26.02.2013 07:06:30

Wahltheater stürzt Italien in eine Regierungskrise

   Von WSJ-Redaktion

   ROM--Bei den Parlamentswahlen in Italien hat sich in der Nacht zum Mittwoch kein eindeutiger Sieger herauskristallisiert. Damit haben sich die schlimmsten Befürchtungen von Anlegern und Regierungen anderer europäischer Länder bestätigt: Dem Land droht ein politischer Patt, vermutlich kommt es schon bald zu Neuwahlen.

   Nach Angaben der italienischen Zeitung La Repubblica hat das Linksbündnis unter Spitzenkandidat Pier Luigi Bersani prozentual in beiden Kammern des Parlaments die meisten Stimmen geholt. Dieses lag im Abgeordnetenhaus um Haaresbreite mit 29,5 Prozent vor der Mitte-Rechts-Allianz des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi mit 29,1 Prozent. Damit würde Bersani mit der Regierungsbildung beauftragt werden.

   Aufgrund des komplizierten Wahlrechts konnte die Allianz des 76-jährigen Medienmoguls Berlusconi jedoch im Senat überraschend mit 114 die meisten Sitze für sich und sein Mitte-Rechts-Bündnis beanspruchen. Bersanis Bündnis folgt im Senat knapp danach mit 113 Sitzen. Auf die unanfechtbare Mehrheit von 158 Sitzen im Senat kommt keiner von beiden.

   Wegen des knappen Ausgangs forderte der Chef der Berlusconi-Partei, Angelino Alfano, das Innenministerium auf, einen Gleichstand auszurufen. Der Vorsprung des Mitte-Links-Bündnis im Abgeordnetenhaus sei mit 0,4 Punkten zu knapp, um als Sieg zu gelten, sagte Alfano in der Nacht zu Dienstag dem unabhängigen Fernsehsender La7.

   Die linke Demokratische Partei (PD) unter Spitzenkandidat Pier Luigi Bersani hatte zuvor das von ihr geführte linke Lager zum Wahlsieger erklärt. Der scheidende Regierungschef Mario Monti, der an der Spitze der Zentrumsparteien eher mittelmäßig abschnitt - mit 10,5 Prozent im Abgeordnetenhaus und 9,1 im Senat - gab dem Wahlergebnis für seine Koalition die Note "befriedigend".

   Frustration macht sich hingegen in der Wirtschaft breit: "Die Situation sieht unregierbar aus", sagte Guido Rosa, Präsident des Verbands der ausländischen Banken in Italien. "Das ist das schlimmste Ergebnis, das man sich vorstellen kann."

   Der einzig eindeutige Wahlsieger schien nach stundenlanger Auszählung und Ungewissheit der antipolitische Komiker Beppe Grillo, der mit 25,5 Prozent als drittstärkste Kraft ins Abgeordnetenhaus zieht und im Senat mit 23,8 Prozent der Stimmen 58 Sitze für sich beanspruchen kann. Ihm gelang es, die Unzufriedenheit vieler Wähler zu kanalisieren.

   Grillo selbst will gar nicht als Abgeordneter im Parlament antreten. Er hat aber mehrere Kandidaten ernannt, die an seiner Stelle die Sitze einnehmen sollen - darunter viele Mittzwanziger, die überhaupt noch nie etwas mit Politik zu tun hatten.

   "Italien hat einen Schritt nach vorn gemacht", sagte Davide Barillari, ein Kandidat der Grillo-Bewegung. "Das ist ein Tsunami, der die alte politische Klasse wegschwemmt."

   In den Talkshows der zahlreichen, öffentlichen und privaten, mehr oder weniger unabhängigen Fernsehsender liefen die Spekulationen darüber heiß, wie es weitergehen wird. Weder der Chef des Mitte-Links-Bündnisses, Bersani, noch der Chef von Mitte-Rechts, Berlusconi, äußerten sich am Wahlabend konkret. Es sei "jedem klar", dass sich das Land nun in einer "sehr heiklen Lage" befinde, sagte Bersani.

   Mit Blick auf die letzten Hochrechnungen dürfte es jede Regierung in Italien nun schwer haben, effektiv zu regieren. Die beiden Großparteien hätten nur über eine Koalition mit der Partei des Komikers Grillo eine Chance, überhaupt eine Regierung auf die Beine zu stellen. Ein solches Szenario gilt als hochgradig unwahrscheinlich.

   Der unabhängige TV-Sender La7 spekulierte, angesichts dieser Zahlen seien im Grunde nur zwei Szenarien möglich. Der im Mai scheidende Staatspräsident Giorgio Napolitano könne als letzte Amtshandlung nur noch "einer großen Koalition die Aufgabe erteilen, das Wahlrecht umzuschreiben, um Neuwahlen unter besseren Bedingungen durchzuführen oder aber die Wahlen als ergebnislos deklarieren".

   Kontakt zu den Autoren: konjunktur.de@dowjones.com

   DJG/WSJ/chg

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