07.11.2016 16:00:46

AUF EINEN BLICK/Das droht der Industrie durch den Klimaschutzplan

   Von Christian Grimm

   BERLIN (Dow Jones)--Deutschlands Klimastrategie bis 2050 soll unbedingt am Mittwoch durch das Kabinett gepeitscht werden. Auf dem Weltklimagipfel in Marrakesch soll Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nicht mit leeren Taschen auftreten müssen. Die Positionen zwischen Wirtschafts-, Umwelt, Verkehrs-, Finanz- und Landwirtschaftsministerium liegen aber noch weit auseinander. Zur Stunde sitzen die Staatssekretäre der Häuser zusammen und versuchen, eine Brücke über die Gräben hinweg zu schlagen.

   Der Industrie in Deutschland schwant allerdings Böses, sollten einige noch unter Vorbehalt stehenden Klimaschutzziele so umgesetzt werden, wie sie im jüngsten Entwurf vorgesehen sind. "Der Entwurf ist dirigistisch, ein nationaler Alleingang, der europäische Klimapolitik missachtet. Das Werk ist nicht durch Textarbeit zu retten", warnte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, unmittelbar vor der wahrscheinlich entscheidenden Runde der Staatssekretäre. Er sieht die Wettbewerbsfähigkeit akut bedroht. Folgende Bestimmungen sorgen den Industrie-Präsidenten:

1. Konkrete Einsparziele für jeden Wirtschaftsbereich bis 2030 Eine in den verschiedenen Arbeitsstufen bereits gestrichene Tabelle mit sogenannten Sektorzielen hat wieder Eingang in die Beratungen gefunden. Sie schreibt ambitioniertere Werte für die Einsparungen von Kohlenstoffdioxid (CO2) vor als zuletzt. So soll die Industrie in den nächsten 15 Jahren den jährlichen Co2-Ausstoß von derzeit 180 Millionen auf 125 bis 120 Millionen Tonnen senken. Das entspricht einer Reduzierung um ein Drittel. Zu viel, fürchtet der BDI. So fällt bei der Herstellung von beispielsweise Zement oder Stahl CO2 als Abfallprodukt chemischer Reaktionen ab, das sich nicht vermeiden lässt. "Deshalb lehnen wir Sektorziele ab", betonte Grillo,

2. Was soll die Energiewirtschaft leisten? Die Energiewirtschaft müsste ihre Emissionen von heute 360 Millionen Tonne bis 2030 nach jetzigem Stand noch einmal halbieren. Den Löwenanteil soll über die Stilllegung der Braunkohlekraftwerke erreicht werden. "Im Sinne einer vorausschauenden Modernisierungspolitik ... unterbleiben Investitionen in neue Kohlekraftwerke und Tagebauerweiterungen", heißt es in der neuesten Fassung. Die Energieträger Braunkohle könnte damit 15 bis 20 Jahre eher vom Markt sein, als es sich die Versorger mit Kohlekraftwerken wünschen.

3. Keine Verbannung von Verbrennungsmotoren ab 2030 Der Verkehrssektor soll ebenfalls deutlich weniger Klimagase in die Luft blasen. Autos, Lkw, Flugzeuge, der Nahverkehr aus Bus und Bahn sollen 60 Millionen Tonnen weniger als die derzeit jährlich 160 Millionen Tonnen Treibhausgas verursachen. Kommt der Entwurf in seiner bestehenden Fassung durch das Kabinett, wird sich die Bundesregierung bei der EU dafür einsetzen, dass die Einsparungen durch eine Kombination aus "Effizienzsteigerung" und "verstärktem Einsatz Treibhausgas-neutraler Energien" erreicht wird. Das Schreckgespenst der Autoindustrie, das ab 2030 keine Benziner- oder Diesel mehr neu zugelassen werden dürfen, taucht aber nicht mehr auf.

4. Ein Mindestpreis für Co2-Zertifikate Der europäische Handel mit den Rechten zur Luftverschmutzung funktioniert nicht. Weil die Preise wegen eines Überangebots an Zertifikaten derart im Keller sind, sendet der Emissionshandel keine Signale zum Klimaschutz aus. Die Bundesregierung soll sich laut Entwurf auf "europäischer Ebene für die Einführung eines Mindestpreises für zu versteigernde Zertifikate einsetzen". Der Industrie droht damit eine weitere Belastung, wenn die Verschmutzungsrechte für jede ausgestoßene Tonne Co2 teurer werden. Der Klimaschutzplan 2050 müsse sich am energiepolitischen Zieldreieck aus Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit orientieren, verlangt hingegen die Wirtschaftsvereinigung Metalle. "Nur so können wir auch weiterhin die Vereinbarkeit von Klimaschutz und Industrie in Deutschland ermöglichen", sagte Geschäftsführerin Franziska Erdle.

   Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

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