04.08.2019 22:47:42
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BERLINER MORGENPOST: Sehnsuchtsort Berlin / Leitartikel von Dietmar Wenck zu Finals in Berlin
Der vollständige Leitartikel: Warum behaupten eigentlich immer alle, der Fußball würde die anderen Sportarten in Deutschland an den Rand schieben? Manchmal kann er ihnen Türen öffnen, wenn auch ungewollt. Weil die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten im Wettbieten um die Übertragungsrechte für den großen Kick längst chancenlos sind, auf den Quotenbringer Sport aber nicht verzichten wollen, haben ARD und ZDF vor einiger Zeit zuerst den Wintersport entdeckt. Dann im vergangenen Jahr die parallel ausgetragenen Europameisterschaften in sieben olympischen Sommer-Disziplinen mitentwickelt. Und nun mit den Berlin Finals deutsche Titelkämpfe in zehn Sportarten gleichzeitig. Die Sender wurden - freundlich formuliert - ermuntert, so wie früher ihrem Auftrag gerecht zu werden, umfassend zu informieren. Und siehe da: Die Ergebnisse sind für alle Beteiligten positiv. Die TV-Macher erfreuen sich an den guten Quoten und an den ordentlich gefüllten Arenen. Rund 60.000 Zuschauer bei deutschen Leichtathletik-Meisterschaften - wann hat es das zuletzt gegeben? Auch die Schwimmer waren mehr als zufrieden mit der Resonanz, aber erst recht Moderne Fünfkämpfer, Triathleten, Bogenschützen. Sie sind es nicht gewohnt, sondern geradezu irritiert, beim Zieleinlauf, beim letzten Schuss von Tausenden Fans angefeuert zu werden. Die Kanuten nahmen zudem eine Verkürzung ihrer üblichen Rennstrecke in Kauf, um vor der Oberbaumbrücke ihre Sportart präsentieren zu können. Um mittendrin zu sein statt nur dabei. Den Sport zu den Menschen bringen statt die Menschen zum Sport holen: Das hatte sich schon im vergangenen Jahr bei den Leichtathletik-Europameisterschaften bewährt, als einzelne Wettkämpfe sowie Interviews und Siegerehrungen im Rahmen einer europäischen Meile auf dem Breitscheidplatz stattfanden. Eine Idee, mit der viele Neugierige angelockt wurden. Genau das ist der Weg, wie es den Disziplinen vom Rande der sportlichen Gesellschaft gelingen kann, auch einmal in den Mittelpunkt zu rücken. Zumal ihre Protagonisten wie Speer-Olympiasieger Thomas Röhler oder Schwimm-Weltmeister Florian Wellbrock zwar herausragende Athleten sind, aber nicht genervt vom öffentlichen Interesse - wie Fußballprofis -, sondern glücklich darüber. Stars zum Anfassen. Die Reaktionen der Sportler sind fast einhellig: Sie wünschen sich eine Wiederholung, so bald wie möglich. Wellbrock spricht von Berlin als dem Mekka des Sports, wo sich alle gern treffen. Der 2018 zurückgetretene Robert Harting bedauert, dass es solche gemeinsamen deutschen Meisterschaften zu seiner Zeit nicht gegeben habe. Immer wieder wird dabei die deutsche Hauptstadt als Sehnsuchtsort genannt. Das verdeutlicht, dass es neben dem Fernsehen und den Aktiven einen weiteren großen Gewinner dieser Finals gibt. Mag sein, dass die Berliner unfähig sind, Flughäfen zu bauen, funktionierende S-Bahnzüge oder Schulgebäude, für die man sich nicht schämen muss. Aber Sport kann die deutsche Metropole, trotz so vieler gescheiterter Olympia-Träume. Mit ihren Topmannschaften von Hertha BSC über die Eisbären bis zu Alba. Mit ihren Topevents vom Marathon über DFB-Pokalfinale bis zum Istaf. Mit ihrer Bevölkerung, die sich immer wieder für den Sport begeistert. Das ist vielleicht das Erfreulichste an den Finals: dass die Berliner sich erneut so offen gezeigt haben für dieses neue Format. Und dass die meisten Sportlerinnen und Sportler sich genau diesen Ort für die nächsten gemeinsamen Meisterschaften erhoffen. Die Sport-Hauptstadt scheint bereit zu sein für alles. Vielleicht sogar einmal für Olympische Spiele.
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