Entscheidung 20.03.2023 21:01:00

Credit Suisse-Aktie im freien Fall: Credit Suisse wird von UBS übernommen - Bankaktien weiter unter Druck - Finanzwende sieht nach Übernahme Verschärfung des Problems

Credit Suisse-Aktie im freien Fall: Credit Suisse wird von UBS übernommen - Bankaktien weiter unter Druck - Finanzwende sieht nach Übernahme Verschärfung des Problems

Es sei ein "historischer, trauriger und herausfordernder Tag" gewesen. Mit diesen Worten beschrieb der Präsident des Verwaltungsrats der Credit Suisse, Axel Lehmann, das Ende im dramatischen Ringen um die Zukunft des schwer angeschlagenen Schweizer Bankhauses. Nach einem mehrtägigen Verhandlungsmarathon stand die Lösung fest, die der Schweizer Bundespräsident Alain Berset am Sonntagabend erleichtert als "solide" feierte: Die UBS übernimmt die Credit Suisse für drei Milliarden Franken (gut 3 Mrd Euro). Die Rettung wurde weltweit von Notenbanken mit Erleichterung aufgenommen.

"Dies ist eine Notfallrettung", sagte der Verwaltungsratspräsident der UBS Group, Colm Kelleher. Die Vertrauenskrise, die der Credit Suisse zum Verhängnis wurde, hätte bei einem Crash der Bank auch international gestrahlt, zeigte sich die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter überzeugt. "Das hätte mit ziemlicher Sicherheit eine Finanzkrise ausgelöst", sagte die Ministerin.

Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS ist die bedeutendste Bankenfusion in Europa seit der Finanzkrise vor 15 Jahren. Mit dem Deal wird die UBS ein Mammutinstitut, das größer sein wird als die Deutsche Bank. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) unterstützt die Übernahme mit einer Liquiditätshilfe von 100 Milliarden Franken (rund 101 Mrd Euro) an beide Banken. Um Risiken für die UBS zu reduzieren, spreche der Bund der UBS zudem eine Garantie im Umfang von 9 Milliarden Franken zur Übernahme von potenziellen Verlusten aus, hieß es. Mit den Maßnahmen werde sichergestellt, dass die SNB der Credit Suisse im Bedarfsfall umfassend Liquidität bereitstellen könne.

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, betonte, die Maßnahmen seien "entscheidend für die Wiederherstellung geordneter Marktbedingungen und die Gewährleistung der Finanzstabilität". Der Bankensektor im Euroraum sei widerstandsfähig und verfüge über eine starke Kapital- und Liquiditätsausstattung. Der Chef der US-Notenbank, Jerome Powell, und US-Finanzministerin Janet Yellen sprachen von einem Schritt zur Stützung der Finanzstabilität. Auch die Bank of England begrüßte das "umfassende Maßnahmenpaket, das die Schweizer Behörden zur Unterstützung der Finanzstabilität vorgestellt haben". Das britische Bankensystem sei gut kapitalisiert und finanziert und bleibe sicher und solide.

Die Schweizer Regierung in Bern stand unter erheblichem Druck, die Lage zu stabilisieren und die Credit Suisse zu stützen. Denn Credit Suisse ist einer der weltweit größten Vermögensverwalter und gehört zu den 30 global systemrelevanten Banken, deren Ausfall das internationale Finanzsystem erschüttern würde.

Bundespräsident Berset sagte, "der Bundesrat ist überzeugt, dass die Übernahme die beste Lösung ist, um das Vertrauen wiederherzustellen". Credit Suisse habe Vertrauen der Kunden verloren, Liquidität habe gewährleistet werden müssen. Deshalb habe die SNB einen Kredit zur Verfügung gestellt. Die Transaktion sei wichtig für die Stabilität des schweizerischen Finanzplatzes. Eine rasche stabilisierende Lösung sei unabdingbar gewesen. SNB-Präsident Thomas Jordan betonte, die Reputation sei für die Volkswirtschaft der Schweiz zentral. Die Übernahme wird nach Aussage der Finanzmarktaufsicht (Finma) nicht an wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen scheitern.

Finanzministerin Keller-Suter sagte, der Bund habe die Garantie von 9 Milliarden Franken gegeben, um Risiken der Credit Suisse abzufangen. "Die Steuerzahler haben nur geringes Risiko" - jedes andere Szenario hätte mehr Kosten verursacht. Man habe einen privaten Partner und eine solide Bank, die die Credit Suisse übernehme. Es handele sich nicht um eine staatliche Rettung, betonte die Ministerin. Der Bund habe lediglich eine Garantie übernommen.

Die Credit Suisse hatte zuletzt unter erheblichem Vertrauensverlust der Anleger gelitten. Der Aktienkurs war auf ein Rekordtief gefallen, nachdem der größte Investor der Bank die Bereitstellung von weiterem Kapital ausgeschlossen hatte und das Institut weiter mit Geldabflüssen zu kämpfen hatte.

Durch den Zusammenschluss soll laut UBS ein Unternehmen mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 5 Billionen US-Dollar entstehen. UBS-Verwaltungsratchef Kelleher sagte, diese Übernahme sei für die UBS-Aktionäre attraktiv. "Aber was die Credit Suisse betrifft, so handelt es sich um eine Notlösung." Den Kaufpreis bezahlt die UBS in eigenen Aktien, er entspricht einem Preis von 0,76 Franken je Credit-Suisse-Anteilsschein.

Die Bilanzsumme der UBS mit mehr als 72 000 Beschäftigten belief sich 2022 auf umgerechnet 1 030 Milliarden Euro, die der Credit Suisse mit gut 50.000 Beschäftigten auf umgerechnet 535,44 Milliarden Euro. Die UBS hatte 2022 einen Gewinn von 7,6 Milliarden Dollar (aktuell 7,07 Mrd Euro) erwirtschaftet. Credit Suisse wies dagegen einen Verlust von 7,3 Milliarden Franken (7,4 Mrd Euro) aus.

BofA hebt UBS auf "Buy" - Sieht beträchliches Synergiepotenzial

Die US-Investmentbank Bank of America (BofA) hat UBS angesichts der Notfall-Übernahme der Credit Suisse von "Neutral" auf "Buy" hochgestuft und das Kursziel von 21 auf 23 Franken angehoben. Die Logik hinter dem Deal sei klar, denn die beiden Schweizer Banken seien die engsten Wettbewerber, schrieb Analyst Alastair Ryan in einer am Montag vorliegenden Studie. Allein schon wegen der räumlichen Nähe seien die Kostensynergien beträchtlich.

Weitere Bankaktien zeitweise unter Druck

Nach der "Notfallrettung" der schwer angeschlagenen Credit Suisse durch die UBS geht es für europäische Banken und Versicherer am Montag erneut abwärts. Den Begriff "Notfallrettung" hatte der UBS-Verwaltungsratspräsident benutzt. Zudem erhöhten sechs große Notenbanken ihre Schlagzahl zur Versorgung des Finanzsystems mit Dollar-Liquidität. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, betonte, die Maßnahmen seien "entscheidend für die Wiederherstellung geordneter Marktbedingungen und die Gewährleistung der Finanzstabilität".

Die Anleger sorgen sich inzwischen vor allem um das Engagement von Banken und Versicherern in Anleihen der Credit Suisse. Bei nachrangigen Anleihen, sogenannten AT1-Bonds, kommt es zu einem Zahlungsausfall. Die Deutsche Bank erklärte inzwischen, dass man "nahezu null" in diesen Papieren investiert sei.

Der Index der europäischen Bankenbranche, der Stoxx Europe 600 Banks, war in der Vorwoche bereits um 11,5 Prozent eingebrochen im Zuge der Krise der US-Regionalbanken und der Verunsicherung hinsichtlich der Zukunft der Credit Suisse. Anfang des Monats hatte er in der Zinswende noch das höchste Niveau seit 2018 erklommen, bevor ihn die Krise der US-Regionalbanken und die Sorge um die Credit Suisse um insgesamt fast 18 Prozent zurückwarfen. Der Index der Versicherer war in der Vorwoche um mehr als 9 Prozent abgesackt.

Finanzwende: Zusammenschluss von UBS und CS verschärft Problem

Der Zusammenschluss der Schweizer Banken UBS und Credit Suisse verschärft nach Ansicht der Organisation Finanzwende das "Too-Big-To-Fail-Problem". Nötig seien vielmehr weitreichende Finanzmarktreformen, damit die jüngsten Turbulenzen in der Schweiz und auch in den USA sich nicht verschärften.

Zuvor hatte die UBS die angeschlagene Credit Suisse für 3 Milliarden Franken übernommen und die Schweizer Nationalbank 100 Milliarden Franken an Liquiditätshilfe für beide Banken bereitgestellt.

"Diese Rettung schafft neue Probleme. 2008 hat uns eigentlich gelehrt, dass wir keine zu großen Banken haben sollten. Mit dieser Fusion zweier Banken, die schon zuvor systemrelevant waren, erhalten wir einen noch größeren Akteur, der erst recht nicht pleitegehen darf", sagte der Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, Gerhard Schick. Diese Lösung sei daher nicht nachhaltig und verschärfe das Problem nur noch.

Insgesamt sei das Scheitern der Credit Suisse Weckruf, endlich wichtige Finanzmarktreformen durchzusetzen, so Schick. Nötig seien viel höhere Kapitalpuffer bei Banken, eine europäische Abwicklungs- und Einlagensicherungsbehörde mit deutlich mehr Befugnissen und eine Trennung von Geschäftsbanken und Investment Banking, damit man nicht ständig in diese Notsituationen gerate. Auch Deutschland müsse handeln.

"Wir müssen aufhören, uns einzureden, dass die Vorgänge in den USA und der Schweiz hierzulande undenkbar wären - das stimmt einfach nicht. Wir brauchen konkrete politische Maßnahmen statt vager Beschwichtigungen", sagte Schick.

Regierungsberater warnt nach Credit Suisse vor Bank-Run-Szenarien

Der Ökonom Jens Südekum, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums, hat nach der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS-Bank vor Bank-Run-Szenarien in Deutschland gewarnt. Im Interview mit der Bild-Zeitung sagte er zudem, dass die unbegrenzte staatliche Sicherung in den USA nach den Turbulenzen bei der Silicon Valley Bank von Banken als Freibrief zum Zocken ausgelegt werden könnte.

Südekum sagte, bei einer "Bank-Run-Panik" wie bei Credit Suisse könnte es auch für deutsche Banken eng werden. Bei nervöser Marktlage bestehe diese Gefahr. "Sollte in Deutschland eine große Bank in Schieflage geraten, würde aber die EZB parat stehen, um die Liquidität abzusichern." Problematisch seien auch die Zinsen: "Wenn etwa bei Baufinanzierern Kredite platzen, weil kein Geld für die erhöhten Zinsen da ist, müsste eine Rettungsaktion her", sagte der Düsseldorfer Ökonom.

Mit Blick auf die Frage, ob es zu einer neuen Finanzkrise kommen könnte, sagte Südekum, dass es die Ansteckungseffekte wie 2008 nicht mehr gebe. Die Eigenkapitalquoten seien besser, es gebe keine faulen Kredite. Die nicht gesicherten Einlagen bei der Silicon Valley Bank seien riesig gewesen. Auch bei Credit Suisse sei es "sicher kein Zufall" gewesen, dass die Probleme genau jetzt aufgetaucht seien.

Südekum sagte aber auch, dass in den USA die Sicherungsgrenze für Einlagen bei 250.000 Dollar liege. "Bei der Rettung wurde eine unbegrenzte Sicherung ausgerufen. Das bringt die Stabilität ins Wanken. Wenn sich das rumspricht, haben Banken einen Freibrief fürs Zocken", sagte Südekum.

Deutsches Bundesfinanzministerium begrüßt schnelle Reaktion der Schweizer Behörden

Das Bundesfinanzministerium hat sich nach der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS hinter den Schritt der Behörden in der Schweiz gestellt und die Stabilität des deutschen Finanzsystems unterstrichen. "Wir begrüßen die schnelle Reaktion und die Maßnahmen der zuständigen schweizerischen Behörden", erklärte eine Sprecherin des Ministeriums in einer schriftlichen Stellungnahme. Diese dienten dazu, geordnete Marktkonditionen wiederherzustellen und Finanzstabilität zu gewährleisten.

"Das deutsche Finanzsystem ist stabil", betonte sie. Die deutschen Aufsichtsbehörden und die europäische Finanzaufsicht stehen in engem Kontakt und beobachten die Lage aufmerksam und sorgfältig."

Die Aktie der Credit Suisse verlor im Handel in Zürich zuletzt 55,74 Prozent auf 0,82 CHF. Für die UBS-Aktie ging es zuletzt 1,26 Prozent auf 17,32 CHF nach oben.

ZÜRICH/BERN (dpa-AFX) und FRANKFURT (dpa-AFX Broker)

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Bildquelle: Pincasso / Shutterstock.com

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