19.11.2015 22:32:38
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Mittelbayerische Zeitung: Vorsprung des Terrors? / Auch der Einsatz der Armee kann die Defizite der Sicherheitsbehörden nicht beheben. Leitartikel von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots) - Nach den Anschlägen von Paris steckt auch
Deutschland knietief in einer Debatte über die eigene Sicherheit,
über effizientere Maßnahmen gegen den Terror - und auch wieder einmal
über den Einsatz der Bundeswehr im Innern. Wolfgang Schäuble hat
diese Debatte angefacht. Und zwar nicht unbedacht, sondern weil er
sich als ehemaliger Innenminister durchaus Szenarien vorstellen kann,
bei denen die Polizei an die Grenze des Machbaren gelangen kann.
Anders als in Frankreich ist in Deutschland jedoch bereits die
Debatte über den Bundeswehreinsatz gegen Terroristen Teufelszeug.
Hoffentlich werden Schäubles Szenarien niemals Realität. Die
Sicherheitsbehörden in Paris wie in Berlin müssen sich die Frage
gefallen lassen: Wieso habt ihr nicht vorher etwas gewusst? Mit
dieser quälenden Frage müssen Sicherheitsbehörden, Geheimdienste,
Verfassungsschützer, Polizeien ständig leben. Da mag die Zahl der -
tatsächlich oder vermeintlich - vereitelten Anschläge noch so hoch
sein. Es ist die Krux der kräftigen, blutigen Bilder aus der
französischen Hauptstadt seit Freitagnacht, dass die
Sicherheitskräfte wie Verlierer dastehen. Es scheint, als ob die
islamistischen Terroristen ihnen immer einen Schritt voraus sind.
Wenn es nicht so viele Menschenleben gekostet hätte, könnte man an
das Märchen von Hase und Igel denken. In der vertrackten Wirklichkeit
sind die Dinge freilich viel komplizierter. Schon vor den Attacken
auf das World Trade Center am 11. September 2001 hatten
Sicherheitsdienste, etwa aus Großbritannien, die Al-Kaida-Attentäter
auf dem Schirm. Diese Spuren wurden seinerzeit jedoch nicht weiter
verfolgt, weil man sich einen Angriff mittels Selbstmord- Flugzeugen
schlicht nicht vorstellen konnte. Aus 9/11 jedoch wurde gelernt. Mit
zig Sicherheitsgesetzen und einer beispiellosen
technisch-logistischen Aufrüstung haben die westlichen Staaten auf
die neuen Bedrohungen reagiert. Die USA vorneweg. In der
Bundesrepublik wurden unter Rot-Grün mehrere Sicherheitsgesetze
beschlossen, die sogenannten "Otto-Pakete" nach dem damaligen
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). Auch die deutschen
Sicherheitsdienste rüsteten auf. Allerdings kann diese gigantische
Aufrüstung der Sicherheitsbehörden das Anschlagsrisiko nicht auf Null
reduzieren, sondern bestenfalls minimieren. Dass Deutschland bislang
von größeren Attacken durchgeknallter Dschihadisten verschont
geblieben ist, hat erstens mit Tipps befreundeter Dienste zu tun.
Zweitens darf nicht unter den Tisch gekehrt werden, dass die
deutschen Behörden selbst wesentlich effektiver gegen potenzielle
Terroristen vorgehen als noch vor zehn Jahren. Offenkundige
Ermittlungspannen kratzen etwas an diesem Bild, können es jedoch
nicht umkehren. Im Bereich der Kommunikation tobt zudem ein brutaler
Wettkampf. Die IT-Fähigkeiten des Staates wurden forciert. Doch
Terroristen, zumal wenn sie, wie der Islamische Staat über viel Geld,
verfügen, versuchen, den Diensten immer eine Nasenlänge voraus zu
sein. Sie kaufen sich Knowhow und Personal, das seine
Spezialkenntnise meistbietend an Mörder verhökern. Allerdings, selbst
bestens ausgestattete Dienste auf dem neuesten Stand können
ausmanövriert werden. Al Kaida-Chef Osama bin Laden etwa war auch
deshalb solange nicht greifbar, weil er weder telefonierte noch Mails
verschickte. Die Pariser Attentäter haben möglicherweise
verschlüsselt kommuniziert. Und schon tobt die Debatte, ob solche
Verschlüsselungen von Diensten geknackt werden dürfen. Im Zweifel für
die Sicherheit.
OTS: Mittelbayerische Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/62544 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_62544.rss2
Pressekontakt: Mittelbayerische Zeitung Redaktion Telefon: +49 941 / 207 6023 nachrichten@mittelbayerische.de
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