31.03.2018 22:37:42

BERLINER MORGENPOST: Ein fairer Prozess in Spanien? / Kommentar von Ralph Schulze zu Puigdemont

Berlin (ots) - Kurzform: Der Vorwurf ist kaum aufrechtzuerhalten, dass in Spanien kein fairer Prozess möglich sein soll. Aber vielleicht ist diese Behauptung auch nur vorgeschoben, um davon abzulenken, dass Puigdemont ein eigenes Verständnis von Gerechtigkeit hat - eines, in dem die Rebellion gegen spanische Gesetze zu rechtmäßigem Handeln hingebogen wurde. Tatsache ist: Dass Puigdemont Spaniens Verfassung mit Füßen trat, bestreitet nicht einmal er selbst. Schließlich gehörte diese Missachtung zum Kern seiner Abspaltungsbeschlüsse. Ob dieser Aufstand nun den spanischen Straftatbestand der Rebellion erfüllt, der im Prinzip auf Putschisten zielt, oder ob es sich um Ungehorsam und Rechtsbeugung handelt - das wird jene spanische Strafkammer abwägen müssen, die bei einer Auslieferung über Puigdemonts Zukunft zu urteilen hat. Unabhängig vom Prozessausgang sollte nur klar sein: Der Konflikt in Katalonien wird sich nicht gerichtlich lösen lassen, sondern nur mit politischem Dialog.

Der komplette Kommentar: Erwartet Carles Puigdemont in Spanien ein fairer Prozess, sollte Deutschland ihn ausliefern? Nein, sagen die Anhänger des katalanischen Separatisten, dem Rebellion und Veruntreuung vorgeworfen wird. Über Spanien liege noch der Schatten der 1975 untergegangenen Diktatur. Auf Puigdemont warte ein politischer Schauprozess. Stimmt das? Freiheit und Rechtsgarantien einer Gesellschaft lassen sich durchaus messen. Zum Beispiel mit dem angesehenen Demokratieindex der Zeitschrift "Economist", der Bürgerrechte und Pluralismus bewertet. Dort befindet sich Spanien in guter europäischer Gesellschaft im Mittelfeld auf Platz 17. Deutschland ist 13., Frankreich 24. und Belgien, wo sich Puigdemont lange wohl und vor der Justiz sicher fühlte, steht an 35. Stelle. Die meisten der 6000 spanischen Richter leisten ordentliche Arbeit. Sie bewiesen bei der Aufarbeitung Hunderter Schmiergeldskandale Hartnäckigkeit und Unabhängigkeit. Die meisten Ermittlungen betrafen die regierende konservative Partei. Dies spricht nicht dafür, dass die Justiz der Regierung in Madrid zu Diensten ist. Der Vorwurf ist somit kaum aufrechtzuerhalten, dass in Spanien kein fairer Prozess möglich sein soll. Aber vielleicht ist diese Behauptung auch nur vorgeschoben, um davon abzulenken, dass Puigdemont ein eigenes Verständnis von Gerechtigkeit hat - eines, in dem die Rebellion gegen spanische Gesetze zu rechtmäßigem Handeln hingebogen wurde. Tatsache ist: Dass Puigdemont Spaniens Verfassung mit Füßen trat, bestreitet nicht einmal er selbst. Schließlich gehörte diese Missachtung zum Kern seiner Abspaltungsbeschlüsse. Ob dieser Aufstand nun den spanischen Straftatbestand der Rebellion erfüllt, der im Prinzip auf Putschisten zielt, oder ob es sich um Ungehorsam und Rechtsbeugung handelt - das wird jene spanische Strafkammer abwägen müssen, die bei einer Auslieferung über Puigdemonts Zukunft zu urteilen hat. Unabhängig vom Prozessausgang sollte nur klar sein: Der Konflikt in Katalonien wird sich nicht gerichtlich lösen lassen, sondern nur mit politischem Dialog.

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