03.12.2012 16:45:32

AUSBLICK/EZB bestätigt Zinsen und senkt BIP-Prognosen

   Von Hans Bentzien und Andreas Plecko

   Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat bei seinen vergangenen Sitzungen nicht wirklich über Zinssenkungen diskutiert - und er wird das wohl auch bei der letzten Sitzung in diesem Jahr am Donnerstag nicht tun. Allerdings dürften die Wachstumsannahmen der EZB erneut nach unten korrigiert werden: Die EZB-Stabsprojektionen werden aktualisiert, und es ist mit einer leichten Abwärtsrevision der Prognosen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu rechnen.

   Dass die EZB zunächst keine weiteren Zinssenkungen planen dürfte, ergibt sich aus der Begründung, die sie für die geplanten Staatsanleihekäufe gibt: Die Übertragung des zinspolitischen Signals sei gestört. Wenn das Signal nicht dort ankommt, wo es hin soll - nämlich nach Südeuropa - dann muss man die Zinsen auch nicht senken. In diese Richtung deuten auch Äußerungen von EZB-Vertretern seit der Ratssitzung im November.

   Von insgesamt 48 befragten Volkswirten erwarten 45 Experten, dass der EZB-Rat den Hauptrefinanzierungssatz auf seinem aktuellen Niveau von 0,75 Prozent bestätigen wird. Die Zinsentscheidung wird am Donnerstag um 13.45 Uhr mitgeteilt, die Pressekonferenz mit Präsident Mario Draghi beginnt um 14.30 Uhr.

   Was die EZB zur Reparatur des Zinskanals eigentlich tun möchte, kann - oder muss - sie derzeit nicht. Schon die Ankündigung notfalls unbegrenzter Staatsanleihekäufe hat die Risikoaversion der Finanzmarktakteure so stark sinken lassen, dass ein Land wie Spanien derzeit nicht daran denkt, einen Hilfsantrag beim Euro-Rettungsfonds ESM zu stellen. Ein solcher Antrag aber wäre Voraussetzung für Staatsanleihekäufe durch die EZB.

   Sicherlich wird der EZB-Präsident auch bei der Sitzung am Donnerstag wieder Fragen zu den geplanten Käufen gestellt bekommen und betonen, dass die EZB bereit steht. Mehr aber kann die EZB derzeit nicht machen.

   Offenbar hinterlassen die EZB-Maßnahmen zur Euro-Rettung nun aber doch ihre Spuren in den Stimmungsindikatoren. Das von der EU-Kommission erhobene Geschäftsklima hellte sich im November erstmals seit Februar wieder auf, und auch das ifo-Geschäftsklima legte überraschend zu. Eine positive Überraschung stellte zudem der Anstieg der Auftragseingänge im deutschen Maschinen- und Anlagenbau dar.

   Zudem deuten Daten aus Deutschland und Spanien darauf hin, dass sich die Anpassung der Lohnstückkosten fortgesetzt hat. Nachdem Spaniens Lohnstückkosten Mitte 2012 erstmals seit 2005 wieder niedriger als die deutschen waren, sind sie seither weiter gesunken - im zweiten Quartal um 1,7 Prozent und im dritten Quartal um 0,7 Prozent. Zur gleichen Zeit sind die deutschen Lohnstückkosten um 0,9 und 0,1 Prozent gestiegen.

   Damit ist ein Prozess in vollem Gange, der eine weitere Verringerung der Leistungsbilanzungleichgewichte im Währungsgebiet zum Ziel hat. Interessant wird sein, welche Entwicklung die italienischen und französischen Lohnstückkosten genommen haben. Bis zum zweiten Quartal waren sie in beiden Ländern gestiegen.

   Der Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, Alexander Krüger, rechnet damit, dass der EZB-Rat die Vollzuteilung für bis zu dreimonatige Hauptrefinanzierungsgeschäfte bis Mitte 2013 verlängert. Zudem dürften sich die Währungshüter angesichts der trüben Konjunkturaussichten die Tür für eine Zinssenkung im nächsten Jahr offen halten.

   UniCredit-Ökonom Nikolaus Keis sieht die EZB in einer Wartestellung. Eine Zinssenkung sei nicht zu erwarten, auch wenn einige Ratsmitglieder dafür optieren dürften. Die Mehrheit aber halte die Geldpolitik bereits für ausreichend stimulierend und die Stimmungsindikatoren verbesserten sich.

   Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert will eine Zinssenkung am Donnerstag nicht vollständig ausschließen, hält dies aber aus einer Reihe von Gründen für nicht wahrscheinlich: Zum einen dürften die BIP-Prognosen nur leicht gesenkt werden, zum anderen hätten die Aussagen von EZB-Ratsmitgliedern auf unveränderte Zinsen gedeutet. Außerdem scheine sich in der EZB die Ansicht durchzusetzen, dass eine Niedrigzinspolitik eine Reihe von negativen Effekten nach sich ziehe.

   Als wichtigstes Argument führt der Commerzbank-Experte aber an, dass eine Zinssenkung nicht das für die EZB drängendste Problem lindern würde, nämlich die Fragmentierung der europäischen Finanzmärkte. Wegen der Befürchtung, dass der Euroraum auseinanderbrechen könnte, wurden die EZB-Zinssenkungen nur in einigen Ländern vollständig weitergegeben. In anderen Ländern legten die Zinsen für Bankkredite teilweise sogar zu.

   Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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   December 03, 2012 10:15 ET (15:15 GMT)

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