Eigenverwaltung 30.11.2024 11:23:00

Pierer-Aktie letztlich zweistellig höher: KTM ist insolvent - Antrag auf Sanierung in Eigenverwaltung

Pierer-Aktie letztlich zweistellig höher: KTM ist insolvent - Antrag auf Sanierung in Eigenverwaltung

Das Unternehmen beantragte am Freitag beim Landesgericht Ried ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung. Laut Creditreform und KSV1870 hat die KTM AG Schulden von 1,8 Mrd. Euro angehäuft. Insolvenz meldeten auch die Töchter KTM Components GmbH und KTM F&E GmbH an. Der AKV schätzt die Gesamtverbindlichkeiten auf fast 3 Mrd. Euro. Betroffen sind über 3.600 Beschäftigte.

Bereits im ersten Monat nach dem am Freitag eröffneten Sanierungsverfahren sollen laut AKV bei der KTM AG 200, bei der KTM Forschungs & Entwicklungs GmbH 250 sowie bei KTM Components GmbH 50 Stellen gestrichen werden.

Als Ursache für die Insolvenz wurde unter anderem auf gestiegene Standortkosten und auf die Rezession verwiesen. Konsumflaute und ein Nachfrageeinbruch hätten zu einem extremen Lagerbestand von rund 1 Mrd. Euro geführt. Der Motorrad-Überbestand liege aktuell bei rund 130.000 Stück, ergänzte der Kreditschutzverband KSV1870. Daher ist auch schon eine Verkleinerung der Produktion - Umstellung von Zwei- auf Ein-Schichtbetrieb - sowie ein Produktionsstopp für Jänner und Februar mitgeteilt worden.

Laut ORF Bankschulden von 1,3 Mrd. Euro

Im Worst Case, der Liquidierung, betragen laut Creditreform und KSV1870 die Verbindlichkeiten 2,1 Mrd. Euro. Gelingt die Sanierung, sind es 1,8 Mrd. Euro an Passiva, wovon laut ORF 1,3 Mrd. Euro auf Bankschulden entfallen. Den Gläubigern wird im Sanierungsplan ein Quote von 30 Prozent zahlbar innerhalb von zwei Jahren angeboten.

Die erste Gläubigerversammlung und Berichtstagsatzung sowie die allgemeine Prüfungstagsatzung wurden für den 24. Jänner, die Abstimmung über den Sanierungsplan für 25. Februar anberaumt, meldete Creditreform. Laut Landesgericht Ried müssen Gläubiger ihre Forderungen bis spätestens 16. Jänner anmelden. Als Sanierungsverwalter wurden die Rechtsanwälte Peter Vogl für die KTM AG, Robert Tremel für die KTM Components GmbH und Franz Mitterbauer für die KTM Forschungs & Entwicklungs GmbH bestellt.

Kritisch äußerte sich der AKV zu dem in Finanznöte geratenen Unternehmen des Industriellen Stefan Pierer. So seien die letzten Jahre noch von Zukäufen und Investitionen geprägt, sodass man im Jahr 2023 noch Rekordumsätze verzeichnete. Vor diesem Hintergrund werden auch die nunmehrigen Insolvenz- und das Restrukturierungsverfahren zu hinterfragen sein. Konkret war etwa bei der KTM AG 2023 bei einem Umsatz von knapp 2 Mrd. Euro noch ein Nettogewinn von 109 Mio. Euro erzielt worden. Einfluss auf das am 25. November eingeleitete Europäische Restrukturierungsverfahren der KTM Mutter Pierer Industrie AG sehen die Kreditschützer nicht.

Schwere Situation für Mattighofen

"Für Mattighofen ist natürlich so eine große Insolvenz eines so großen Unternehmens ein riesengroßer Schlag", sagte die Leiterin des Arbeitsmarktservice Oberösterreich, Iris Schmidt, im Ö1-"Morgenjournal". Dadurch dürften auch Arbeitsplätze in anderen Betrieben der Region gefährdet sein. "Grundsätzlich sagt man, auf einen Industriemitarbeitenden fallen zwei weitere Arbeitsplätze. Ich hoffe nicht, dass das in dieser Dimension eintreten wird."

Derzeit versuche man, Stiftungsmodelle für die Region und generell für Oberösterreich auszuloten, sagte Schmidt. Oberösterreich sei das Industriebundesland schlechthin und man sehe schon seit Monaten, dass die Unternehmen redimensionieren. Ein industrieorientiertes Land mit hohem Exportanteil sei von der Rezession besonders stark betroffen.

Landeshauptmann kündigt Runden Tisch an

Angesichts der Pleite wird in Oberösterreich kommende Woche eun Runder Tisch von Land, AMS, Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer stattfinden, kündigte Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) am Freitagabend via Aussendung an. "Gerade so kurz vor Weihnachten ist der heute (Freitag, Anm.) vom Motorradhersteller KTM AG eingebrachte Insolvenzantrag für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein besonders schwerer Schlag", so Stelzer. "Das Land Oberösterreich steht zur Unterstützung bereit, es gilt nun, alles zu tun, um den Betroffenen und ihren Familien Perspektiven zu geben." Das genaue Datum des Treffens, bei dem laut Stelzer die Unterstützungsmöglichkeiten erörtert werden sollen, blieb vorerst noch offen.

Harsche Kritik an Pierer von SPÖ und FPÖ

SPÖ-Chef Andreas Babler kritisierte, dass KTM trotz steigenden Schuldenstands "Dividenden in Millionenhöhe an die Aktionäre - allen voran an Pierer selbst - ausgeschüttet" habe. Pierer habe zudem "über 10 Mio. Euro an Corona-Hilfen in Form von Kurzarbeitsgeldern bekommen", während die Mitarbeitenden "nicht einmal die Löhne und Gehälter, die ihnen zustehen" erhalten würden.

Ähnlich äußerte sich FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger, der darüber hinaus kritisierte, dass KTM-Vorstand Pierer im Wahlkampf 2017 alle an die ÖVP ergangenen Parteispenden verdoppelt habe. "Die KTM-Pleite ist ein Multiorganversagen im ÖVP-Universum auf Kosten der Mitarbeiter", so Kassegger.

KTM - Sanierung nur möglich, wenn Pierer finanziellen Beitrag leistet

Der oberösterreichische Motorradbauer KTM von Stefan Pierer verzeichnet eine milliardenschwere Pleite und will sich sanieren. Damit das gelingt, müssen die Gläubiger einen Sanierungsplan der Firma mit noch 3.600 Mitarbeitern, die kürzlich noch Rekordumsätze meldete, allerdings akzeptieren. "Es wird nicht gehen, ohne dass der Eigentümer seinen Beitrag leistet", sagt KSV-Experte Karl-Heinz Götze zur Frage, was nötig ist, damit der Plan angenommen wird, im APA-Interview.

Noch sehe man erst einen kleinen Ausschnitt aus den Details zur Pleite, sagte der Insolvenzrechtler am Freitagabend. Da Eigentümer Pierer schon von seinem "Lebenswerk" gesprochen habe, das er "retten" wolle, zeigt sich Götze auch positiv, dass die Sanierung gelingen könne und Pierer Geld einschießt. Das würden schlussendlich auch die Banken verlangen, denen die KTM AG 1,3 Mrd. Euro schuldet.

"Die Banken müssen mitgehen. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt", sagte Götze.

Mit 750 Jobs dürften 20 Prozent der Belegschaft abgebaut werden

Am auffälligsten an der Pleite seien die kürzlich noch gemeldeten Rekordumsätze. "Auch die Bilanz 2023 schaut eigentlich schön aus." Aber: "Da muss es eine massive Fehleinschätzung des Marktes gegeben haben - dieser wurde wohl viel zu positiv gesehen und die Warnzeichen zu spät. Ich verstehe das noch nicht ganz", so der Experte des KSV1870 im Gespräch mit der APA. "Da hätte man früher die Produktion drosseln müssen."

750 Mitarbeiter - das sind 20 Prozent der Belegschaft - müssen nun damit rechnen, ihren Job zu verlieren. Trotzdem, so Götze, wolle er nicht nur pessimistisch sein. "Dem Unternehmen und der Marke traue ich es zu, dass sie die Sanierung schaffen können - wenn Mittel vom Eigentümer kommen und er bereit ist, genau zu schauen, wo man handeln muss", so Götze. Er hofft, dass man "das Ruder wieder herumreißen" kann.

IV-NÖ-Präsident: Pierer wird "sich selbst etwas abverlangen"

Der Präsident der Industriellenvereinigung Niederösterreich und FPÖ-nahe Vize-Aufsichtsratchef der Staatsholding ÖBAG, Karl Ochsner von der gleichnamigen Wärmepumpen-Firma, sagte in einer Sonder-"ZiB" am Freitagabend zur Rezession in Österreich, dass die nächste Regierung den Industriestandort wieder an erste Stelle setzen müsse. Es brauche einen "Industrial Deal", der einen "Business Case" darstellen müsse. "Da liegt ein harter Weg vor uns.

Zu KTM und den Pleitegründen gab sich Ochsner wortkarg. Er wollte Pierer - der Ochsners IV-Präsidentenpendant in Oberösterreich ist - im ORF-TV "nichts ausrichten". Zur Frage, ob Pierer privat einschießen müsse, was laut KSV-Insolvenzexperten Götze laut notwendig sit, sagte Ochsner: "Ich gehe davon aus, dass er (Pierer, Anm.) sich das gut überlegt, wenn er sagt, er kämpft für seine Marke, für sein Lebenswerk. Da wir der sich selbst etwas abverlangen. Er wird alles tun, auch persönlich, um das Unternehmen wieder nach vorne zu bringen."

KTM-Pleite führt auch bei Kiska in Salzburg zu Kündigungen

Die Insolvenz des oberösterreichischen Motorradherstellers KTM bringt auch Kiska in Anif bei Salzburg in Bedrängnis. Das Designunternehmen habe 40 Mitarbeiter im Rahmen des Frühwarnsystems zur Kündigung angemeldet, heißt es in einem Bericht von Radio Salzburg.

Das international tätige Unternehmen mit rund 270 Beschäftigten steht hinter dem Markenauftritt und Design der KTM-Motorräder. Pierer Mobility ist Hälfteeigentümer von Kiska.

In Wien gewann die Pierer Mobility-Aktie am Freitag letztendlich 20,25 Prozent auf 9,50 Euro.

ker/hel/tsk/pro

APA

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Bildquelle: ricochet64 / Shutterstock.com

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