30.09.2010 11:12:35
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Börse Frankfurt-News: Wettlauf um Ressourcen! (Kolumne von Oliver Roth)
Das Rennen
Die Sieger erhalten Rohöl, Gas, Eisenerze, Kupfer, Seltene Erden und Agrarrohstoffe. Es wird ein "Kalter Krieg" um Rohstoffe geführt. Das blieb bisher nahezu unbemerkt, da dieser Konflikt nicht mit bedrohlichen Waffen sondern mit Geld geführt wird. Die Weltbevölkerung wächst rapide an. Sieben Milliarden Menschen brauchen immer mehr Nahrung, Wärme, Waren und vieles mehr. Doch die zur Herstellung benötigten Rohstoffvorkommen gehen zu Ende. Um diese letzten Bodenschätze ist ein Rennen entbrannt. Es geht um die direkte und indirekte Kontrolle der weltweiten Rohstoffvorkommen. Denn wer künftig diese Rohstoffquellen kontrolliert, der besitzt in naher Zukunft die absolute ökonomische und politische Macht. Das wegen Rohstoffen viele Kriege geführt wurden ist nicht neu, sondern so alt wie die Menschheit. Aber die Art der "Kriegsführung" und die Teilnehmer sind neu. Dabei tun sich einige ehemalige Schwellenländer (BRIC - Staaten Brasilien, Russland, Indien und China) bei der Jagd nach Bodenschätzen besonders hervor. Seit die USA durch die selbst verursachte Finanzkrise angeschlagen ist und Europa mit in den Abwärtsstrudel gezogen hat, konnten die BRIC-Staaten ihren strategischen Vorsprung noch ausbauen. Die Ausgangslage dieser Länder ist ähnlich. Trotz des eigenen Rohstoffreichtums, können sie ihren gigantischen Bedarf selbst kaum decken. Die Strategien der Schwellenländer variieren zwar mitunter, aber die Ziele sind die gleichen. Man will durch den effizienteren Abbau eigener Bodenschätze und durch den Zukauf ausländischer Rohstoffproduzenten die eigenen Machtansprüche unterstreichen und die Versorgung langfristig sichern.
Indien
Indien ist reich an Metall- und Chemierohstoffen und gilt als relativ unabhängig in diesem Bereich. In Energierohstoffen sind sie dagegen stark von Importen abhängig. Eigene Erdöl-, Erdgas- und Braunkohlevorkommen decken nur ein Drittel des Energieverbrauchs ab. Deshalb sind die Inder zunehmend auf der Suche nach lukrativen Energiequellen um den steigenden Bedarf des Landes zu decken.
Russland
Die Rohstoffpolitik Russlands ist dagegen hauptsächlich auf die Neuerschließung eigener Ressourcen ausgerichtet. Russland greift derzeit entschlossen nach den Rohstoffvorkommen der Arktis, wo das ewige Eis langsam aber sicher die dort vermuteten Ressourcen freigibt. Man scheut nicht mal davor zurück offen mit Waffengewalt zu drohen, falls die russischen Ansprüche in Frage gestellt werden sollten. Trotzdem gibt es noch eine Reihe offener Fragen und die Anrainerstaaten streiten sich bereits seit vielen Jahren über die jeweiligen Ansprüche auf die potentiellen Bodenschätze des Nordpols. Bei politischen Differenzen wird da auch schon mal im Winter der Gashahn zu gedreht bis die Nachbarn wieder mit Russland einig sind.
China
China verfolgt seine Rohstoffsicherung seit Jahren am aggressivsten. Seit dem Beginn des Wirtschaftsbooms (2001) wird der Rohstoff-Appetit der Chinesen jedes Jahr größer. So positiv die wirtschaftliche Dynamik Chinas für die Weltwirtschaft ist, so besorgniserregend ist der politische Machtzuwachs den das "Land des Lächelns" damit gewinnt. Zur Erinnerung: China ist immer noch ein totalitärer Staat mit einem Einparteien-System in dem die Menschenrechte nur bedingt Geltung haben. Zwar verfügt China selbst über gigantische Rohstoffvorkommen, aber dennoch sind sie nicht in der Lage ihren riesigen Bedarf selbst zu decken. Denn durch fehlendes "Know How" ist der eigene Abbau der Ressourcen noch zu ineffizient. Man bleibt auf absehbare Zeit noch technisch vom Westen abhängig. Doch mehr Unabhängigkeit wird angestrebt. Die Kassen Chinas sind gefüllt mit Devisenreserven von 2,4 Billionen US Dollar. Was fehlt wird also auf- oder dazugekauft. So geht man freudig in der Welt auf Shopping Tour. Besonders australische Bergbaukonzerne stehen auf der Einkaufsliste der chinesischen Industrieunternehmen. Noch wehrt sich Australiens Regierung erfolgreich gegen die chinesischen Avancen für die Eisenerzgiganten Rio Tinto und BHP Billiton. Doch kleinere Rohstoffproduzenten sind bereits zu Dutzenden in chinesischem Besitz übergegangen. Andere Länder beobachten diese Entwicklung mit Sorge. Denn wie entwickelten sich wohl zukünftig die Preise für beispielsweise Eisenerz, wenn der größte Verbraucher gleichzeitig auch die Preise kontrollieren würde?
Brasilien
Auch Brasiliens halbstaatlicher Bergbau Konzern Vale - Marktführer bei Eisenerz - hat ein Interesse daran die Rohstoffpreise auf hohem Niveau halten. Deshalb hat auch das südamerikanische Land Interessen in Australien zu vertreten. Hauptsächlich versucht Brasilien zurzeit aber den Fokus mehr auf die effizientere Ausbeutung der eigenen Ressourcen zu legen. Gerade in dieser Woche platzierte der halbstaatliche Ölkonzern Petrobras eine Kapitalerhöhung von 69 Milliarden US Dollar. Mit diesem Geld sollen vor allem die Erdölfelder im Atlantik erschlossen werden, die erst kürzlich in 3000 Meter Wassertiefe entdeckt wurden.
Wer zu spät kommt !
Das Rennen um die zur Neige gehenden Rohstoffe ist in vollem Gange. Doch bisher ohne großartige westliche Beteiligung. Offensichtlich sind Europäer und Amerikaner aktuell zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Finanzkrise und Staatsverschuldung lassen grüßen. Doch es wird höchste Zeit, an dem Wettrennen um die letzten Ressourcen teilzunehmen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
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© 30. September 2010 / Oliver Roth
* Oliver Roth ist Chefhändler und Börsenstratege der auf mittelständische Unternehmen fokussierten Close Brothers Seydler Bank AG. Die Bank gehört seit 2005 zu der an der Londoner Börse gelisteten Close Brothers Group plc, London. Die Geschäftsfelder der Close Brothers Seydler Bank sind Designated Sponsoring, Corporate Finance, Aktien-Sales und Research, der Handel in Aktien und Renten, sowie die Skontroführung auf der Frankfurter Wertpapierbörse in über 2100 in- und ausländischen Aktien- und Rententiteln. Roth arbeitet seit 1990 an der Frankfurter Wertpapierbörse und ist seit 1996 bei der Close Brothers Seydler Bank AG.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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