18.01.2016 17:05:45
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AUSBLICK/Die EZB tut vorerst nichts
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) erst im Dezember ein neues Lockerungspaket beschlossen hat, rechnen Beobachter für die am Donnerstag anstehende nächste Ratssitzung nicht mit neuen Maßnahmen. Zwar fanden Finanzmarktteilnehmer die damaligen Beschlüsse überwiegend nicht überzeugend, und der seitdem anhaltende Rückgang des Ölpreises verheißt nichts Gutes für den Inflationsausblick - aber dagegen gibt es kein geldpolitisches Instrument, auf das sich der EZB-Rat derzeit einigen könnte.
Folglich erwarten auch alle 46 von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte, dass der Rat das Zinsniveau sowie sein Wertpapierankaufprogramm vorerst unverändert lassen wird. Die EZB wird ihre Zinsentscheidung am Donnerstag um 13.45 Uhr bekannt machen. Gegen 14.30 Uhr beginnt die Pressekonferenz mit EZB-Präsident Mario Draghi.
Dass Finanzmarktteilnehmer und Volkswirte nach der Dezember-Sitzung erneut so schnell über eine weitere Lockerung der Geldpolitik diskutieren, hat zwei Ursachen. Erstens: Die vor sechs Wochen beschlossenen Maßnahmen blieben deutlich hinter dem zurück, was an den Märkten eingepreist gewesen war.
Der EZB-Rat hatte beschlossen, den Einlagenzins um 10 Basispunkte zu senken und das Anleiheankaufprogramm in seinem bisherigen Monatsvolumen von 60 Milliarden Euro um sechs Monate zu verlängern. Zudem sollen die Erträge aus fällig werdenden Papieren reinvestiert werden und die Banken bis Ende 2017 mit Liquidität nach Wunsch versorgt werden.
Das kürzlich veröffentlichte Protokoll der Beratungen am 3. Dezember lässt durchaus den Schluss zu, dass einige Ratsmitglieder gerne entschlossener zu Werke gegangen wären.
Zweitens: Der Ölpreis ist seit Anfang Dezember um 35 Prozent gefallen. Dass spricht gegen eine Erholung der Inflation in dem Tempo, das die EZB in ihren ebenfalls im Dezember veröffentlichten Stabsprojektionen unterstellt. Mittelfristig soll die Zentralbank für knapp 2 Prozent Inflation sorgen. Derzeit liegt die Teuerung bei 0,2 Prozent. Seit über einem Jahr hat sie sich nicht mehr von der Null-Linie lösen können.
Die Inflationserwartungen sind ebenfalls gesunken. Die aus Swap-Sätzen berechnete Erwartung in fünf Jahren für die darauf folgenden fünf Jahre liegt näher an 1,5 als an 2,0 Prozent. Umfragebasierte Erwartungswerte bieten ein etwas optimistischeres Bild, das demnächst allerdings aktualisiert wird.
Bereits bei dieser Ratssitzung liegen der EZB nämlich neue Prognosen der vierteljährlich befragten Professional Forecasters vor, die ihre Inflationsvoraussage für 2016 erst im Oktober von 1,3 auf 1,0 Prozent gesenkt haben und die für 2017 von 1,6 auf 1,5 Prozent. Veröffentlicht werden diese Prognosen erst am Freitag.
Entscheidender sind jedoch die neuen EZB-Stabsprognosen, die die Zentralbank nach der Ratssitzung im März veröffentlichen wird und die dann auch erstmals das Jahr 2018 einschließen werden. Im Dezember hatte der volkswirtschaftliche Stab der Eurozone-Zentralbanken die Inflationsprognose für 2016 von 1,2 auf 1,0 Prozent reduziert, die für 2017 aber bei 1,6 Prozent belassen. Beide basieren allerdings auf einem um 35 Prozent höheren Ölpreis.
Der Blick auf die Kernteuerungsrate, die die direkten Auswirkungen von Öl- und Nahrungsmittelpreisen ausklammert, bietet ein ähnliches Bild. Zuletzt lag dieser Teuerungsrate bei 0,9 Prozent. Die EZB-Stabsprognose sieht für 2016 und 2017 Durchschnittswerte von 1,3 und 1,6 Prozent vor.
Gleichwohl ist eine geldpolitische Lockerung selbst im März für die meisten Beobachter bisher nicht mehr als eine vage Möglichkeit. Das liegt auch an dem Eindruck, dass der Widerstand im Rat gegen Draghis geldpolitischen Kurs angesichts der recht robusten Konjunktur zunimmt. Schließlich drückt der sinkende Ölpreis nicht nur die Inflation, sondern er stärkt auch das Wachstum und damit indirekt wiederum die Inflation.
Darüber hinaus gibt es im Rat offenbar die Auffassung, dass man nun erstmal abwarten sollte, ob und wie sich die gerade beschlossenen Maßnahmen auswirken.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
DJG/hab/smh
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January 18, 2016 10:35 ET (15:35 GMT)
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