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21.04.2013 18:23:58

DER STANDARD-Kommentar "Prügelei in der Sandkiste" von Gianluca Wallisch

"Italiens Politiker weigern sich, die Probleme des Landes zu ernst zu nehmen" - Ausgabe 22.4.2013

wien (ots) - Giorgio Napolitano gebührt Respekt. In einem Alter, in dem neuerdings sogar Päpste zurücktreten, weil sie es sich nicht mehr zutrauen, die Bürde ihres Amtes weiterhin zu schultern, lässt sich der greise Staatsmann überreden, für eine zweite siebenjährige Amtszeit zu kandidieren und Italien zu so etwas wie einer Regierung zu verhelfen. Aus Jux, Tollerei oder gar Machtgier handelt Napolitano dabei sicher nicht. Es kann kein Spaß sein, als bald 88-Jähriger eine Prügelei schlichten zu müssen, in der sich durchaus erwachsene Männer seit Wochen die Nase blutig schlagen und doch keinen Millimeter weichen. Da hält der 76-jährige Silvio Berlusconi den Jungspund Pier Luigi Bersani, 61, eisern im Schwitzkasten, lächelt eiskalt, lässt sich anfeuern und denkt nicht daran loszulassen. Hie und da fährt Beppe Grillo, 64, dazwischen, brüllt wie besessen, tritt auf die am Boden Liegenden ein und kann nur mit Mühe zurückgehalten werden, die Lage noch zusätzlich zu verschlimmern. Lustig? Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. In Italien sind gerade wieder Millionen von Wählern bitter enttäuscht. Wenn man sich im Land umhört, mit den Leuten spricht, Blogs liest und Facebook- und Twitter-Einträge studiert, so glaubten viele bis vor kurzem daran, dass sich diesmal etwas ändert, aber wirklich. Zu absurd erschien vielen der Gedanke, dass die Politikerkaste aus den politischen Katastrophen der vergangenen Jahrzehnte noch immer nichts gelernt hat. Doch die Parlamentswahlen vor zwei Monaten - aus denen noch immer keine Regierung hervorgegangen ist, deren Zustandekommen mehr denn je vom Verhandlungsgeschick des alten neuen Staatspräsidenten abhängig ist
haben die Italiener wieder einmal auf den Boden der Realität geholt. Es gibt kein neues Zeitalter und keinen neuen Stil in der Politik. Keine Besinnung darauf, dass es eigentlich ein Wunder ist, dass man von der EU noch immer in Ruhe gelassen wird trotz exorbitant hoher und brandgefährlicher Verschuldungsquote. Alles wie gehabt. Jene, die schon vor der Wahl überzeugt waren, dass es keinen anderen Ausweg aus der Misere geben kann als einen kompletten Neustart des Landes, wählten Beppe Grillo und seine Protestbewegung. Doch auch der ehemalige Kabarettist weiß nicht wirklich, wohin die Reise gehen soll. Er überspielt seine Konzeptlosigkeit mit Fundamentalopposition. Tatsächliche Expertise haben er und seine Mitstreiter bisher vermissen lassen. Immerhin hat der Zornbinkel kürzlich erstmals signalisiert, dass er mit sich reden lassen könnte - freilich zu Bedingungen, auf die die "alten" Politiker nie im Leben eingehen würden. Italien wird noch lange warten müssen auf eine "neue" Politik im Sinne pragmatisch-lösungsorientierten Handelns. Solange die Absicherung des eigenen Machtgefüges einzige Priorität zu sein scheint, wird es mehr bedürfen als einer bloß jüngeren Generation von Politikern, die etwa in der Person von Matteo Renzi schon auf sich aufmerksam machen. Der smarte Jungpolitiker, denn in Italien gilt man mit 38 noch fast als Lehrling in dieser Profession, mag zwar der Mann der Zukunft sein - doch sein Handwerk hat er in denselben Kadern gelernt, aus denen schon bisher alle führenden Politiker des Landes kamen. Immerhin, er könnte zumindest Berlusconi in den Griff kriegen. Renzi ist nämlich angeblich der Einzige, vor dem sich der Cavaliere fürchtet.

Rückfragehinweis: Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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