Schwere Vorwürfe |
17.05.2022 17:01:00
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ADLER-Aktie sackt ab: KPMG steht nicht als Wirtschaftsprüfer zur Verfügung - Consus Real Estate dürfte von Abschreibungen betroffen sein
Die Anleger der ADLER Group reagieren weiter sehr nervös auf jede Nachricht aus dem Umfeld des angeschlagenen Immobilienkonzerns. Am Dienstagmorgen gab es zunächst deutliche Kursverluste wegen der drohender Abschreibungen bei der Tochtergesellschaft, die im Verlauf aber aufgeholt wurden. Am Nachmittag folgte der nächste Kursrutsch wegen der Meldung, dass KPMG für das laufende Jahr nicht als Abschlussprüfer zur Verfügung steht. Zeitweise brach der Kurs um 12 Prozent ein. Mit 5,065 Euro erreichte er das niedrigste Niveau seit Anfang Mai.
"Die Consus Real Estate ist unser Sorgenkind", sagte Verwaltungsratschef Stefan Kirsten in einer Telefonkonferenz. Hier müsse und werde ADLER bilanziell und personell sanieren. Als Eigner von mehr als 90 Prozent werde das Unternehmen natürlich die Bilanz sanieren, dies dürfe aber mit Ausnahme von Transaktionskosten kein Geld kosten. "Ich schließe grundsätzlich bei Consus keine Maßnahmen ein oder aus - außer der Insolvenz", betonte der Manager.
Zudem habe sich bei der ADLER-Tochter BCP eine Deckungslücke aufgetan, sagte Kirsten. ADLER werde kurzfristig Maßnahmen ergreifen, um die Gesellschaft stärker an sich zu binden. Unter anderem prüfe das ADLER-Management eine Übernahme der Mehrheit im Verwaltungsrat von BCP. ADLERs Konkurrent LEG hat eine Kauf-Option auf die Konzerntochter.
Derzeit untersucht die Finanzaufsicht Bafin die Bücher von ADLER. Die Behörde hatte sich eingeschaltet, nachdem die Immobiliengesellschaft im Oktober erstmals unter Beschuss des Leerverkäufers Fraser Perring geraten war. Dieser und sein Researchdienst Viceroy hatten schwere Vorwürfe gegen ADLER erhoben, darin ging es unter anderem um die Bewertung von Immobilienprojekten. Das Unternehmen hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Derzeit größter ADLER-Aktionär ist Deutschlands größter Wohnimmobilienkonzern Vonovia, der rund 20,5 Prozent der Aktien von ADLER hält.
Das ADLER-Management habe der Bafin erneut umfassend Materialien zur Verfügung gestellt und erwarte weitere Fragen und Kommentierungen, sagte Kirsten. Auch laufe eine Untersuchung der luxemburgischen Aufsichtsbehörde CSSF weiter. Der Manager hat nach eigenen Angaben Ende Mai einen persönlichen Termin bei der Behörde, um sich vorzustellen.
ADLER hatte Ende April trotz der Verweigerung des Testats durch die Wirtschaftsprüfer von KPMG Zahlen für 2021 vorgelegt. Den veröffentlichten Zahlen zufolge legte der operative Gewinn im vergangenen Jahr zu. Unter dem Strich stand wegen Abschreibungen aber ein Verlust von knapp 1,2 Milliarden Euro nach einem Gewinn von 191 Millionen Euro im Vorjahr.
Für den Jahres- und Konzernabschluss 2022 steht KPMG nicht mehr als Wirtschaftsprüfer zur Verfügung, teilte ADLER am Dienstag weiter mit. "Diese Entscheidung seitens KPMG kommt für ADLER äußerst überraschend, ist enttäuschend und irritierend", teilte Kirsten mit. Alle Mitglieder des Verwaltungsrats hätten in den vergangenen Wochen "sehr professionelle Diskussionen" mit den Verantwortlichen von KPMG geführt. Schließlich sei es das Ziel, für 2022 ein uneingeschränktes Testat zu erhalten. Ursprünglich wollte das ADLER-Management KPMG erneut zum Wirtschaftsprüfer für den Jahresabschluss bestellen.
ADLER werde ein Auswahlverfahren zur Bestellung eines neuen Abschlussprüfers für die Gesellschaft in die Wege leiten, teilte Kirsten weiter mit. Ein neuer Wirtschaftsprüfer müsse sich aber erst einmal neu einarbeiten. Das werde eine gewisse Zeit dauern, die das ADLER-Management gerne durch die "professionelle, selbstverständlich unabhängige und wegen der bisherigen Tätigkeit auch detailreiche Prüfung" durch KPMG eingespart hätte.
Derweil übernimmt der Wirtschaftsprüfer Thomas Echelmeyer zum ersten Juni vorübergehend die Position des Finanzchefs bei ADLER. Sein ehemaliger Kollege werde den Posten übernehmen, bis die Postion dauerhaft besetzt ist, sagte Kirsten. Beide hatten ihre Karriere bei Arthur Andersen gestartet. Zuvor war Maximilian Rienecker als Co-Unternehmenschef für die Finanzen zuständig. Er musste jedoch Ende April gehen. Zudem hatten wegen des fehlenden Prüf-Testats fast alle Mitglieder des Verwaltungsrats ihren Rücktritt erklärt. Kirsten hatte jedoch nur vier davon angenommen.
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LUXEMBURG (dpa-AFX)
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