27.06.2013 21:14:58
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BERLINER MORGENPOST: Ratlosigkeit allerorten / Leitartikel von Jochim Stoltenberg
Berlin (ots) - Nichts Genaues weiß man nicht. Noch schlimmer: Die
Situation rund um den künftigen Berliner Großflughafen wird immer
verworrener. Und niemand in Sicht, der das unendliche Debakel
beendet. Nun zeichnet sich ein weiterer Streit über die künftigen
Flugrouten ab. Weil der atomare Forschungsreaktor am
Helmholtz-Zentrum früher als erwartet 2020 stillgelegt wird, müssen
auch die Menschen im Südosten Berlins, insbesondere die in
Wannsee-Nähe, wieder mit vermehrtem Fluglärm rechnen. Davor hat sie
bislang der Reaktor im Ortsteil Wannsee bewahrt. Beim "Stresstest"
2011 wurde über dem kein Flugzeugabsturz simuliert. Deshalb hatte das
Oberverwaltungsgericht die Wannsee-Flugroute für unzulässig erklärt.
Übrigens anders als die künftige Südost-Route über den Müggelsee.
Gibt es den Reaktor nicht mehr, darf auch über den Wannsee vermehrt
geflogen werden. Aber bis dahin vergehen ja noch sieben Jahre.
Juristisch ist über die Flugkorridore ohnehin nicht endgültig
entschieden. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung klagt gegen das
Verbot der Wannsee-Route, die Anrainer des Müggelsees wehren sich vor
dem nächsthöheren Gericht gegen die Flüge über ihren See, und die EU
verlangt von der Bundesregierung, dem schärferen EU-Umweltrecht bei
der Routen-Planung Geltung zu verschaffen. Die ganze
Widersprüchlichkeit der verworrenen Lage wird noch dadurch
offenbarer, dass bislang über den Reaktor geflogen werden darf. Eine
unendliche Geschichte bleibt auch die Eröffnung des BER. Die
Wochenzeitung "Die Zeit" meldet jetzt, dass die Brandschutzanlage
erst im Oktober 2015 verlässlich funktionieren werde. Mithin der
Flughafen auch frühestens dann eröffnet werden könne. Auch werde nur
ein Teilumzug von Tegel zum BER erwogen, Tegel solle gar bis 2019
"Premiumstandort" bleiben. Letzteres würde eklatant gegen den
Planfeststellungsbeschluss für den BER verstoßen. Dieser schreibt
rechtswirksam vor, dass Tegel ein halbes Jahr nach Eröffnung des BER
zu schließen ist. Weitere Klagen wären so sicher wie das Amen in der
Kirche. Und woher eigentlich das Geld nehmen für einen Doppelbetrieb,
da am BER schon jetzt nur die Kosten davonfliegen? Ratlosigkeit
allerorten. Ratlos könnte bald auch Flughafenchef Mehdorn sein -
trotz seiner markiger Sprüche. Er möchte den BER mit 2000 Passagieren
und zwölf Flugzeugen Ende des Jahres "anfahren". Ein Dorfflugplatz
ohne funktionierenden Brandschutz? Schwer vorstellbar, dass Mehdorn
dies erlaubt wird. Ein längerer Betrieb Tegels ist für ihn auch kein
Problem. Sogar dringlich, weil Berlin mehr als nur die zwei Start-
und Landebahnen in Schönefeld brauche. Rechtliche Vorbehalte? Die
hätte gefälligst die Politik auszuräumen, meint Mehdorn. Ein ziemlich
selbstgerechter neuer Flughafenchef. Klar ist derzeit nur, dass der
BER den Steuerzahler jeden Monat 34 Millionen Euro kostet. Das bleibt
der eigentliche Skandal. Darüber muss man sich angesichts der
Finanznot der Stadt empören. Mehr als über Flugrouten in ungewisser
Zukunft.
Originaltext: BERLINER MORGENPOST Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2
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