13.11.2014 12:06:30
|
Draghis Entschlossenheit gegen Weidmanns Vorsicht
Von Hans Bentzien
Eine Stunde nach dem Ende der November-Pressekonferenz von Präsident Mario Draghi am vergangenen Donnerstag schien klar: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat einen großen Schritt in Richtung des Ankaufs von Staatsanleihen gemacht. Eine Woche danach ist die Klarheit schon nicht mehr so groß. Denn so einmütig wie Draghi die internationale Presse glauben machen wollte, steht der EZB-Rat wohl doch nicht hinter den Bilanzausweitungsplänen des Italieners.
Zu spüren ist das an den Äußerungen von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Der sagte bei einer Veranstaltung in Passau, man müsse vorsichtig damit sein, die EZB mit der amerikanischen, britischen oder japanischen Zentralbank und deren Wertpapierankaufprogrammen zu vergleichen. Eben darauf aber wetten die Finanzmärkte derzeit: Dass die EZB wie andere große Zentralbanken auch Staatsanleihen kaufen wird.
Nicht, dass der EZB-Rat darüber schon abgestimmt hätte. Beschlossen hat er aber - zumindest nach überwiegender Lesart von Analysten - etwas, das am Ende zu Staatsanleihekäufen führen könnte: Die Vergrößerung der Zentralbankbilanz auf das Volumen von März 2012. Zwar "erwartet" der EZB-Rat laut Draghi, dass das mit den bereits beschlossenen Maßnahmen zu schaffen ist - weil aber kaum ein Analyst davon ausgeht, dass das für die angestrebte Bilanzvergrößerung tatsächlich ausreichen wird, sehen die meisten in diesem Beschluss schon eine Vorentscheidung für den Ankauf von Staatsanleihen.
Ein solcher Ankauf ist hoch umstritten. Bis jetzt hat die EZB nur den Kauf von Pfandbriefen und Kreditverbriefungen beschlossen sowie mehrere, bis zu vierjährige Refinanzierungsgeschäfte für Banken. Vor allem die Bundesbank sieht Staatsanleihekäufe sehr kritisch und würde sie dem Vernehmen nach gerne für den absoluten Notfall in der Hinterhand behalten.
Droht der absolute Notfall? Jens Weidmann sieht das nicht so. In Passau sagte er, die Wahrscheinlichkeit einer sich selbst antreibenden Spirale aus sinkenden Preisen und rückläufiger Nachfrage, auch Deflation genannt, sei "begrenzt". Aber warum hat er dann einem Bilanzziel zugestimmt?
Eine Erklärung dafür hat Weidmann kürzlich in Paris geliefert, als er Reportern - eigentlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit - erzählte, dass das Bilanzziel gar keines sei. Vielmehr "erwarte" die EZB einfach, dass die beschossenen Maßnahmen ausreichten, um auf die Größe von März 2012 zu kommen. Heraus kam die Sache nur, weil ein Bankanalyst sie in Unkenntnis der Abrede zwischen Weidmann und den Journalisten via Twitter öffentlich machte. Eine offizielle Bestätigung lehnte die Bundesbank ab.
Nach Angaben einer informierten Person stammt die Formulierung, die EZB "erwarte", dass die Bilanz auf besagte Größenordnung zunehmen, sogar von der Bundesbank selbst. Auf diese Weise habe man immerhin verhindern können, dass Draghi dem Rat tatsächlich ein explizites Ziel zur Beschlussfassung vorlegt.
Wie es aussieht, haben Analysten die Geschichte zumindest vorerst "gekauft". Dazu hat sicherlich auch die Art und Weise beigetragen, in der der EZB-Präsident sie kommunizierte und kommuniziert. Bei einer Rede in Rom betonte Draghi am Mittwoch im Gegensatz zu Weidmann nicht die Unterschiede zwischen Federal Reserve und EZB, sondern die Bereitschaft, im Notfall "mehr" zu tun.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@wsj.com
DJG/hab/apo
(END) Dow Jones Newswires
November 13, 2014 06:05 ET (11:05 GMT)
Copyright (c) 2014 Dow Jones & Company, Inc.- - 06 05 AM EST 11-13-14
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!