31.08.2018 22:03:42

Börsen-Zeitung: Teure politische Irrtümer / Kommentar von Dietegen Müller zur Währungskrise in den Schwellenländern

Frankfurt (ots) - Der August ist traditionell ein Monat mit Neigung zu Verwerfungen an den Kapitalmärkten. Böse Zungen unken, dies liege daran, dass dann wichtige internationale Institutionen in ihrer Sommerpause und damit weniger reaktionsschnell sind. Das war etwa 1997, 1998, 2007, 2011 und 2016 so. Auch dieses Jahr wird, zumindest mit Blick auf die Schwellenländer, in die Annalen eingehen. Am Devisenmarkt zeigt sich bis dato eine Bilanz des Schreckens: Gegenüber dem Euro hat der argentinische Peso seit Anfang dieses Jahres die Hälfte an Wert eingebüßt. Wenig besser sieht es für die türkische Lira aus.

In den Augen vieler Experten handelt es sich dabei um ein isoliertes Phänomen. Im Fall der Türkei liegt dies an der wachsenden Einflussnahme von Präsident Recep Tayyip Erdogan, der die Lira-Schwäche, die mit hohen Kursschwankungen verbunden ist, am Freitag erneut als "Operation gegen die Türkei" bezeichnete. Das Land ist in hohem Maße auf ausländische Finanzierung angewiesen. Laut der US-Großbank J.P. Morgan müssen Staat, Unternehmen und Banken bis Mitte 2019 um 150 Mrd. Dollar an Auslandsschulden zurückzahlen. Dass sich Erdogan bisher entschiedenen Zinsanhebungen entgegenstellt und durch autokratische Maßnahmen auch das Umfeld für ausländische Direktinvestitionen verschlechtert beziehungsweise unberechenbarer macht, gilt in den Augen vieler Marktakteure als eigentlicher Grund für die Misere: Es handelt sich um einen politischen Irrtum.

Teuer bezahlt auch Argentinien dafür, dass der vor zwei Jahren noch als marktfreundlicher Reformer gefeierte Präsident Mauricio Macri den Internationalen Währungsfonds (IWF) um vorzeitige Auszahlung von Finanzhilfen gebeten hat und dies auch noch im Fernsehen kundtat. Der IWF hat dem Land eine Kreditlinie von 50 Mrd. Dollar eingeräumt. Der Effekt war verheerend: Der Peso stürzte am Folgetag über 18% ab, eine Leitzinsanhebung von 45% auf 60% half nichts. Am Montag will die Regierung Maßnahmen vorstellen, mit denen etwa das Haushaltsdefizit gesenkt werden kann. Auch hier ist festzuhalten: Eine verschleppte Haushaltssanierung und ungeschickte Kommunikation politischer Verantwortlicher haben die Krise verstärkt.

Die Reihe der Verlierer geht weiter. Auch in Brasilien sorgen politisches Chaos sowie eine steigende Verschuldung - wenn auch von vergleichsweise niedrigem Niveau aus - für Druck auf die Landeswährung. Und am Devisenmarkt richtet sich der Blick nun öfter auch auf Indien und Indonesien, letzteres Land ein Protagonist in der Asienkrise 1997/98. Am Freitag fielen sowohl die indische Rupie als auch die indonesische Rupiah auf ein Rekordtief. In Indien wecken die faulen Kredite staatlicher indischer Banken Sorgen, in Indonesien ist es ein hohes Zahlungsbilanzdefizit, das das Land verwundbar erscheinen lässt.

Als Vervielfacher politischer Irrtümer - deren es auch in westlichen Ländern einige gibt - gelten die steigenden Dollarzinsen und die gedrosselte Liquiditätszufuhr seitens der Notenbanken. Nicht zu vergessen ist die Repatriierung von Milliarden Offshore-Dollars von US-Technologiekonzernen, die nun im Markt anderweitig investiert werden.

Interessanterweise sind aber trotz der markanten Kursverluste von einigen Schwellenländerwährungen laut BoA Merrill Lynch zuletzt netto sowohl im Aktien- wie im Anleihenmarkt Gelder in die Schwellenländer geflossen. Seit Jahresanfang zeigen sich große Divergenzen: Aus Brasilien, Russland und Indien sind aus den Aktienmärkten netto Mittel abgezogen worden, dagegen rund 15,6 Mrd. Dollar netto nach China geflossen.

Es könnte also, zumindest was die Kapitalbewegungen anbelangt, noch stärkeren Gegenwind für die Schwellenländer geben. Etwa wenn die USA den Handelskonflikt eskalieren lassen. Sinkt dann die Liquidität in den Schwellenländer-Anleihemärkten, wie dies das Institute of International Finance in diesem Fall erwartet, leiden Länder mit schwächeren Kreditratings besonders. Den Preis für politische Irrtümer werden am Ende also auch die bezahlen, die damit nichts zu tun haben.

(Börsen-Zeitung, 01.09.2018)

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