Kommt es bald zum "Grexit"? 18.03.2015 17:32:00

Deutscher Finanzminister Schäuble sieht nur noch wenig Zeit für Griechenland

Zugleich pocht er auf die Erfüllung der Athener Zusagen als Voraussetzung für Mittel an Griechenland. Bei einer Pressekonferenz in Berlin sagte Schäuble, "dass die Zeit für Griechenland knapp wird, denn offensichtlich haben sie gewisse Schwierigkeiten". Die übrigen Euro-Staaten hätten "wieder und wieder" klar erklärt: "Griechenland hat die Chance, sich mit den Institutionen über die Erfüllung des laufenden Programms zu verständigen." Dies sei dann auch die Voraussetzung "für jede Verhandlung über ein etwaiges neues Programm", das Athen aber erklärtermaßen gar nicht wolle. "Debatten über eine Restrukturierung sind ohnedies obsolet", hob Schäuble hervor.

   Nach seiner jüngst harschen Kritik an Griechenland wollte der Finanzminister aber nicht einräumen, dass er mit seinen Äußerungen zu einer Verschärfung der Tonlage beiträgt. "Ich ziehe mir den Schuh nicht an, um es ganz ruhig zu sagen", erklärte er. "Ich kenne keine unhöfliche Äußerung von mir gegenüber irgendeinem griechischen Politiker."

   Bei den Sozialdemokraten ist nach Schäubles Kritik an Griechenland die Unzufriedenheit mit der Verhandlungsführung des 72-jährigen CDU-Politikers gegenüber Athen aber offenbar gewachsen. Spitzenpolitiker der SPD legten dem Finanzminister noch vor seiner Replik indirekt eine Mäßigung seines Tones nahe.

   "Ich kann uns allen nur empfehlen, wieder auf eine sachliche Ebene zurückzukommen", betonte SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht. Zwar stehe es ihr "nicht an, als Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion Herrn Schäuble aufzufordern", sagte sie auf eine entsprechende Frage von Journalisten. "Aber es ist wichtig, wieder auf eine sachliche Ebene zu kommen - von allen Seiten."

   Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Carsten Schneider übte Kritik an Schäuble. "Die permanente Provokation hilft überhaupt nicht", sagte Schneider, der vorige Woche mehrere Tage in Athen Gespräche mit dortigen Spitzenparlamentariern geführt hatte.

   Der Ton zwischen Berlin und Athen ist in den vergangenen Tagen immer schärfer geworden. Erst am Dienstag griff der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder Athens Finanzminister Yanis Varoufakis scharf an und sagte, es sei "nicht akzeptabel, dass ein Regierungsmitglied im deutschen Fernsehen so lügt".

   Schäuble übte bereits am Montagabend heftige Kritik an der griechischen Regierung. Die von Athen vorgeschlagene Politik werde nicht funktionieren, die griechische Regierung habe das Vertrauen komplett zerstört und belüge das griechische Volk, sagte er. Zuvor hatte die griechische Regierung wegen anderer Äußerungen Schäubles über ihren Botschafter offiziell Protest in Berlin erhoben.

   Der deutsche Finanzminister sprach daraufhin am Mittwoch aber von einem "offensichtlichen Übersetzungsunsinn" seiner Aussagen. Wenn er allerdings in den Debatten darauf hinweise, wie die Lage sei, "dann ist es nicht eine Verschärfung von Tonlage, sondern es ist eine einigermaßen vorsichtig sachgerechte Beschreibung".

   Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) versprach sich von einem Fünfer-Treffen zur Griechenland-Krise vor dem EU-Gipfel am Donnerstag eine Entspannung der Diskussion. "Meine Hoffnung ist, dass die Debatte rationalisiert wird", sagte er bei derselben Pressekonferenz wie Schäuble. Gleichwohl werde das Treffen in Brüssel "nicht die Lösung" für die Krise bringen.

   Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Dienstag in der Fraktion ebenfalls die Erwartungen an eine schnelle Lösung der Griechenland-Krise gedämpft. "Das sind schwierige Gespräche", wurde sie zitiert. Ein am Montag anstehendes Gespräch mit Tsipras in Berlin könne aber nicht die Bewertung durch die Troika der drei Geldgeber-Institutionen ersetzen.

   SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Lambrecht bekräftigte, grundsätzliches Ziel sei es, Griechenland in der Eurozone zu halten. "Aber das ist keine Einbahnstraße", betonte sie. "Es geht nicht um jeden Preis. ... Griechenland muss jetzt auch liefern", forderte Lambrecht. Der Frage, was geschehe, falls Athen nicht liefere, beantwortete sie nur vage: "Dann werden wir uns mit der Situation beschäftigen."

   Schneider betonte, nach seinem Eindruck aus den Gesprächen in Athen herrsche dort der Eindruck vor, "dass man ein drittes Hilfsprogramm braucht".

   Der Ökonom Marcel Fratzscher zeigte sich bereits "sicher, dass es ein drittes Programm geben wird". Die Größenordnung dürfte um die 30 Milliarden Euro liegen. Jedoch habe Griechenland ein ganz anderes Problem, denn dem Land fehle die Struktur für weltweit begehrte Produkte.

   Ausdrücklich warnte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vor den möglichen Folgen eines griechischen Ausscheidens aus dem Euro. "Ich wäre vorsichtig, einen Grexit als ungefährlich einzustufen", sagte Fratzscher zu Journalisten. "Die Auswirkungen über die Finanzkanäle sind schwer zu berechnen. Was passiert dann in Spanien und Italien?"

   (Mitarbeit: Christian Grimm)

   DJG/ank/kla

   Dow Jones Newswires

  

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)

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