20.06.2017 22:37:56
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Börsen-Zeitung: Wahnsinn mit Methode, Kommentar zu Argentiniens Bondmarktauftritt von Christopher Kalbhenn
Argentinien ist erst das vierte Land, das eine Hundertjährige emittiert hat. Die Investoren überschütteten das Land bei einem Volumen von 2,75 Mrd. Dollar mit Orders über rund 10 Mrd. Dollar, so dass die zunächst avisierte Verzinsung von 8,25 Prozent auf 7,92 Prozent reduziert werden konnte. Das war nur rund ein Prozentpunkt höher als die laufende Verzinsung der 30-jährigen Dollar-Anleihe des Landes. Ein Schnäppchen für den argentinischen Staat, der vor wenigen Jahren von solchen Konditionen nicht einmal hätte träumen können.
Zwar hat sich die Lage in dem Land, dem nach seinem Bankrott 15 Jahre lang der Gang an den Kapitalmarkt versperrt gewesen war, verändert, und zwar aus Sicht der Finanzmärkte zum Positiven. Seit Dezember 2015 wird es mit Mauricio Macri von einem marktfreundlichen Präsidenten regiert. Dennoch sind die sehr hohe Nachfrage nach der Anleihe und das Resultat dieser Transaktion alles andere als nachvollziehbar.
Denn der gebotene Zins für den mit der Note "B" tief im Junk-Bereich verankerten Emittenten ist, wenn man ihn gegen die dafür einzugehenden Risiken hält, ein Witz, über den die Investoren vermutlich nicht hundert Jahre lang lachen werden. Die Historie bietet jedenfalls wenig Anhaltspunkte dafür, dass die Anleihe jemals zurückgezahlt wird. Seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1816 ist der Staat zehnmal pleitegegangen, allein seit 1951 sechsmal. Zuletzt gab es erst 2014 einen so genannten Selective Default.
Das macht aber nichts, da der Markt angesichts des extrem niedrigen Zinsniveaus auch ein entsprechend selektiv arbeitendes Gedächtnis zu haben scheint. Anders ausgedrückt: In ihrer Verzweiflung angesichts der extrem niedrigen Zinsen greifen die Investoren nach allem, was höhere Renditen auf dem Papier hat und bei drei nicht auf den Bäumen ist. Die ultralockere Geldpolitik und die Spekulation, dass Zentralbanken und Regierungen es im Notfall schon irgendwie richten werden, treibt die Investoren auf eine immer absurder werdende Art und Weise ins Risiko.
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