01.09.2014 19:12:59
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DER STANDARD-Kommentar: "Rechnung ohne Brüsseler Wirt" von Andreas Schnauder
Wien (ots) - Fast könnte man den Eindruck gewinnen, mit Hans Jörg Schelling übernehme ein Wunderwuzzi das Finanzministerium. Managementfähigkeiten werden ihm ebenso attestiert wie ausreichende Politikerfahrung und harte Verhandlungsführung. Das ist insofern überraschend, als der Reformstau im Gesundheitssektor besonders groß und die angebliche Entschuldung der Krankenkassen, die sich Schelling auf seine Fahnen heftet, zu einem guten Teil auf hohe Geldinjektionen aus dem staatlichen Budget zurückzuführen ist.
So einfach, wie hunderte Millionen in Österreich verschoben und als Erfolge verkauft werden können, wird es der Minister künftig nicht mehr haben. Angespannt war der am Montag übernommene öffentliche Haushalt schon bisher, hinzu kommt die merkliche Konjunkturabkühlung, die über kurz oder lang auf die Steuereinnahmen drücken und die Ausgaben für Arbeitslose steigen lassen wird. Wenn in dieser Phase die Rufe nach Steuerentlastung und/oder Konjunkturankurbelung lauter werden, ist das zwar nicht verwunderlich. Mit dem existierenden Budgetpfad - das scheinen derzeit nicht nur Politiker, sondern auch die meisten Experten zu übersehen - sind die neuen Begehrlichkeiten jedenfalls nicht vereinbar.
Zur Erinnerung: Das heurige Budget war bereits kurz nach der Präsentation und noch vor Beschlussfassung im Parlament Makulatur. Ex-Finanzminister Michael Spindelegger musste noch Mitte Mai Nachbesserungen in Brüssel vorlegen. Zu ihnen zählten übrigens höhere Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen, Erlöse also, die von den schlechteren Wirtschaftsdaten aufgefressen werden. Notwendig wurde die Strafrunde, weil Österreichs Fahrplan gegen die - von Wien mitbeschlossenen - EU-Budgetvorgaben verstößt. Die Europäische Kommission verlangt das Erreichen des strukturellen Nulldefizits bereits im kommenden Jahr und nicht erst - wie von der Regierung beabsichtigt - 2016. Jede Entlastung oder zusätzliche Ausgabe zur Konjunkturstimulierung würde Österreich ein Verfahren einhandeln, an dessen Ende Bußgeldzahlungen stünden.
Nun kann man die Auflagen verteufeln, Faktum ist aber: Sie haben Rechtskraft. Und sie haben auch eine Berechtigung, weil nur ein enges Korsett den finanzpolitischen Schlendrian in diesem Land, insbesondere in Wahljahren, stoppen kann. Erst heuer mussten Bürger und Unternehmen wieder einmal erfahren, dass Ausgabengrenzen biegsam und der Preis für vermeintliche Geschenke hoch ist.
Daher muss Schelling schon ein glasklares Entschlackungsprogramm samt exaktem Einsparungsziel vorlegen, will er tatsächlich Geld unters Volk bringen und die Rechnung nicht ohne EU-Wirt machen. Da könnte ihm vielleicht sein Amtskollege Wolfgang Schäuble ein paar Tipps geben: Deutschland hat soeben einen Haushaltsüberschuss im ersten Halbjahr verbucht, und das bei deutlich geringeren Abgaben als in Österreich. Die wären auch hierzulande erstrebenswert, sind aber nur realistisch, wenn bei Gesundheit, Pensionen, Subventionen, Verwaltung und Föderalismus echte Umwälzungen beschlossen werden. Schelling kann dafür nur die richtigen Konzepte vorlegen.
Ob diese in der ÖVP und in der Koalition konsensfähig sind, das ist die entscheidende Frage. Bisher waren sie es nicht. Das lag keinesfalls nur an Spindelegger, sondern an der Reformunfähigkeit zweier Apparate.
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