Anreiz in Form von Einkaufsgutscheinen für alle, die sich freiwillig testen lassen", so Will. Der Verband drängt außerdem darauf, dass kontaktloses "Click & Collect" (online bestellen und dann persönlich abholen gehen, Anm.) im Falle eines dritten Lockdowns unbedingt erlaubt sein müsse.

Die Zeit nach Weihnachten ist für den Handel auch wirtschaftlich wichtig. "Das Weihnachtsgeschäft zwischen den Feiertagen ist von enormer Bedeutung, da Menschen Geld-, Gutschein- und Warengeschenke einlösen oder umtauschen", sagte Will.

Der Handelsverband ist ein Verein und die Interessensvertretung von über 4.000 Handelsbetrieben. Der Verband fordert von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in der Coronakrise auch eine bessere Informationspolitik. "Transparente Kommunikation ist die Basis für Planungssicherheit, sowohl für die Konsumenten als auch für die Händler. Was wir nicht brauchen können, sind vage Ankündigungen über etwaige Verschärfungen ohne entsprechend vorbereitete Verordnungen", sagte Handelsverbands-Geschäftsführer Will.

Sollte der dritte Lockdown heute fixiert werden, fordert der Handelsverband einen Umsatzersatz von jedenfalls 80 Prozent. Außerdem müssten auch indirekt betroffene Unternehmen entschädigt werden. Auch die Förderobergrenze von 800.000 Euro müsse auf jeden Fall dringend entfallen, um mittelständischen und großen Händler zu helfen.

APA

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Bildquelle: PavleMarjanovic / Shutterstock.com,Pawel Kazmierczak / Shutterstock.com
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