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11.08.2013 18:29:58

"DER STANDARD"-Kommentar: "Süßlich seichte Slogans" von Gerald John

Die SPÖ und die Pensionen: Der Kanzler traut sich nicht, Klartext zu reden - Ausgabe vom 12.8.2013

Wien (ots) - Der Titel klang verheißungsvoll programmatisch. Eine "Rede an die ältere Generation" hatte Kanzler Werner Faymann für das Wochenende ankündigen lassen. Das roch nach Visionen, Grundsatzdebatten, großen Ideen - und nicht bloß nach Kaffee und Kuchen, wie sie für hinterher versprochen wurden. Dem Regierungschef bot der Auftritt in St. Pölten eine gute Gelegenheit, sein Image als inhaltlicher Flachwurzler zu entkräften. Statt die üblichen unverbindlichen Gelöbnisse aneinanderzureihen, hätte Faymann einen Weg skizzieren können, wie die Nation eine enorme Herausforderung bewältigen soll: die Sicherung gut dotierter Pensionen trotz steigender Lebenserwartung und matter Wirtschaftslage. Doch der SPÖ-Chef konnte nicht aus der Haut des Wahlkämpfers heraus. Er hat die Chance verpasst. Es geht nicht darum, in jene Panikmache einzustimmen, laut der das Pensionssystem knapp vor dem Kollaps stehe und nur durch beinharte Kürzungen zu retten sei - beides ist Unsinn. Natürlich stellt die wachsende Gruppe der Alten eine immer größere Last für den schrumpfenden Anteil der Erwerbstätigen dar, doch die Schieflage ist laut der Prognosen der Pensionskommission keinesfalls so dramatisch, als dass sie nicht einigermaßen ins Lot gebracht werden könnte. Dafür muss allerdings etwas geschehen: Die Österreicher dürfen nicht mehr so jung in Pension gehen, wie sie das im Schnitt bisher taten - sie werden ja auch immer älter. Nicht, dass die aktuelle Regierung dem Boom der Frührenten tatenlos zugesehen hat. Mit einer Reihe sinnvoller Reformen versucht sie, den Run in die Invaliditätspension und - spät, aber doch - auch in die unsägliche Hacklerfrühpension zu bremsen. Doch neue Regeln auf dem Papier sind nur die halbe Miete. Hehre Gebote wie Rehabilitation statt Ruhestand für angeschlagene Arbeitnehmer greifen nur dann, wenn die Akteure sie auch leben wollen, statt wieder nach Schlupflöchern zu suchen. Für diese Bewusstseinsbildung wäre gerade auch der Regierungschef zuständig. Wenn nicht einmal er Klartext spricht, wird der Kulturbruch kaum stattfinden. Faymann hätte seine Seniorenrede zum Beispiel für ein Plädoyer nutzen können: gegen die Unsitte, die Frühpension als Patentlösung für altersbedingte Probleme am Arbeitsplatz - Frust, Krankheit, Kostendruck, Qualifizierungsdefizite
zu missbrauchen. Er hätte Arbeitnehmer mahnen können, sich auf ein Berufsleben über das Alter von 60 Jahren hinaus einzustellen, und Unternehmen warnen, Bedienstete in den Fünfzigern - wie angesichts der Wirtschaftsflaute wieder besonders beliebt - auf Kosten der Allgemeinheit abzuservieren. Eine sozialdemokratische Vision hätte der Parteichef entwerfen können - einer Arbeitswelt, aus der ältere Menschen nicht ausgeschlossen sind. Faymann tat nichts davon. Statt die Probleme auch nur ansatzweise anzusprechen, verlor er sich in oberflächlichen Bekenntnissen zu sicheren Pensionen und eingeübte Klagen über "Superreiche, die immer reicher werden". Da fällt das Anecken leicht, da tritt man niemandem auf die Zehen, der einen wählen könnte. Zu Recht verbittet sich Faymann, dass Alt und Jung gegeneinander "aufgehetzt" werden. Doch derartiger Stimmungsmache muss ein Kanzler Substanzielleres entgegenhalten als Slogans, die so süßlich sind wie das nach seiner Rede servierte Gebäck.

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