15.03.2014 14:26:35
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Der Westen tut sich weiter schwer mit klarer Linie gegen Russland
Unter westlichen Politikern herrscht weiter Uneinigkeit über das weitere Vorgehen gegen Russland in der Krim-Krise. Während Großbritannien und Polen auf umgehende Strafmaßnahmen gegen Russland pochen, warnen deutsche Unionspolitiker vor Sanktionen. An diesem Sonntag sollen die Krim-Bewohner in einem Referendum über einen Anschluss an Russland entscheiden.
Der britische Außenminister William Hague hält für die Europäische Union nun den "Augenblick gekommen", härtere Strafmaßnahmen gegen Russland zu verhängen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow habe in dem Gespräch mit seinem US-Kollegen John Kerry am Freitag die Gelegenheit für eine diplomatische Lösung nicht genutzt und setze stattdessen seine Unterstützung für das "illegale Referendum" auf der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel fort.
Moskau befürwortet den Volksentscheid, bei dem die mehrheitlich russischsprachige Bevölkerung der Krim über den künftigen Status der autonomen Teilrepublik abstimmen soll. Das dürfte zur Angliederung der Krim an die Russische Föderation führen. Der Westen pocht dagegen auf die Zugehörigkeit der Halbinsel zur Ukraine.
Hague fügte hinzu, Großbritannien sei "zutiefst überzeugt", dass es beim EU-Außenministertreffen am Montag in Brüssel eine "entschiedene und einheitliche Antwort" der Europäischen Union geben müsse.
Während eines Besuchs der ukrainischen Umsturzregierung am vergangenen Montag in Kiew hatte Hague Moskau vor den Folgen einer russischen Einmischung gewarnt. Der russischen Regierung drohte er mit "erheblichen Kosten", sollte sie ihre Truppen auf der ukrainischen Halbinsel nicht zurückziehen. Hague zufolge gibt es eine "Bandbreite" möglicher Reaktionen.
Zuletzt hatte Bundesvizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel (SPD) den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Einlenken aufgefordert , andernfalls werde die nächste Stufe der Strafmaßnahmen beginnen. Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch in Warschau erklärt, wenn es seitens der russischen Seite "keine Änderungen" gebe, müsse die "Stufe zwei" der Sanktionen umgesetzt werden.
Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten sich auf ein abgestuftes Vorgehen gegen Russland geeinigt. In einer ersten Stufe wurden Gespräche über Visa-Erleichterungen und die Vorbereitungen des im russischen Sotschi geplanten Gipfels der G-8-Gruppe ausgesetzt. Als zweiter Schritt wurden Moskau Einreiseverbote und Kontensperrungen angedroht.
Polens Außenminister Radislaw Sikorski demonstrierte mit Blick auf Sanktionen gegen Russland Entschlossenheit. "Wir diskutieren verschiedene Optionen unter den EU-Mitgliedern und den USA", sagte er in einem am Montag erscheinenden Interview mit dem österreichischen Nachrichtenmagazin profil. "Wenn nichts in Richtung Deeskalation unternommen wird und das sogenannte Referendum diesen Sonntag auf der Krim wie angekündigt über die Bühne geht, dann werden wir am Montag beim Rat der Außenminister in Brüssel eine Liste von Sanktionen präsentieren."
Auch Finnland würde nach den Worten von Regierungschef Jyrki Katainen wirtschaftliche Sanktionen der EU gegen Moskau mittragen - trotz der starken wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Finnland und Russland. "Wenn es sein muss, werden wir das tun - Schritt für Schritt", sagte Katainen dem Tagesspiegel. Wirtschaftssanktionen und mögliche Gegenmaßnahmen Russlands würden "Finnland wahrscheinlich viel mehr als den Großteil der übrigen EU-Staaten" treffen, meinte Katainen.
Mehrere Unionspolitiker kritisierten dagegen die geplanten Sanktionen gegen Russland. "Wirtschaftssanktionen sind ein völlig ungeeignetes Element in der Außenpolitik", sagte der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wirtschaft, Peter Ramsauer (CSU), dem Nachrichtenmagazin Focus. Die Sanktionen würden Gegenmaßnahmen aus Moskau nach sich ziehen und beiden Seiten Schaden zufügen.
"Die Gelackmeiertsten wären wieder einmal wir Deutschen", fügte der frühere Verkehrsminister hinzu. Russland könne zudem damit rechnen, dass seine Handelswege zum Weltmarkt über das Nachbarland China offen blieben.
Ähnlich wie Ramsauer argumentierte der Vorsitzende der Union-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann. Besonders besorgt zeigte er sich über die Drohung Russlands, ausländische Firmen zu enteignen. "Ich kann nur hoffen, dass es sich hier um eine Drohgebärde handelt und Russland noch zur Einsicht kommt", sagte Linnemann der Neuen Osnabrücker Zeitung. Der deutsche Anlagen- und Maschinenbau, der in Russland mit Produktionsstätten stark vertreten sei, würde aus seiner Sicht am meisten leiden. Linnemann schloss "spürbare Eintrübungen" der Konjunktur durch die derzeitige Krise mit Russland nicht aus.
Der stellvertretende CSU-Chef Peter Gauweiler zeigte Verständnis für die Ansprüche Russlands auf die ukrainische Halbinsel Krim. "Jahrhundertelang war die Ukraine Teil Russlands, und ihre Geschichten waren verwoben", sagte Gauweiler der Augsburger Allgemeinen. "Wir sollten uns in dieser Situation vor jeder einseitigen Parteinahme zurückhalten." Den Sanktionskurs der EU kritisierte er ebenfalls. "Das amtliche Brüssel hat uns in eine Drohungseskalation gebracht." Solche Drohungen seien aber "kein Ersatz für einen politisch diplomatischen Weg aus der Krise, sondern erschweren ihn".
In der Ukraine selbst nehmen die Spannungen immer weiter zu. Bei einer Schießerei zwischen prorussischen Kräften und radikalen Nationalisten im ostukrainischen Charkiw sind in der Nacht zum Samstag mindestens zwei Menschen getötet worden. Neben einem Anhänger der prorussischen Seite sei auch ein Passant ums Leben gekommen, hieß es aus Polizeikreisen. Sechs weitere Menschen seien verletzt worden, darunter ein Polizist.
Ersten Erkenntnissen zufolge hätten die zunächst auf dem Swoboda-Platz von Charkiw versammelten prorussischen Kräfte am späten Freitagabend ein Gebäude des rivalisierenden Lagers zu stürmen versucht, nachdem von einem Auto aus auf gleichgesinnte Demonstranten geschossen worden sei, hieß es aus Polizeikreisen. Die Autoinsassen seien zu einem Gebäude verfolgt worden, aus dem heraus die Nationalisten wiederum Schüsse abgegeben hätten.
Offen blieb demnach, ob die prorussische Seite zurückfeuerte. Nach einem Polizeieinsatz und einer zwischenzeitlichen Geiselnahme hätten 30 Verdächtige in dem Gebäude die Waffen niedergelegt und seien festgenommen worden.
Der polnische Außenminister Sikorski, der gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Laurent Fabius und Frank-Walter Steinmeier das am 21. Februar dieses Jahres geschlossene Abkommen zwischen dem inzwischen abgesetzten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und der Opposition ausgehandelt hat, sagt, es sei der aktuellen Führung der Ukraine zu verdanken, dass es in dem Konflikt um die Krim bisher fast keine Opfer gegeben habe. Damit dies so bleibe, müsse die russische Führung "endlich mit der Regierung in Kiew reden".
Auf die Frage, was die EU der Ukraine nun anbieten müsse, sagte Sikorski im profil-Interview: "Wir reden jetzt nur von einem EU-Assoziierungsabkommen." Freihandel richte sich gegen niemanden. Das gelte auch für Russland.
Die ukrainische Übergangsregierung will zumindest den politischen Teil des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union am kommenden Freitag unterzeichnen. Der wirtschaftliche Abschnitt zum anvisierten Freihandelsabkommen werde "später" folgen, sagte Interimsministerpräsident Arseni Jazenjuk in einer am Samstag im ukrainischen Fernsehen ausgestrahlten Video-Botschaft. Darauf habe er sich mit EU-Ratspräsident Herman van Rompuy verständigt, fügte Jazenjuk hinzu, der am Freitag von einer politischen Rundreise durch Europa und die USA zurückgekehrt war.
Demnach soll die politische Kooperationsvereinbarung am Rande des Gipfels der Staats- und Regierungschefs der EU unterzeichnet werden, der am Donnerstag und Freitag kommender Woche in Brüssel stattfindet. Dem Vertragsbestandteil zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit hatte der gestürzte ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch Ende November trotz jahrelanger Vorbereitung seine Zustimmung verwehrt - und damit empörte Massenproteste proeuropäisch orientierter Ukrainer ausgelöst, die ihn letztlich das Amt kosteten. Gegner des Freihandelsabkommens hatten vor negativen Folgen für die ukrainische Wirtschaft gewarnt und stattdessen eine engere Anbindung an Russland befürwortet.
Vor dem Hintergrund der Krise um die Ukraine und die Krim wird US-Vizepräsident Joe Biden kommende Woche nach Polen und Litauen reisen. Wie das Weiße Haus am Freitag mitteilte, will Biden mit den Verbündeten über die Lage in der Region sprechen. Er werde mit ihnen außerdem über "Schritte zur Unterstützung der ukrainischen Souveränität und territorialen Unversehrtheit" beraten.
Bei seinem Besuch von Montag bis Mittwoch wird der Stellvertreter von US-Präsident Barack Obama den Angaben zufolge auch auf die "kollektiven Verteidigungsverpflichtungen" der NATO hinweisen sowie auf die "nachhaltige Unterstützung für alle unsere Verbündeten und Partner in Europa".
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Die russische Regierung hatte nach der Entmachtung des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch infolge blutiger Straßenschlachten in Kiew unter Beteiligung nationalistisch- rechtsextremer Kräfte in den Konflikt im Nachbarland eingegriffen. Die mehrheitlich russischsprachige Halbinsel Krim am Schwarzen Meer steht seit einem Militäreinsatz faktisch unter der Kontrolle Moskaus. Die Bevölkerung der autonomen ukrainischen Teilrepublik soll in einem Referendum über eine mögliche Angliederung an Russland entscheiden. Der Westen wirft der Regierung in Moskau vor, die Spaltung der Ukraine voranzutreiben.
Die USA beklagen zudem die "beispiellose Zensur" in Russland. "Die Vereinigten Staaten sind zutiefst beunruhigt über den rapide schrumpfenden Raum für unabhängige und freie Medien in Russland", sagte die stellvertretende Sprecherin des US-Außenministeriums, Marie Harf, in Reaktion auf die Sperrung von oppositionellen Internetseiten in Russland.
Vier der wichtigsten Internetseiten der Opposition waren am Donnerstag gesperrt worden. Der russischen Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor zufolge ist unter anderem der Blog des führenden Kreml-Kritikers Alexej Nawalny betroffen, der seit Februar unter Hausarrest steht. Wegen der Krim-Krise sind die Beziehungen zwischen Russland und den USA auf einem Tiefpunkt angelangt.
In Moskau haben am Samstag unterdessen mehrere zehntausend Menschen gegen die Einmischung Russlands in der Ukraine demonstriert. Rund 50.000 Demonstranten folgten nach Schätzungen von AFP-Reportern dem Aufruf einer Oppositionsgruppe zur der Kundgebung und trugen Spruchbänder mit Parolen wie "Lasst die Ukraine in Ruhe!" und "Nein zum Krieg!". Der Protestzug startete am Moskauer Puschkin-Platz und sammelte sich dann auf der Sacharow-Straße.
"Die Krim gehört zur Ukraine, selbst wenn die Mehrheit dort Russen sind. Sie müssen ihre Probleme mit dem Staat selbst lösen, Russland hat da nichts zu suchen", sagte eine ältere Demonstrantin. "Das ist ein Krieg, eine Besetzung, das ist für einen zivilisierten Staat nicht akzeptabel."
Zeitgleich demonstrierten mehrere tausend Menschen in der Nähe des Kreml und bekundeten ihre Unterstützung für die Politik von Staatschef Wladimir Putin. Zu der Gegenkundgebung hatten nationalistische Gruppierungen aufgerufen.
Russland hatte nach dem Umsturz in Kiew in den Konflikt im Nachbarland eingegriffen, offiziell aus "Verantwortung für das Leben seiner Landsleute". Inzwischen steht die mehrheitlich russischsprachige Halbinsel Krim am Schwarzen Meer faktisch unter der Kontrolle Moskaus.
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