27.11.2013 22:40:11

Badische Neueste Nachrichten: Die nächste Hängepartie

Karlsruhe (ots) - Der Koalitionsvertrag ist unterschrieben, der Bundestag könnte in den nächsten Tagen Angela Merkel zum dritten Mal zur Bundeskanzlerin wählen, die Große Koalition könnte ihre Arbeit aufnehmen. Doch erst einmal droht dem Land eine weitere an den Nerven zehrende Hängepartie mit einem ungewissen Ausgang. Da SPD-Chef Sigmar Gabriel die Zustimmung seiner Partei zu Koalitionsverhandlungen nur zum Preis einer Mitgliederbefragung bekam, liegt das Schicksal der Großen Koalition und damit die Zukunft der Nation in den Händen der 474 820 SPD-Mitglieder. Sie alleine entscheiden, ob die größte Wirtschaftskraft der EU bis Weihnachten eine stabile Regierung hat, oder ob dem Land weitere Monate der Ungewissheit und möglicherweise sogar Neuwahlen drohen. Eine paradoxe Situation. Nicht das Votum der 61 Millionen Wahlberechtigten zählt, sondern einzig das Urteil der SPD-Basis. Diese besondere Situation hat die Koalitionsverhandlungen von Anfang an geprägt. Die SPD konnte vom ersten Tag an ein hohes Druckpotenzial aufbauen und Dinge durchsetzen, die in keinem Verhältnis zu ihrem eher mageren Wahlergebnis von 25,7 Prozent standen, im Gegenzug musste die Union trotz ihres Triumphes am Wahltag erhebliche Zugeständnisse machen. Das spiegelt sich im Koalitionsvertrag wider, der in den symbolträchtigen Kernpunkten eine starke sozialdemokratische Handschrift trägt. Der Mindestlohn von 8,50 Euro kommt, ebenso die abschlagsfreie Rente mit 63 und die doppelte Staatsbürgerschaft. Die CSU wiederum kann die Einführung der Maut auf ihrem Konto gutschreiben, die CDU hat sich bei der Mütterrente durchgesetzt, zudem mit ihrer Forderung, dass es weder neue Schulden noch Steuererhöhungen geben darf. Als problematisch könnten sich noch die milliardenschweren Rentenpläne entpuppen, die den aktiv im Erwerbsleben Stehenden aufgebürdet werden. Ohnehin bleibt im Vertrag vieles vage, unverbindlich und unklar, vieles von der Reform des EEG über die Maut bis zu den offenen Finanzierungsfragen muss erst noch im Gesetzgebungsverfahren konkret geklärt werden, etliche Passagen können unterschiedlich interpretiert werden. Eine Vision für das Land sucht man vergebens, stattdessen haben sich Union und SPD eine pragmatische, an den aktuellen Herausforderungen orientierte Arbeitsgrundlage gegeben. Ein Stück weit rücken Union und SPD gemeinsam nach links, korrigieren einige Fehlentwicklungen der Agenda-Politik, nehmen aber auch manchen Reformschritt zurück, um nach den Zumutungen der letzten Jahre wieder verstärkt Wohltaten verteilen zu können. Insofern hat Sigmar Gabriel sein Ziel erreicht: Mit Hilfe einer von Merkel auf einen weitgehend ideologiefreien Kurs getrimmten Union setzt er sich demonstrativ von Gerhard Schröder und Franz Müntefering ab und korrigiert an entscheidenden Punkten deren Politik. Mehr konnte er nicht tun, um seine zutiefst verunsicherte Partei zu befrieden. Nun liegt sein Schicksal - und auch das Angela Merkels - in den Händen der SPD-Mitglieder. Alles ist im Augenblick entschieden - und doch nichts.

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Pressekontakt: Badische Neueste Nachrichten Klaus Gaßner Telefon: +49 (0721) 789-0 redaktion.leitung@bnn.de

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