Finanzhilfe 08.07.2022 22:16:00

Deutsche Regierung denkt über mehr als 30-Prozent-Beteiligung an Uniper nach - Uniper-Aktie unentschlossen

Deutsche Regierung denkt über mehr als 30-Prozent-Beteiligung an Uniper nach - Uniper-Aktie unentschlossen

Deutschlands strauchelnder Gasimporteur Uniper steht vor einer milliardenschweren Rettung durch den Bund. Nachdem der Bundesrat am Freitag die Novelle des Energiesicherungsgesetzes gebilligt hatte, stellte Uniper einen Antrag auf staatliche Stabilisierungsmaßnahmen. "Uniper erfährt tägliche Mittelabflüsse im mittleren zweistelligen Millionenbereich - eine Situation, die für uns nicht länger durchhaltbar ist", sagte der Firmenchef Klaus-Dieter Maubach vor Journalisten in Düsseldorf. Die Verhandlungen zwischen dem Bund, Uniper und dem finnischen Großaktionär Fortum gehen weiter. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sicherte Uniper Hilfe zu.

Uniper spielt eine zentrale Rolle für die deutsche Energieversorgung und beliefert mehr als hundert Stadtwerke und Industriefirmen. Der größte deutsche Gasimporteur steht nach der starken Drosselung russischer Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 schwer unter Druck. Die Firma muss teures Gas einkaufen, um Verträge mit seinen Kunden bedienen zu können. Bisher kann Uniper die Mehrkosten nicht an seine Kunden weitergeben, das ändert sich aller Voraussicht nach bald auf Grundlage der Gesetzesänderung.

Allerdings ist noch unklar, ob der Importeur die Mehrkosten an seine Kunden weiterreichen darf oder ob er über ein Umlagesystem, das die Allgemeinheit zahlt, mehr Geld bekommt und seine knappen Kassen etwas füllen kann.

Die Gaspreise für Verbraucher steigen schon seit langem. Diese Entwicklung dürfte sich bald aber beschleunigen, wenn die Importeure ihre Kosten weiterreichen können und im letzten Schritt auch die Verbraucher kräftig zur Kasse gebeten werden. Uniper-Chef Maubach sagte mit Blick auf die allgemeine Entwicklung am Gasmarkt: "Es kommt eine sehr, sehr große, hohe Preiswelle auf die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher zu."

Mit Blick auf die Preisentwicklung für die Endkunden warnte der Verbraucherzentrale Bundesverband vor explodierenden Preisen und forderte weitere Entlastungspakete für die Bürgerinnen und Bürger.

Der Uniper-Hauptaktionär Fortum, der rund 80 Prozent des Grundkapitals hält, schlug eine Restrukturierung Unipers vor - mit dem Ziel, eine Versorgungssicherheitsgesellschaft im Eigentum des Bundes zu gründen. Details hierzu wurden nicht bekannt.

Kanzler Scholz sowie Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) sicherten Uniper unterdessen staatliche Unterstützung zu. "Wir haben uns auf alle Fälle politisch entschieden, dass wir Uniper helfen werden. Darauf kann sich das Unternehmen, darauf kann sich die Belegschaft, aber darauf können sich auch alle in Deutschland verlassen, die wissen, dass das ein Unternehmen ist, das für die Versorgung großer Teile der Wirtschaft und vieler Verbraucherinnen und Verbraucher eine große Bedeutung hat", sagte Scholz in München nach einem Treffen mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft. Habeck betonte: "Wir werden nicht zulassen, dass ein systemrelevantes Unternehmen in Insolvenz geht und infolgedessen der globale Energiemarkt in Turbulenzen gerät." Die Bundesregierung werde die Option wählen, die für den deutschen Steuerzahler die beste und günstigste und für die Versorgungssicherheit die sicherste sei.

"Wir stehen nicht kurz vor einer Pleite", sagte Uniper-Chef Maubach in Düsseldorf und zeigte sich optimistisch, dass die Firma die derzeitige Schieflage dank der neuen gesetzlichen Möglichkeiten überwinden werde.

Eine Entscheidung für konkrete Maßnahmen der Bundesregierung bei Uniper gibt es noch nicht, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Ein milliardenschwerer Einstieg des Bundes Uniper über eine Beteiligung beim Eigenkapital sei möglich. Denkbar sei aber auch ein Mix mit der Möglichkeit, dass Uniper hohe Preissteigerungen beim Gaseinkauf an die Kunden weitergebe.

Die Probleme auf dem Gasmarkt könnten sich noch verschärfen. Am 11. Juli beginnen jährliche Wartungsarbeiten von Nord Stream 1, die in der Regel zehn Tage dauern. Die große Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht.

Um Gas einzusparen, soll auf Basis der Gesetzesnovelle weniger Gas zur Stromproduktion genutzt werden. Stattdessen sollen Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen, die gegenwärtig nur eingeschränkt verfügbar sind, vor der Stilllegung stehen oder sich in der Reserve befinden. Oberste Priorität für die Bundesregierung hat es, dass die Gasspeicher zum Winter hin voll sind. Laut Netzagentur liegen die aktuellen Füllstände der Speicher in Deutschland bei 63,2 Prozent.

Habeck sagte, das geänderte Energiesicherungsgesetz gebe der Bundesregierung weitreichende Möglichkeiten, um in Marktmechanismen einzugreifen, aber auch in die Gewohnheiten der Menschen. Er sprach von einem "scharfen Schwert", das nur mit Bedacht gezogen werden dürfe. Durch die nun beschlossenen gesetzlichen Änderungen kann die Bundesregierung außerdem - falls erforderlich - Maßnahmen zum Energiesparen verordnen.

Bundeskanzler Scholz sieht Deutschland aktuell nicht in einer Gas-Mangellage, wie er am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" sagte. Es sei auch "nicht ausgemacht", dass es dazu komme. "Es wäre nur völlig unverantwortlich, sie nicht als Möglichkeit in den Blick zu nehmen und sich darauf vorzubereiten", betonte der SPD-Politiker. Für den Fall, dass sie eintrete, bereite man sich beispielsweise auf eine priorisierte Energieverteilung vor. Scholz stellte den Bürgern weitere Entlastungen in Aussicht, sagte aber zugleich: "Wir werden nicht alle Preise runtersubventionieren können." Das könne kein Staat der Welt.

Im Bundesrat sagte Habeck, die Möglichkeit, Gaskraftwerke aus dem Markt zu drängen, damit mehr Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen, sei ein klimapolitischer Rückschritt. Dieser sei aber geboten, um den Gasverbrauch zu verringern. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte mit Blick auf klimaschädliche Kohlekraftwerke: "Dieser Punkt schmerzt natürlich sehr, aber wir sind in einer Notsituation. Wenn es brennt, fragt man ja auch nicht, woher das Löschwasser kommt, sondern löscht."

Das Wirtschaftsministerium hatte bereits deutlich gemacht, an einem früheren Kohleausstieg festhalten zu wollen. Die Ampel-Koalition strebt diesen bis 2030 an statt wie bisher spätestens 2038.

BMF sieht Uniper-Aufspaltung und staatlichen Einstieg kritisch - Presse

Das Bundesfinanzministerium hat laut einem Medienbericht Vorbehalte gegen die Idee angemeldet, den kriselnden Energieversorger Uniper aufzuspalten und das deutsche Gasgeschäft durch einen Einstieg des Bundes zu retten. Das berichtet das Handelsblatt mit Verweis auf Regierungskreise. Es sei bedenklich, die bisherigen Eigentümer von Uniper damit ohne eigenes Zutun von ihren Altlasten zu befreien, so der Bericht. Das Bundesfinanzministerium konnte nicht unmittelbar für eine Stellungnahme erreicht werden.

FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler sagte im Interview mit dem Handelsblatt: "Keinesfalls darf Unipers unverschuldete Notlage genutzt werden, um einen dauerhaft staatlichen Energiekonzern zu schaffen. Außerdem darf der staatliche Einfluss nicht missbraucht werden, um anderweitige energiepolitische Zielvorstellungen zu erreichen", sagte er der Zeitung.

Uniper-Mehrheitseigner Fortum hatte eine Restrukturierung des Konzerns mit dem Ziel der Gründung einer "Versorgungssicherheitsgesellschaft im Eigentum des Bundes" am Freitag offiziell vorgeschlagen.

Das Bundeswirtschaftsministerium soll dieser Lösung laut Handelsblatt grundsätzlich positiv gegenüberstehen, weil Uniper im Ausland noch Atom- und Kohlekraftwerke betreibt, die der Staat nicht unterstützen solle.

"Uniper hat in der Vergangenheit das Gasgeschäft und die Verbindungen mit Russland vorangetrieben", sagte Dieter Janecek, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen, dem Handelsblatt. "Jetzt sind wir in einer akuten Krisensituation mit toxischer Abhängigkeit von russischen Gasimporten, in der es für den Bund die günstigere Variante sein kann, die Sparte Erdgas von Uniper zu übernehmen und selbst zu steuern."

So reagiert die Uniper-Aktie

Die seit Monaten schwer gebeutelten Uniper-Aktien sind nach einer Vortageserholung am Freitag zunächst wieder unter Druck geraten. Die Uniper-Aktie verlor am Freitag im frühen XETRA-Handel zunächst über 5 Prozent, konnte dann aber ins Plus drehen. Zum Handelsschluss gewann sie 0,55 Prozent ab auf 10,92 Euro. Tags zuvor waren sie in einer Erholungsrally um gut 9 Prozent nach oben geschnellt.

Uniper steht weiter im Blick, weil am Montag ein regulärer wartungsbedingter Stillstand der Gas-Pipeline Nord Stream 1 beginnen soll. Die Befürchtung steht im Raum, dass sie nach der zehntägigen Wartung vielleicht dauerhaft abgeschaltet bleibt. Der Energiekonzern ist wegen der Gas-Knappheit und der starken Abhängigkeit von Lieferungen aus Russland in einer Schieflage, am Nachmittag ist eine Pressekonferenz anberaumt wegen der Auswirkungen des geänderten Energiesicherungsgesetzes und notwendigen nächsten Schritten.

Seit Mitte Juni schon erhält Uniper nach eigenen Angaben nur noch 40 Prozent der vertraglich zugesicherten Gasmengen der russischen GAZPROM und muss Ersatzmengen zu deutlich höheren Preisen am Markt beschaffen. Deshalb kassierte das Management kürzlich seine Jahresziele und bat bei der Bundesregierung um Hilfe. Wegen der finanziell prekären Lage des Konzerns zieht der Bund einem Pressebericht zufolge eine höhere Beteiligung an dem Kraftwerksbetreiber in Betracht als zuletzt noch gedacht. Die Rede sei von einem Anteil von mehr als 30 Prozent, berichtete das "Handelsblatt" unter Berufung auf Insider.

Eine mehr als 30-prozentige Staatsbeteiligung an dem Energieversorger, wie sie in dem "Handelsblatt"-Bericht als eine Option genannt werde, könnte ohne ein anschließendes Übernahmeangebot konstruiert werden und via staatlichen Garantien der Kreditbonität zugutekommen, schrieb Barclays-Analyst Peter Crampton. Die Ausrufung der nächsten Stufe des Regierungs-Notfallplans für die Gasversorgung hänge nun davon ab, ob und wie viel Gas Russland künftig über die Pipeline Nord Stream 1 liefern werde.

Nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine war der Aktienkurs wegen des umfangreichen Engagements des Unternehmens in Russland zunächst bis auf 16,05 Euro eingebrochen. Bis Ende Mai versuchte die Aktie, sich auf einem Niveau über 24 Euro zu stabilisieren. Von dort aus hat das Papier binnen eines Monats aber nochmals weit mehr als die Hälfte an Wert verloren. Seit dem Jahreswechsel beläuft sich das Minus derzeit auf rund 76 Prozent.

BERLIN/DÜSSELDORF (dpa-AFX) / BERLIN (Dow Jones)

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Bildquelle: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

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