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Entschuldung im Blick 05.03.2024 20:20:00

Bayer setzt den Rotstift an: Neues Organisationsmodell - Bayer-Aktie tiefer

Bayer setzt den Rotstift an: Neues Organisationsmodell  - Bayer-Aktie tiefer

Die Antwort auf die Frage nach einer möglichen Aufspaltung laute "nicht jetzt", hieß es vom Pharma- und Agrarchemiekonzern am Dienstag im Rahmen eines Kapitalmarkttages. Zu hoch seien die Hürden. Weniger Hierarchien im Management sollen mittelfristig Geld sparen. Die leidgeplagten Investoren brauchen nach den Kursverlusten der vergangenen Jahre und der stark gesenkten Dividende noch mehr Geduld, denn 2024 dürfte der operative Gewinn weiter sinken. Der Aktienkurs sackte am Dienstag auf ein weiteres Tief seit 2005 ab.

"Viele, auch wir haben eine Aufspaltung von Bayererwartet", schrieb Analyst Peter Spengler von der DZ Bank in einer ersten Einschätzung. Damit entfalle ein Kurstreiber. "Allerdings gibt es meist keine schnellen und einfachen Lösungen für bestehende Probleme." Der Ansatz, das Unternehmen operativ zu verbessern, erscheine vielversprechend, allerdings auch langfristig angelegt.

Bayer-Chef Bill Anderson sieht im Konzern mehrere Probleme, bei denen es dringenden Handlungsbedarf gebe: Patentabläufe und die Pipeline neuer Wirkstoffe in der Pharmasparte, die US-Rechtsstreitigkeiten rund um den Unkrautvernichter Glyphosat und der Chemikalie PCB, hohe Schulden sowie eine hierarchische Bürokratie. "Diese vier Herausforderungen schränken unsere Handlungsmöglichkeiten stark ein - egal ob mit drei Divisionen oder mit weniger Geschäftsfeldern."

Ein Verkauf der Sparte Consumer Health rund um rezeptfreie Medikamente könnte zwar eine attraktive Option sein, um Schulden zu tilgen, so Anderson. Eine Trennung wäre aber mit hohen Kosten und Steuereffekten verbunden. Zudem generiere die Sparte beständige Geldzuflüsse.

Statt einer Veräußerung oder gar einer zeitaufwändigen Aufspaltung des Konzerns will Anderson den Fokus zunächst auf einen internen Umbau legen. Denn beides gleichzeitig gehe nicht.

Sollte der Aktienkurs sich allerdings nicht spürbar und dauerhaft erholen, werde das Thema Aufspaltung von Consumer Health schnell wieder auf die Tagesordnung kommen, glaubt unterdessen Markus Manns, Fondsmanager bei Union Investment.

Im Fokus bei Bayer steht erst einmal das neue Organisationsmodell, durch das ab 2026 jährlich zwei Milliarden Euro an Kosten gespart werden sollen. Von bis zu zwölf Hierarchie-Ebenen zwischen dem Vorstandschef und den Kunden sollen fünf bis sechs Ebenen bleiben, erklärte Arbeitsdirektorin Heike Prinz. Eine Führungskraft solle für mindestens 15 Beschäftigte verantwortlich sein. Zum Vergleich: Aktuell leiteten mehr als 30 Prozent von 17.000 Führungskräften kleine Teams mit vier oder weniger Mitarbeitern.

Für Deutschland hatte Bayer bereits im Januar einen erheblichen Personalabbau in Aussicht gestellt. Wie viele der rund 22 200 Beschäftigten hierzulande betroffen sein werden, ist aber unklar.

Mit Blick auf die Rechtsstreitigkeiten in den USA sollen neue Ansätze verfolgt werden, um rechtliche Risiken zu reduzieren, wie Bayer weiter mitteilte. Anleger kritisieren schon lange, dass es dem Konzern bisher nicht gelungen ist, unter die Glyphosat-Problematik einen Schlussstrich zu ziehen.

Das Thema habe Bayer schon 13 Milliarden Euro gekostet, erklärte Finanzchef Wolfgang Nickl während einer Präsentation vor Analysten und Investoren. Ende Januar waren noch rund 54.000 Fälle offen, 2.000 mehr als im Oktober. Die Rückstellungen beliefen sich Ende 2023 auf 6,3 Milliarden US-Dollar (5,7 Mrd Euro). Auf die Frage, ob das ausreichen wird, sagte Nickl, er hoffe es, könne es aber nicht garantieren. "Was ich garantieren kann, ist, dass viele Leute sehr methodisch auf die Sache schauen, auch die Wirtschaftsprüfer."

Die Glyphosat-Probleme hatte sich Bayer unter der Führung von Werner Baumann 2018 mit der über 60 Milliarden Dollar teuren Übernahme des US-Konzerns Monsanto eingehandelt.

Mittlerweile wurden neue Kanzleien beauftragt und mit der Juristin Lori Schechter soll eine Rechtsexpertin in den Aufsichtsrat einziehen. "Jedes negative Urteil werden wir anfechten", sagte Anderson. "Aber es ist klar, dass eine Verteidigungsstrategie allein nicht ausreicht." Vielmehr gehöre dazu "auch eine intensivere Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Bereich der Politik." Was genau das bedeutet, ließ er offen.

Am Montag hatte die "Financial Times" berichtet, Bayer ziele in den USA mit Lobby-Arbeit auf rechtliche Änderungen in Bundesstaaten ab. Dabei gehe es darum, den Vorrang von Bundesgesetzen vor dem Recht von Bundesstaaten bei der Kennzeichnung von Unkrautvernichtern wie Roundup zu bekräftigen.

Das Thema ist schon lange zentral. Denn Bayer argumentiert, die US-Umweltbehörde EPA als Bundesbehörde habe festgestellt, dass Roundup nicht krebserregend sei und das Produktlabel entsprechend ohne Warnung genehmigt. Daher verhindere Bundesrecht auch in einzelnen US-Staaten Schadenersatzansprüche wegen angeblich mangelhafter Warnungen vor Krebsrisiken.

Das Thema Glyphosat lastet seit Jahren auf dem Aktienkurs. Vor dem ersten Urteil gegen Bayer im Sommer 2018 hatten die Papiere gut 93 Euro gekostet, aktuell sind es knapp 26 Euro. An der Börse ist Bayer damit weniger als 26 Milliarden Euro wert - rund die Hälfte dessen, was allein für Monsanto gezahlt wurde.

Im Tagesgeschäft zeichnet sich derweil erst einmal keine schnelle Erholung ab. Bayer rechnet 2024 mit einem weiteren Rückgang des operativen Gewinns. Das um Wechselkurs- und Sondereffekte bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) soll 10,7 bis 11,3 Milliarden Euro erreichen. An den Markterwartungen dürfte sich wenig ändern, sagte Analyst Richard Vosser von der Bank JPMorgan.

2023 bekam Bayer unter anderem niedrigere Glyphosat-Preise sowie ein schwächeres Pharmageschäft in China zu spüren. Zudem steckte der Konzern mehr Geld in die Entwicklung von Zell- und Gentherapien, die das Pharmageschäft auf längere Sicht beleben sollen. Denn dieses wird immer stärker die in verschiedenen Ländern nach und nach auslaufenden Patente für den Kassenschlager Xarelto zu spüren bekommen, zumal gegen Ende 2023 eine wichtige, zulassungsrelevante Studie mit einem potenziellen Nachfolgemedikament gefloppt war.

Das operative Ergebnis sank 2023 um 13,4 Prozent auf 11,7 Milliarden Euro, bedingt auch durch negative Währungseffekte in Höhe von 375 Millionen Euro. Gleichwohl übertraf Bayer mit dem operativen Ergebnis die durchschnittliche Analystenschätzung.

Bereinigt um Effekte aus Wechselkursveränderungen peilt der DAX-Konzern 2024 zudem einen Umsatz von 47 bis 49 Milliarden Euro an. 2023 fiel der Wert um 6,1 Prozent auf 47,6 Milliarden. Negative Währungseffekte sowie Kauf und Verkauf von Unternehmensteilen ausgeklammert, ergab sich ein Minus von 1,2 Prozent.

Unter dem Strich fiel auch wegen hoher Wertberichtigungen in der Agrarsparte ein Verlust von 2,9 Milliarden Euro an - nach einem Gewinn von 4,2 Milliarden ein Jahr zuvor. Die Dividende sackt von 2,40 auf 0,11 Euro je Aktie. Die Senkung der Ausschüttung für gleich drei Jahre hatte Bayer angesichts der hohen Schulden bereits im Februar angekündigt.

Das Analysehaus Jefferies hat Bayer nach Quartalszahlen und vor Beginn eines Kapitalmarkttags auf "Hold" mit einem Kursziel von 37 Euro belassen. Analyst Charlie Bentley rechnet laut einer am Dienstag vorliegenden Studie mit einer negativen Kursreaktion der Aktie. Er sieht den Ausblick des Agrarchemie- und Pharmakonzerns für den Barmittelzufluss deutlich unter seiner Prognose, während die Vorgabe für die Nettoverschuldung aber darüber liege.

Bayer: Kosten für Sparprogramm "näher" an Faktor 1

Bayer erwartet die Einmalaufwendungen für die Umsetzung des neuen Organisationsmodells nicht sehr viel höher als das dabei angestrebte Einsparziel von 2 Milliarden Euro. Finanzchef Wolfgang Nickl sagte bei der Bilanzpressekonferenz, das Einsparvolumen werde natürlich zunächst Kosten verursachen. "Sie werden sich wahrscheinlich erinnern, dass wir bei früheren Programmen immer (von einer Quote) von 1,5 bis 1,8 von x gesprochen haben", sagte er auf entsprechende Nachfrage. "Dieses Mal werden Sie sehen, dass sie eher bei 1 x liegt."

Zur konkreten Zahl der Managerstellen, die im Zuge des neuen Organisationsmodell DSO wegfallen werden, wollte sich Vorstandschef Bill Anderson nicht äußern. Begonnen werde hier nicht mit einer Zielvorgabe, deshalb lasse sich das vorab nicht beziffern. Der Fokus von DSO liege darauf, alles aus dem Weg zu räumen, was Mitarbeiter vor Ort daran hindere, Kunden neue Lösungen anzubieten und Produkte schneller zu entwickeln. Man habe sich das genau angesehen und sei sehr zuversichtlich, so 2 Milliarden Euro einsparen zu können.

Das Sparziel lasse sich aber nicht einfach in wegfallende Stellen übersetzen, sagte Anderson. Es sei aber klar, dass die Zahl erheblich sein werde. Im US-Pharmageschäft war die Zahl der Manager mit der DSO-Einführung bereits um 40 Prozent reduziert worden.

Bayer zeitweise auf Kurstief seit 20 Jahren

Ein Strategie-Update hat am Dienstag für die Bayer-Aktien nicht den von Anlegern erhofften Befreiungsschlag gebracht. Nach einer Kurshalbierung in zehn Monaten verloren die Papiere des Konzerns zeitweise drei Prozent auf gut 27 Euro und fielen auf ein Tief seit fast 20 Jahren. Mitte 2005 waren die Aktien letztmals so wenig wert. Zuletzt betrug das Minus im XETRA-Handel noch 7,57 Prozent auf 25,955 Euro. Zwar übertraf der Agrarchemie- und Pharmakonzern im vergangenen Jahr mit dem operativen Ergebnis die durchschnittlichen Analystenschätzungen, das habe aber auch an Einmaleffekten gelegten, erklärte Analyst Richard Vosser von der Bank JPMorgan.

Zudem wird es vorerst keine Aufspaltung des Konzerns geben. Stattdessen konkretisiert Bayer seine Sparziele im Zusammenhang mit einer Verschlankung des Managements.

"Die Strategie heißt also Milliardeneinsparungen und Umstrukturierungen statt Aufspaltung und Verkauf einzelner Geschäftsbereiche", schrieb Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets. Letzteres sei aus Aktionärssicht zwar eine gute Option - "nicht aber um jeden Preis, und der ist unter Druck niemals attraktiv", kommentierte der Marktstratege.

Auch stelle sich die Frage, was am Ende noch an "profitablem Rumpf" übrigbleiben würde. Da sei es möglicherweise nicht die schlechteste Option, dass der Chef Bill Anderson das Unternehmen erst einmal zurück in die Spur bringen wollte.

Das wäre aus Aktionärssicht bitter nötig. Seit Mai vergangenen Jahres hat sich der Aktienkurs halbiert. Auch im Börsenjahr 2024 ist die Bilanz bislang düster: Der Kursverlust von knapp 19 Prozent wird im Leitindex Dax nur von den RWE-Aktien noch übertroffen, die ein Viertel eingebüßt haben.

Seit Sommer 2018 sind die Kursverluste mit über 70 Prozent noch größer. Damals war der erste US-Prozess um angebliche Krebsrisiken glyphosathaltiger Unkrautvernichter verloren gegangen. Eine Klagewelle folgte.

Aktuell sind noch rund 54 000 Fälle offen. Auf 6,3 Milliarden US-Dollar (5,7 Mrd Euro) beliefen sich die hierfür gebildeten Rückstellungen zum Ende 2023.

LEVERKUSEN/LONDON/FRANKFURT (dpa-AFX / Dow Jones Newswires)

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Bildquelle: Arseniy Krasnevsky / Shutterstock,Bayer AG,Taina Sohlman / Shutterstock.com

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