06.11.2015 22:07:37

Neue Westfälische (Bielefeld): Neues Gesetz zur Hilfe beim Suizid Der Staatsanwalt am Sterbebett PETER STUCKHARD

Bielefeld (ots) - Bundestagsdebatten sind oft langweilig. Zumal in Zeiten großer Koalitionen. Nicht so die Diskussion gestern, als es um eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe ging. Der ethischen Dimension des Themas angemessen hatten sich Abgeordnete aus den unterschiedlichen Parteien jenseits des Fraktionszwangs zusammengeschlossen und vier voneinander abweichende Gesetzesanträge formuliert. Für die wurde, folgerichtig ebenso quer durch alle Fraktionen, um Unterstützung geworben. In solchen Fällen ist man geneigt, im Sinne des Artikels 38 des Grundgesetzes von einer Sternstunde des Parlaments zu sprechen. Hätten da nicht die Fraktionschefs von SPD, CDU und Grünen, Oppermann, Kauder und Göring-Eckert, erfolgreich versucht, ihre Schafe in den Pferch zu treiben. Ihr brieflicher Hinweis auf das just beschlossene Gesetz zur Stärkung der Hospiz- und Palliativversorgung zeugt nicht von Respekt vor der Gewissensfreiheit ihrer Kolleginnen und Kollegen. Neue Gesetze - Beispiel Inklusion - erzeugen nicht automatisch die eine neue Wirklichkeit. Inhaltlich lässt die Debatte den Beobachter eher ratlos zurück. Die geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung ist also in Zukunft unter Strafe gestellt. Worauf die Befürworter dieser Lösung damit zielen, ist noch nachvollziehbar: Menschen, die Angst davor haben, ihren Verwandten oder Helfern zur Last zu fallen, sollen geschützt werden. Zum Beispiel vor Scharlatanen und Sterbehilfevereinen. Aber ist gut gemeint auch gut gemacht? Musste ausgerechnet der 18. Deutsche Bundestag die seit 150 Jahren straffreie Hilfe zur Selbsttötung dem scharfen Schwert des Strafrechts unterwerfen? Brigitte Zypris (SPD), immerhin von 2002 bis 2009 Bundesjustizministerin, warnte wie viele andere Sprecherinnen aus allen Parteien bis zu Dagmar Wöhrl (CSU) jedenfalls davor, die bestehende Rechtslage zu ändern. Sie haben Recht, es gab keinen Handlungsbedarf. Auch wenn seine Initiatoren das bestreiten: Das neue Gesetz kriminalisiert jetzt womöglich die Gewissensentscheidung zur Hilfe, wie sie zum Beispiel die westfälisch-lippische ärztliche Berufsordnung derzeit noch toleriert. Denn der Arzt handelt, das jedenfalls sagen Juristen, schon bei der allerersten Hilfe zum Suizid geschäftsmäßig. Das bedeutet: In Westfalen-Lippe gilt in Zukunft ein schärferes Recht als bisher. Es stimmt bedenklich, wenn selbst Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) als Befürworter des neuen Gesetzes in der Debatte über eine "kluge Rechtsanwendung" im Falle eines ethischen Dilemmas schwadroniert. Wo kein Kläger, da kein Richter? Der Staatsanwalt muss womöglich nicht einmal schneidig sein, sondern pflichtgemäß tätig werden, wenn ihm ein solcher Fall auf den Tisch kommt. Der Bundestag hat sich jedenfalls über den Wunsch von 85 Prozent der Bevölkerung erhoben, die sich ärztliche Hilfe beim, aber auch zum Sterben wünschen.

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