Bilanz überzeugt |
22.01.2020 22:24:00
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Netflix-Aktie nach Zahlenvorlage im Minus - Ausblick enttäuscht
Im Brief an die Aktionäre gibt Netflix sich kämpferisch. "Wir haben einen großen Vorsprung beim Streaming und werden darauf aufbauen, indem wir uns auf das konzentrieren, auf das wir uns die letzten 22 Jahre konzentriert haben - unsere Kunden zufriedenzustellen". Doch Finanzchef Spencer Neumann räumte bei einer Konferenzschalte nach der Bilanzvorlage ein, dass es angesichts des verschärften Konkurrenzkampfes und der vergleichsweise hohen Preise von Netflix bereits eine etwas erhöhte Abwanderungsrate von Kunden gegeben habe.
Insgesamt laufen die Geschäfte bislang aber noch sehr rund: Im Schlussquartal hat Netflix überraschend viele neue Kunden angelockt. Die Zahl der Bezahlabos stieg in den drei Monaten bis Ende Dezember weltweit um 8,8 Millionen, wie der Online-Videodienst am Dienstag nach US-Börsenschluss mitteilte. Damit übertraf Netflix die eigene Prognose und auch die Markterwartungen. Ende 2019 brachte es das Unternehmen auf gut 167 Millionen bezahlte Mitgliedschaften.
Allerdings tut sich Netflix im US-Heimatmarkt - wo neuerdings auch Disney und Apple mit Streaming-Services am Start sind - weiter schwer. Hier kamen im vierten Quartal nur 423 000 Abo-Kunden hinzu. Das waren deutlich weniger als angenommen, was die Aktie schon nachbörslich zwischenzeitlich belastete. Nach vorbörslichen Kursgewinnen von mehr als zwei Prozent ist am Mittwoch im Handel mit Netflix-Aktien wieder Ernüchterung eingekehrt. Die Papiere des Anbieters von Online-Streaming lagen zur Schlussglocke im Nasdaq-Handel mit 3,58 Prozent bei 326,00 US-Dollar im Minus. Insgesamt ist Netflix an der Wall Street schon länger kein Überflieger mehr - die US-Börsenrally des vergangenen Jahres ging am Streaming-König aus dem kalifornischen Los Gatos vorbei.
Dass Netflix sich auf wachstumsschwächere Zeiten einstellt, macht der Ausblick auf das laufende Vierteljahr deutlich. Die Firma stellt einen globalen Zuwachs von sieben Millionen Kunden in Aussicht - deutlich weniger als von Analysten erwartet. Zum Vergleich: Im ersten Quartal 2019 waren 8,9 Millionen neue Abonnenten hinzugekommen. Das Problem: Der US-Markt ist inzwischen relativ übersättigt. Hinzu kommt, dass neue Konkurrenten wie Disney, Apple, Viacom oder Comcast, aber auch etablierte Rivalen wie Amazon oder Hulu Netflix mit ihren Streaming-Services preislich unterbieten - zum Teil erheblich.
Unterschätzen sollte den Marktführer aber keiner. So überraschten Gewinn und Umsatz im Schlussquartal positiv. Netflix erzielte einen Überschuss von 587 Millionen Dollar (530 Mio Euro), im entsprechenden Vorjahreszeitraum hatte die Firma lediglich 134 Millionen verdient. Die Erlöse wuchsen auf 5,5 Milliarden Dollar - ein deutliches Plus von 31 Prozent im Jahresvergleich. Das Unternehmen, das einst mit Serien wie "House of Cards" neue Maßstäbe im Online-TV setzte, gibt mit seinen Inhalten auch heute noch oft genug den Takt vor.
Mit der Serie "The Witcher", die pünktlich zur Weihnachtszeit mit viel Marketingaufwand startete, lieferte Netflix nach eigenen Angaben seine bislang meistgeguckte erste Staffel einer neuen Show. 76 Millionen Kundenkonten hätten das Fantasy-Spektakel in den ersten vier Wochen verfolgt. Jedoch relativiert - abgesehen davon, dass hohe Einschaltquoten für neue Produktionen angesichts der stark gestiegenen Kundenzahl inzwischen leichter erreichbar sind als früher
- eine neue Auswertungsmethode die Erfolgsmeldung. So zählt Netflix
nun alle Kunden als Zuschauer, die einen Inhalt zwei Minuten streamen. Vorher mussten 70 Prozent der Sendung angeschaut werden.
Unabhängig von solchen statistischen Kniffen stehen aber weiterhin viele Netflix-Produktionen bei Kritikern hoch im Kurs. Vergangene Woche erst erhielten 24 von ihnen Oscar-Nominierungen, damit stach der Streaming-Dienst alle anderen Hollywood-Studios aus. Bereits im vorigen Jahr hatte es Netflix mit dem Schwarz-Weiß-Film "Roma" des Mexikaners Alfonso Cuarón erstmals in die prestigeträchtige Top-Sparte "Bester Film" geschafft. In diesem Jahr hat das Unternehmen in dieser begehrten Kategorie mit "The Irishman" und "Marriage Story" gleich doppelte Chancen.
Um die Konkurrenz auf Distanz zu halten, greift Netflix allerdings auch tief in die Tasche. Im vergangenen Jahr leistete sich das Unternehmen ein Produktionsbudget von 15 Milliarden Dollar, 2020 könnte noch mehr ausgegeben werden. Doch auch mit all dem Geld lässt sich nicht alles kaufen. Die Rechte an zwei der beliebtesten Shows hat Netflix verloren - "Friends" wird künftig beim Erzrivalen HBO laufen und "The Office" ab 2021 beim neuen Comcast-Service Peacock.
/hbr/DP/stw
LOS GATOS (dpa-AFX)
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