Ziel verfehlt |
17.01.2023 12:37:00
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Chinas Wirtschaftswachstum schwächte sich 2022 auf drei Prozent ab - Abnahme der Bevölkerungsstärke
Die Regierung hatte für 2022 ein Ziel von rund 5,5 Prozent angestrebt, was demnach nicht erreicht wurde. 2021 war Chinas Wirtschaft noch um 8,4 Prozent gewachsen. Ökonomen hatten zuletzt mit einem noch schwächeren Wachstum gerechnet. So prognostizierte die Weltbank ein Jahreswachstum von lediglich 2,7 Prozent für die chinesische Wirtschaft.
Besonders die strikte Null-Covid-Strategie mit Lockdowns und anderen Beschränkungen bremste die Wirtschaft im vorigen Jahr. Doch leidet China zugleich auch unter einer schweren Immobilienkrise, hoher Verschuldung und schwacher heimischer Nachfrage.
Am 7. Dezember vollzog die Führung in Peking eine abrupte Kehrtwende und schaffte nach gut drei Jahren die meisten Corona-Maßnahmen ab. Das Coronavirus breitet sich seitdem rasant im Land aus, was sich nun ebenfalls negativ auf die Wirtschaftstätigkeit auswirkt.
Viele Metropolen glichen im Dezember Geisterstädten, da die Menschen wegen Erkrankungen oder aus Angst vor einer Infektion nicht vor die Tür gingen. Mittlerweile normalisiert sich das Leben zwar wieder. Doch gibt es weiterhin Berichte über überlastete Krankenhäuser und Krematorien. Die staatliche Gesundheitskommission gab die Zahl der Corona-Opfer seit Anfang Dezember zuletzt mit rund 60 000 an. Hochrechnungen internationaler Experten gehen jedoch von deutlich höheren Zahlen aus. Nach Schätzungen des in London ansässigen Datenverarbeiters Airfinity soll es seit Anfang Dezember schon über 400 000 Tote gegeben haben. Bis Ende April könnte die Zahl der Corona-Toten demnach auf 1,7 Millionen anwachsen.
Deutsche Unternehmen hoffen darauf, dass sich Chinas Wirtschaft in diesem Jahr erholen wird. "Chinas jüngste Abkehr von der Null-Covid-Politik ist eine begrüßenswerte Entwicklung und wird mittel- und langfristig zur Wiederherstellung des Geschäftsvertrauens beitragen", sagte Jens Hildebrandt, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer (AHK) in Peking. "Ab dem zweiten oder dritten Quartal erwarten viele Unternehmen eine positivere Entwicklung für Ihr Geschäft." Dies sei allerdings abhängig vom Vertrauen der Konsumenten, was in den vergangenen Jahren gelitten habe.
"Auch wenn nun hohe Hoffnungen auf eine schnelle Erholung gerichtet sind, ist die chinesische Wirtschaft noch weit von einer Normalisierung entfernt", warnt Ökonom Max Zenglein vom China-Institut Merics in Berlin vor zu hohen Erwartungen. "Ein Selbstläufer" werde der Aufschwung nicht.
Auch langfristig steht die chinesische Wirtschaft vor großen Herausforderungen, wie am Dienstag vorgelegte Zahlen des Pekinger Statistikamtes zur Bevölkerungsentwicklung unterstrichen. Chinas Bevölkerung ist im vergangenen Jahr erstmals seit sechs Jahrzehnten geschrumpft. Ende Dezember habe das bevölkerungsreichste Land der Welt 1,411 Milliarden Einwohner gehabt und damit rund 850 000 weniger als ein Jahr zuvor. Experten sprechen von einem "Wendepunkt" in Chinas Geschichte und warnen vor verheerenden Folgen einer "unvorstellbaren" Bevölkerungskrise.
"Chinas demografische und wirtschaftliche Aussichten sind düsterer als erwartet", meint der US-Sozialwissenschaftler Yi Fuxian von der Universität von Wisconsin. "China wird eine Schrumpfung durchlaufen müssen." Auch müsse es seine Sozial- und Wirtschaftspolitik ändern. Auf den Überschuss an Werktätigen, der Chinas Wirtschaftswunder als "Werkbank der Welt" angekurbelt hatte, folgt jetzt Arbeitskräftemangel: "Chinas Produktionssektor wird unterbesetzt und überaltern - und so schnell abnehmen wie der Japans", so Yi Fuxian.
Die Außenhandel mit China ist für Deutschland weiterhin von zentraler Bedeutung. Jedoch geraten die Handelsbeziehungen immer weiter aus der Balance, wie aus einer am Dienstag veröffentlichten Auswertung der Agentur Germany Trade and Invest (GTAI) hervorgeht. Während die Exporte nach China im vergangenen Jahr bis November nur noch langsam wuchsen, nahmen, auf der anderen Seite die Einfuhren aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt rasant zu. "Damit steigt die Abhängigkeit von China und das Handelsbilanzdefizit steuert auf einen Negativrekord zu", hieß es.
Chinas Bevölkerung nimmt erstmals seit 1961 ab
Chinas Bevölkerung ist im vergangenen Jahr erstmals seit sechs Jahrzehnten geschrumpft. Ende Dezember habe das bevölkerungsreichste Land der Welt 1,411 Milliarden Einwohner gehabt und damit rund 850 000 weniger als ein Jahr zuvor, teilte das Statistikamt in Peking am Dienstag mit. Experten sprechen von einem "Wendepunkt" in Chinas Geschichte und warnen vor verheerenden Folgen einer "unvorstellbaren" Bevölkerungskrise.
"Chinas demografische und wirtschaftliche Aussichten sind düsterer als erwartet", meint der US-Sozialwissenschaftler Yi Fuxian von der Universität von Wisconsin. "China wird eine Schrumpfung durchlaufen müssen." Auch müsse es seine Sozial- und Wirtschaftspolitik ändern. Auf den Überschuss an Werktätigen, der Chinas Wirtschaftswunder als "Werkbank der Welt" angekurbelt hatte, folgt jetzt Arbeitskräftemangel im herstellenden Gewerbe: "Chinas Produktionssektor wird unterbesetzt und überaltern - und so schnell abnehmen wie der Japans", so Yi Fuxian.
Es war der erste Bevölkerungsrückgang seit 1960 und 1961, berichtete das Statistikamt, ohne die Zahlen gesondert zu kommentieren. Damals waren in den verheerenden Hungersnöten als Folge der irregeleiteten Industrialisierungskampagne des "Großen Sprungs nach vorn" von Mao Tsetung viele Millionen Menschen ums Leben gekommen.
Die Geburtenrate lag im vergangen Jahr nur noch bei 6,77 Neugeborenen auf 1000 Menschen - ein historischer Tiefpunkt. Erstmals in der Geschichte der Volksrepublik lag die Zahl der Geburten unter 10 Millionen. Nur 9,56 Millionen Babys wurden geboren, während 10,41 Millionen Menschen gestorben sind, wie das Statistikamt berichtete. Die Sterberate habe bei 7,37 auf 1000 Menschen gelegen. Damit ergebe sich ein Bevölkerungswachstum von minus 0,6 auf 1000 Menschen.
Der unabhängige Forscher Yi Fuxian, der seit langem die chinesische Bevölkerungsentwicklung kritisch verfolgt, hält auch die jetzigen Zahlen unverändert für geschönt. Nach seinen Berechnungen schrumpft die chinesische Bevölkerung sogar schon seit vier Jahren. Immerhin sieht er ein offizielles Eingeständnis, dass der Rückgang rund zehn Jahre früher eingetreten ist als bisher von der Regierung vorhergesagt. Anders als bei den Hungersnöten 1960 und 1961 sei der Trend jetzt allerdings "unumkehrbar", meint Yi Fuxian.
Unaufhaltsam gehen seit Jahren die Geburten zurück, während die Gesellschaft überaltert. Die Auswirkungen der seit 1979 verfolgten "Ein-Kind-Politik" werden immer spürbarer. Die Aufhebung der umstrittenen Geburtenkontrolle führte 2016 nur kurzzeitig zu einem leichten Anstieg der Geburten. Nur ein Kind zu haben, ist in China heute die soziale Norm. Zwei Generationen haben es nie anders erlebt, so dass es tief in der Gesellschaft verankert ist.
Daneben sehen Experten die hohen Kosten für Wohnraum, Bildung und Gesundheitsversorgung in China sowie die schwindende Bereitschaft zur Heirat als wesentliche Gründe für die beunruhigende Entwicklung. Die seit drei Jahren andauernde Corona-Pandemie und hohe Arbeitslosigkeit gerade unter jungen Menschen schufen weitere Unsicherheiten, die den Trend noch beschleunigt haben dürften. Knapp jeder fünfte junge Mensch zwischen 16 und 24 Jahren ist in Chinas Städten ohne Job, auch wenn viele von ihnen auf Hochschulen gegangen sind.
Als Reaktion auf den Geburtenrückgang und die rapide Überalterung wurden 2021 auch drei Kinder erlaubt. Außerdem bemüht sich die Regierung seither, es jungen Paaren leichter zu machen, für Kinder zu sorgen. Die Kosten für Kindergärten und Schulbildung wurden gesenkt. Finanzhilfen wurden gewährt, Mutterschafts- und Elternurlaub erleichtert. Viele Frauen befürchten, dass sich eine Mutterschaft negativ auf ihre berufliche Karriere auswirkt.
Die Folgen der Bevölkerungskrise für die zweitgrößte Volkswirtschaft sind enorm. Schon länger müssen immer weniger Werktätige immer mehr alte Leute versorgen. Jeder fünfte Chinese ist heute älter als 60 Jahre. Unterstützten 2020 fünf Beschäftigte zwischen 20 und 64 Jahren einen älteren Menschen über 65 Jahre, werden es 2050 nur noch 1,5 Arbeitnehmer sein. "Ohne soziales Netz, ohne die Sicherheit der Familie wird sich eine Rentenkrise zu einer humanitären Katastrophe entwickeln", warnt Forscher Yi Fuxian.
PEKING (dpa-AFX)
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