Allg. Zeitung Mainz: Zwischenzeugnis / Kommentar zu einem Jahr Große Koalition

Mainz (ots) - Große Koalitionen galten immer als Betriebsunfall der Geschichte. Die Jetzige ist allerdings eine von den Wählern bestellte. Durch einen gesteigerten Gestaltungswillen zeichnet sie sich leider nicht aus. Aber auch das war vom Wähler nicht anders gewollt. Was Merkel, Gabriel und Steinmeier noch am besten hinbekommen ist Geschlossenheit. Insofern ist die vom spätpubertären Unruhestifter Seehofer losgetretene Debatte um die vermeintliche Uneinigkeit in der Russlandpolitik der Großen Koalition künstlich vom Zaun gebrochen. Die Kanzlerin und ihr Außenminister stimmen sich in Wahrheit bis in die Nuancen ihrer Unterschiedlichkeit ab. Auf unvorhersehbare Herausforderungen reagiert diese Regierung also eher souverän. Ihre Pläne sind dagegen eher kleinmütig. Das gilt für ihr Wohlfühlprogramm Mütterrente, Rente mit 63 für altgediente Arbeitnehmer und Mindestlohn. Alles bereits umgesetzt. Ob unsere Wirtschaft das verkraftet und ob das mit Blick auf die Generationen wirklich gerecht ist, wird sich allerdings erst in der nächsten Wirtschaftskrise zeigen. Da aber wo Handeln nottut, bleibt es fast ausschließlich bei der Beschreibung der Themen: marodes Straßennetz, marode Armee, fehlgeleitete Geldströme im Gesundheitsmarkt. Und die mangelhafte Digitalinfrastruktur, die eher einem Schwellenland gleichkommt, wirft Deutschland in der Exzellenz zurück und hängt die ländlichen Räume verlässlich von der Entwicklung ab. Zwischenzeugnis: Betragen, gut; Verantwortungsbewusstsein, vier minus.

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