24.09.2015 23:04:42

Deutschland stockt Hilfe für Flüchtlinge auf - Neuausrichtung

BERLIN/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Mehr Geld, mehr Wohnungen, mehr Verantwortung: Der Bund greift Ländern und Kommunen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise mit Milliardenhilfen unter die Arme. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verständigte sich am Donnerstagabend mit den Ministerpräsidenten auf eine Neuausrichtung der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Auf europäischer Ebene verlangt Deutschland ein dauerhaftes Verfahren für die Verteilung von Flüchtlingen. Damit geht Merkel auf Konfrontationskurs zu den mittel- und osteuropäischen Staaten, die feste Quoten strikt ablehnen.

Die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr mit 800 000 Flüchtlingen, Länder und Kommunen mussten bisher den größten Teil der Kosten allein tragen. Der Bund will nun dauerhaft in die Finanzierung einsteigen. Wie Merkel nach dem Flüchtlingsgipfel in Berlin mitteilte, stockt der Bund seine Finanzhilfe für die Länder 2016 auf gut vier Milliarden Euro auf. In diesem Jahr sollen es zwei Milliarden Euro sein - doppelt soviel wie bisher zugesagt.

Konkret stellt der Bund den Ländern vom kommenden Jahr an eine Pauschale von 670 Euro pro Asylbewerber und Monat zur Verfügung, zudem 500 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau sowie weitere 350 Millionen Euro für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Albanien, Kosovo und Montenegro sollen als "sichere Herkunftsländer" eingestuft werden, in Erstaufnahmeeinrichtungen sollen Flüchtlinge möglichst nur noch Sachleistungen erhalten.

Seitdem die Kanzlerin am 2. September entschieden hatte, in Ungarn festsitzende Flüchtlinge einreisen zu lassen, sind allein in Bayern mehr als 135 000 Migranten eingetroffen. Deutschland, das zurzeit die meisten Flüchtlinge in Europa aufnimmt, pocht auf eine faire Verteilung innerhalb der EU. Die EU-Innenminister hatten am Dienstag gegen den Widerstand von Tschechien, Slowakei, Ungarn und Rumänien die Umverteilung von 120 000 Flüchtlingen beschlossen.

Die Staats- und Regierungschefs der EU einigten sich in der Nacht zum Donnerstag auf einem Sondergipfel in Brüssel darauf, Milliarden zur Krisenbekämpfung in die Hand zu nehmen. Mit diesem Kraftakt wollen die Europäer ihre gemeinsamen Außengrenzen besser sichern und schutzbedürftigen Menschen in Krisengebieten helfen.

Unter anderem soll die Hilfe für das Welternährungsprogramm und das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR um eine Milliarde Euro aufgestockt werden. Das soll vor allem Bürgerkriegsflüchtlingen in Lagern rund um Syrien zugutekommen. Dort gab es Engpässe, weil den Helfern Geld fehlte. In Italien und Griechenland sollen bis Ende November Registrierungszentren ("Hotspots") für Flüchtlinge eingerichtet werden, die in die EU kommen wollen.

Merkel bezeichnete die Flüchtlingskrise als "nationale, europäische und globale Kraftanstrengung". Die Kanzlerin mahnte am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag: "Wir haben jetzt einen ersten Schritt gesehen, aber wir sind noch lange nicht am Ende, da wo wir hinkommen müssen." Dafür müsse es konsequente Kontrollen an den EU-Außengrenzen geben, etwa in Italien, Griechenland und Bulgarien.

Zwischen dem EU-Mitglied Kroatien und dem Beitrittskandidaten Serbien ist inzwischen ein erbitterter Streit über den Umgang mit Flüchtlingen entbrannt. Nachdem Kroatien seine Grenzen gesperrt hatte, verbot Serbien am Donnerstag die Einfuhr kroatischer Waren. Zagreb antwortete mit einem Einreiseverbot für Pkw mit serbischen Kennzeichen. Hintergrund ist der Konflikt um fast 50 000 Flüchtlinge, die in der vergangenen Woche von Serbien an die Grenzen mit Kroatien gebracht wurden.

Ungarn begann am Donnerstag ohne Vorankündigung, auch an der Grenze zu Slowenien einen Zaun zur Abwehr von Flüchtlingen zu bauen. Nachdem das Land bereits die serbische Grenze mit einem Zaun abgeriegelt hat, kommen viele Flüchtlinge über den Umweg Kroatien nach Ungarn. Deshalb hatte Budapest bereits angekündigt, auch an der Grenze zu Kroatien einen Zaun zu errichten.

Die Regierung in Budapest verdoppelte am Donnerstag die Ausgaben für den Bau solcher Sperranlagen, indem sie weitere 110 Millionen Euro zur Verfügung stellte. Die ungarische Polizei registrierte am Mittwoch mehr als 10 000 neue Flüchtlinge und damit einen neuen Tagesrekord.

Der starke Zuzug von Flüchtlingen wird nach Experten-Einschätzung demnächst auch auf den Arbeitsmarkt in Deutschland durchschlagen. Für 2016 geht das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von rund 130 000 zusätzlichen arbeitslosen Flüchtlingen aus. Da wegen der guten Konjunktur aber viele eine Arbeit finden dürften, rechnet das IAB am Ende im Jahresschnitt 2016 nur mit etwa 70 000 Jobsuchern mehr als in diesem Jahr./wn/DP/he

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