22.09.2016 20:15:02

Steuerdebatte nach Enthüllungen zu Briefkastenfirmen auf Bahamas

Enthüllungen zu Briefkastenfirmen auf den Bahamas haben die Debatte über eine Verschärfung der internationalen Steuer- und Firmengesetzgebung neu angefacht. Europaabgeordnete und Nichtregierungsorganisationen verlangten am Donnerstag eine verpflichtende Offenlegung von Unternehmensdaten und mehr Druck auf Steuerparadiese. Die EU-Kommission will Vorwürfe gegen die ehemalige Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes prüfen. Sie war während ihrer Amtszeit Direktorin einer Briefkastenfirma und hatte dies nicht angegeben.

   Das Internationale Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) hatte zuvor Daten aus dem vertraulichen Firmenregister der Bahamas veröffentlicht. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, wurden zwischen 1990 und 2016 in dem Land 175.888 Briefkastenfirmen und Stiftungen gegründet. Briefkastenfirmen sind grundsätzlich nicht verboten, erleichtern aber die Verschleierung von Steuerhinterziehung und Geldwäsche.

   Die Niederländerin Kroes hatte von 2004 bis 2009 das mächtige Wettbewerbsressort der Kommission geleitet, das Regelverstöße von Unternehmen mit harten Strafen ahnden kann. Bis 2014 war sie dann Digital-Kommissarin. In der Zeit von 2000 und 2009 war sie auf den Bahamas als Direktorin einer Firma namens Mint Holdings Limited eingetragen.

   Die Ex-Kommissarin räumte über ihre Anwälte einen "formalen Verstoß" gegen den Verhaltenskodex der Kommission ein. Sie hatte demnach aber angenommen, dass die Firma bereits 2002 aufgelöst worden sei. Dies sei aber wegen eines "Verfahrensfehlers" nicht erfolgt und sie noch bis 2009 als Direktorin geführt worden.

   Mint Holdings war durch einen Investor aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gegründet worden, um einen Teil des internationalen Geschäfts des US-Energiekonzerns Enron zu übernehmen. Der Deal im Wert von 7 Milliarden Dollar platzte 2002, die Holding wurde aber weiter genutzt.

   EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderte Kroes in einem Brief nun zu Klarstellungen auf, wie ein Sprecher der Behörde sagte. Erst danach werde entschieden, wie die Kommission vorgehen werde. Zur Möglichkeit der Streichung von Pensionsansprüchen oder sonstigen Sanktionen wollte sich der Sprecher nicht äußern.

   Die Affäre ist ein weiterer Schlag für die Kommission. Mitte September hatte Juncker nach massiver öffentlicher Kritik seinen Vorgänger José Manuel Barroso zum gewöhnlichen Lobbyisten herabgestuft, weil dieser nun für die US-Bank Goldman Sachs arbeitet. Gleichzeitig wurde das Ethikkomitee der Behörde beauftragt, mögliche Interessenkonflikte zu prüfen.

   In den Bahamas-Dokumenten finden sich laut Süddeutscher Zeitung weitere Politiker wie der frühere kolumbianische Bergbauminister Carlos Caballero Argáez, der kanadische Finanzminister William Francis Morneau und der angolanische Vize-Präsident Manuel Domingos Vicente. Auch der Tennis-Weltverband ITF sowie die Namen von rund hundert Deutschen tauchen demnach dort auf.

   Steuerhinterziehung koste Staaten weltweit jährlich schätzungsweise 240 Milliarden Dollar, erklärte die geschäftsführende Direktorin der Hilfsorganisation Oxfam International, Winnie Byanyima. In armen Ländern sei sie auch "eine Frage der Menschenrechte", weil "Lebenschancen zerstört und Gesellschaften unwiederbringlich geschädigt werden". Oxfam fordert deshalb eine UN-Stelle zur Reform des internationalen Steuersystems.

   Die Bahamas-Leaks zeigten die Notwendigkeit, die Praxis "geheimer Unternehmen zu beenden", erklärte die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International. Auch der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold verlangte öffentliche Unternehmensregister, damit der Kampf gegen Steuerflucht und Geldwäsche nicht nur auf mutige Whistleblower angewiesen sei. Hier müsse Europa nun vorangehen.

AFP

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